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Exentanz. Stephan Steinbauer
Читать онлайн.Название Exentanz
Год выпуска 0
isbn 9783967526202
Автор произведения Stephan Steinbauer
Жанр Контркультура
Издательство Автор
»Scheidungen können ja so unverschämt teuer sein«, sagte sie leichthin, ohne ihn direkt anzusehen. »Mir blieb dieses Schicksal ja gottlob erspart.«
»Nun ja, gnädige Frau, nicht jedem ist es vergönnt, seine Ehepartner zu überleben«, gab Herr Thomas ärgerlich zurück und hoffte, Frau Irmgard getroffen zu haben.
Die aber lachte glockenhell. »Drum prüfe, wer sich ewig bindet – das sagte schon unser Schiller so treffend, lieber Herr Wenger.« Und sie nahm kichernd einen Schluck Rotwein.
Darauf hatte Herr Thomas keine Antwort mehr. Zunächst jedenfalls. Aber halt! Drum prüfe, wer sich ewig bindet? Wie war das denn mit Frau Irmgards Tochter?
»Das gnädige Fräulein Josefine, wenn ich nicht irre, verbringt ihren Urlaub gerade mit einem jungen Mann«, sagte er nach kurzer Pause. »Wie war doch der Name?«
»Doktor Hofstätter«, antwortete Frau Irmgard trocken. Das Lachen war aus ihrem Gesicht gewichen.
»Aus guter Familie?«, stieß er nach.
»Natürlich. Und Akademiker, Jurist«, antwortete sie, aber ihre Stimme klang eine Nuance zu schrill. Herr Thomas wusste Bescheid.
»Eine Jugendliebe muss ja nicht gleich vor das Standesamt führen«, meinte er beruhigend.
Jetzt war der Moment gekommen, in dem Frau Irmgard ihre klassische Bildung ins Spiel bringen konnte. »Wie sagt schon unser Goethe im Faust: Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet, es gibt zuletzt doch einen ganz passablen Wein. Zum Wohl, Herr Wenger!« Und sie prostete ihm zu.
»Ja, aber man sollte den stürmischen Most besser im hölzernen Fass gären lassen, unsichtbar sozusagen, und nicht im gläsernen Krug«, gab Herr Thomas spitz zurück. »Der zukünftige Genießer könnte sonst abgeschreckt werden.«
Oh ja, Frau Irmgard verstand wohl, was er meinte. Ein guter Ruf ist schnell ruiniert. Doch sie beschwichtigte sich selbst. Josefine tobte sich weit weg aus, da unten in Dalmatien auf einer Insel. Und wenn sie wieder zurück nach Frankfurt kommt, dann wird Frau Irmgard aber ganz energisch einschreiten. Sie wusste nur noch nicht, wie. Auf keinen Fall durfte Josefines Zukunft an der Seite eines standesgemäßen Ehemannes gefährdet werden.
Der Düsseldorfer hob nun an, eine unendlich scheinende Reihe von Anekdoten von seiner letzten Kreuzfahrt zu erzählen. Frau Irmgard und Herr Thomas beendeten ihr Zwiegespräch und lauschten erleichtert seinen Ausführungen. Jedenfalls taten sie so, als ob.
In Wirklichkeit aber hing jeder seinen eigenen Gedanken nach.
Thomas Wenger dachte voll Grimm an dieses junge Ding, diese Josefine Karloff. Wieso wollte sie ihn eigentlich nicht? Wieso hatte sie seinen, doch so romantisch arrangierten Heiratsantrag auf Sylt abgelehnt? Eine ganze Etage des Strandlokals Wellenbrecher in Kampen hatte er gemietet, teuersten Champagner geordert und einen wertvollen Diamantring in ihrem Sektkelch platziert. Dann war er vor ihr auf die Knie gesunken. Wie peinlich! Sie hatte ihn ungerührt verschmäht, war sogar aus dem Lokal geflohen und Hals über Kopf zurück nach Frankfurt geflogen. Wahrscheinlich direkt in die Arme, wenn nicht ins Bett dieses Habenichts, ins Bett dieses schmierigen Typen aus Wien.
»Aber warte nur, meine liebe Josefine«, tröstete er sich, »Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Dein Honeymoon mit diesem Taugenichts wird schneller vorbei sein, als du denkst. Dann stehst du da mit leeren Händen.« Er stutzte eine Sekunde lang. »Mit leeren Händen? Leider nein, denn in 2 Jahren muss deine Frau Mama dir dein Erbe auszahlen. Aber was, wenn sie dieses Geld, nein sagen wir mal nicht veruntreut, sagen wir mal langfristig anlegt. Wieviel mag es wohl sein? Dein Vater war Rechtsanwalt und Notar. Das Vermögen der Familie Karloff ist nicht unbeträchtlich. Ich habe mich informiert. Die Villa in Bad Homburg, die Mietshäuser im Frankfurter Westend – da kommt schon was zusammen. Tja, mein Mädchen, du wärst schon die richtige Frau für mich gewesen. Hättest mich sanieren können. Da hätte mich auch deine zickige Art nicht gestört. Und deine Affäre mit diesem hergelaufenen Kerl? Geschenkt. Und sei mal ehrlich, Josefine: so schön bist du nun auch wieder nicht.«
Thomas Wenger blickte irritiert auf. Was labert der Düsseldorfer da? Ach ja, jetzt lachen alle, war wohl eine Pointe. Hahaha! Er stimmte meckernd ins Gelächter der Übrigen ein.
»So, mein liebes Josefinchen, da bin ich wieder. Es gibt schönere Bräute als dich, wollte ich dir nur sagen. Ich steh nicht auf intellektuelle Brillenschlangen. Und dein Busen liegt ja auch eher im Flachland. Da hat deine Mutter mehr aufzuweisen. Hmm.«
Herr Thomas wandte den Blick seitwärts auf Frau Irmgard. Tatsächlich, die gepflegte Mittvierzigerin ließ unter der malerisch um ihren Leib geschlungenen Decke einige recht ansehnliche Rundungen vermuten. Sie hatte sich gut gehalten. Dass sie zweifache Witwe war, sah man nur ihrem Konto an. Na schön, am Hals zeigten sich erste Falten, aber wer sieht schon auf den Hals, wenn es ums Ganze geht.
»Ja, liebe Irmgard«, dachte er, »So übel wäre das gar nicht mit uns beiden. Gut, ich bin um ein, zwei Jährchen jünger als du. Na und? Zsa Zsa Gabor amüsierte sich mit einem viel Jüngeren. Also, wie wäre es mit uns beiden Hübschen, liebes Irmchen? Wie lange hast du keinen Mann mehr angefasst? Drei Jahre? Fünf Jahre? Dein Zweiter war ja schon bei eurer Heirat nicht mehr ganz gesund. Hast ihn ja deshalb genommen, stimmt«s? Du Luder. Aber die Fabriken in Mailand waren wohl ein guter Ersatz für seine fehlende Potenz. Oder hattest du einen Liebhaber? Oder mehrere? Wenn ich dich so ansehe, liebes Irmchen, traue ich dir alles zu. Tu nur nicht so etepetete. Unter deiner eiskalten Oberfläche schlummert ein Vulkan. Glaubst du, das merke ich nicht? Wie du den Ranger ansiehst! Was willst du denn von diesem knochentrockenen Inselaffen? Hier spielt die Musik! Hier sitze ich! Und deine Mailänder Millionen, deine schöne Erbschaft, die wäre bei mir gut angelegt. Schöne Erbschaft, schöne Frau. Mal sehen, was der Abend noch so bringt.«
Und Thomas Wenger nahm als Abschluss seiner Gedanken noch einen genüsslichen Schluck Rotwein und sammelte seinen ganzen Mut, um seine Schlingen nach Frau Irmgard auszuwerfen.
Die aber war auch tief in Gedanken versunken. Dieser Doktor Joseph Hofstätter ging ihr nicht aus dem Sinn. Einerseits hasste sie ihn. Er hatte sich zwischen Josefine und sie gedrängelt, entzweite Mutter und Tochter.
Aber andererseits?
»Mein Gott, Töchterlein, so toll ist dieser Schlawiner im Bett?«, räsonierte sie. »Da kauf ich dir einen zehnmal Besseren. Wenn du dich schon austoben musst, warum dann nicht mit so einem Trottel wie dieser Barta einer gewesen ist? Mit dem wurde ich spielend fertig. Aber dieser Hofstätter ist schlau. Der weiß, wie er dich manipulieren kann. Du Dummerchen. Irgendwann kriegt er dich noch vors Standesamt. Und er muss nur noch zwei Jahre durchhalten, dann hast du Zugriff auf dein Erbe von deinem leiblichen Vater. Das kann ich kaum verhindern. Obwohl – ich hab ja Vollmacht, das Geld zu verwalten. Was wäre wohl, wenn in zwei Jahren nichts mehr davon da ist? Wie dumm guckst du dann aus der Wäsche? Und erst dein Joseph! Und glaub ja nicht, liebes Töchterlein, dass du auf meine Mailänder Erbschaft hoffen kannst! Wenn du nicht spurst, bist du ganz schnell enterbt. Auf den Pflichtteil hoffst du? Kannst lange hoffen. Ich will mein Leben genießen und das kostet. Bin ja erst fünfundvierzig. Wer weiß, was noch kommt, was mir noch so über den Weg läuft?«
Die um das Feuer versammelte Gesellschaft lachte laut auf. Das schrille Gejapse der blöden Düsseldorferin riss Irmgard aus ihren Gedanken. Zwangsweise lachte sie mit.
»Tja, Töchterlein, deine Mutter hat sich auch noch nicht ins Kloster zurückgezogen«, setzte sie ihre Gedanken fort. »Es muss nur der Richtige kommen. Dein Joseph ist ja ganz knusprig, das hab ich wohl gespürt. Wenn ich wollte, hätte ich ihn längst haben können. Freilich, so schamlos wie diese Charlotte Trenkhoff könnte ich nie sein. Die hat ihn sich einfach gegriffen. Vor allen Leuten im Golfclub! Schleppt ihn einfach ab! Im Clubhaus! Er hat sie ja bestens bedient, ihren Brunftschreien nach zu urteilen. Waren ja nicht zu überhören. Dieses Flittchen. Jetzt ist sie tot. Hat sie davon. Nein, solche Eskapaden liegen mir nicht. Mein Freund Dildo hilft mir über die ärgsten Trockenperioden hinweg. Der ist wenigstens diskret. Aber auf die Dauer?«
Sie sah ins flackernde Feuer, dann fiel ihr Blick auf den Ranger, der Holz nachlegte,