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Präferenz zu verschleiern, nur war die nicht sonderlich schwer zu erkennen. Team 1 bestand aus Karl, Charlie, Olaf, Plotzke und Milo und trug die blauen Trikots, die zu unserer offiziellen Uniform passten.

      Milo, der dicklippige Kroate, war die Wahl, die mich schmerzte. In der ersten Woche hatte ich ein paar Mal mit Charlie und Karl gespielt, während Milo bei den Ersatzleuten auf der Drei agierte. Manchmal bewachten wir uns gegenseitig. Eines Abends ging Henkel mit uns die Offensivstrategien durch und Milo hatte den Basketball auf dem Flügel. Ich bedrängte ihn mit vorgestrecktem Bauch und drückte den Unterarm gegen seine Brust. Er hielt den Ball mit beiden Händen an der Hüfte und hob ihn ruckartig hoch, dann schwang er die Ellbogen nach oben und erwischte mich am Kinn.

      «Ganz ruhig», sagte er, als ich blind nach hinten taumelte. Er sprach immer mit der entspannten, wachsamen Zuversicht eines Schlägers an der Straßenecke. «Der Coach hat uns nur die Positionen gezeigt. Lass mir ein bisschen Platz.»

      Dann absolvierten wir den Spielzug, und Milo bekam innerhalb der Dreierlinie den Ball, stieg sofort hoch und traf. Henkel rief mich zu sich. «Wir proben hier für den Ernstfall», schnauzte er, «und du bist zu dämlich oder zu langsam, um in den Mann reinzugehen?»

      Milo sagte nichts, und am nächsten Tag nahm Henkel ihn in die erste Mannschaft. Nach einer Weile gewöhnten wir uns an unsere Aufgaben; meine bestand darin, auf Karl aufzupassen. Henkel hielt sich selbst für einen Exzentriker, einen Innovator. Er wollte dem Kid, zwei Meter dreizehn groß und rund hundertzwanzig Kilo schwer, beibringen, wie man im Backcourt spielt, weshalb er in meiner Verantwortung lag. Karl hat Henkel eine Menge zu verdanken. Wenn er dazu beigetragen hat, die Rolle der Big Men im modernen Basketball zu verändern, dann war es Henkel, sein erster professioneller Trainer, der ihm dabei half, sie überhaupt zu definieren.

      Karl war aber ein Problem, und das keineswegs nur für mich. Henkel wollte seine Spitzenspieler in ein und derselben Mannschaft, damit sie ein Gespür füreinander entwickelten, aber sie waren so viel besser als wir anderen, dass die Trainingsspiele kaum echten Wettkampfcharakter hatten. Manchmal gab er uns Karl oder Charlie für einen Abend und schickte dafür Darmstadt oder mich ins erste Team. Aber Darmstadt war noch ein Kind, ein richtiges Kind, ein Schüler mit seidigem Oberlippenflaum und Armen so dünn wie Spaghetti. Er konnte keinen Angriff laufen, was den Sinn der Übung zunichtemachte; und wenn Karl, gegen den niemand eine Chance hatte, die Seiten wechselte, brachte das zwar eine knappere Punktedifferenz, aber wenig Fortschritt. Die Wahrheit war – und Henkel begann sich das einzugestehen –, dass er für seine Spieler zu wenig ausgegeben hatte. Es ist die Aufgabe der Ersatzbankwärmer, der Nummern sieben, acht oder neun des Kaders, im Training Druck zu machen, auch wenn sie im Spiel dann gar nicht eingewechselt werden. Genau das war mein Job, nur erfüllte ich ihn nicht.

      Das war nicht mein erster Kontakt mit dem Versagen, dennoch hat mich dieser erste Monat definitiv geprägt. Ich spüre das bis heute. Okay, wir alle ahnten, dass Karl eine andere Hausnummer war, dass er wohl früher oder später berühmt werden würde. Aber damals war er es noch nicht, und immer wenn er gegen mich einen Rebound ergatterte oder mir den Ball wegschnappte oder lässig einen Jumpshot über meine weit nach oben gestreckte Hand schickte, schien er für alle siebzehnjährigen Jungs der Welt zu stehen, die mich ebenfalls nass machen konnten. Es war reiner Zufall gewesen, dass ich in Karls Heimatstadt gelandet war. Aber, dachte ich, in Deutschland gab es vermutlich noch hundert andere Städte, in denen mich der Star des örtlichen Gymnasiums genauso abziehen würde.

      Relativität ist einer der Negativaspekte in den unteren Ligen. Wenn du verlierst, ist es nicht nur der direkte Gegner, der dich schlägt, sondern dazu auch noch jede Mannschaft in den Ligen über dir.

      Eines Tages führte uns Henkel nach dem Vormittagstraining hinaus auf den Fußballplatz, der von einer Sandbahn umgeben war. Nachts hatte es geregnet und der rote Sand blieb an unseren Schuhen kleben. Henkel teilte uns in Gruppen ein, und wir fingen an, Intervalle zu laufen, erst zwanzig Meter, dann immer mehr bis hin zu hundert, bevor die Distanzen wieder verkürzt wurden. Nachdem wir uns ein bisschen aufgewärmt hatten, schlug er vor, einen Wettkampf daraus zu machen, und stellte sich mit der Pfeife in der Hand ans Ende der Geraden.

      Hundert Meter sind ganz schön weit; wie ein Sprint fühlen sie sich nur an, wenn man gewinnt. Ich wurde Fünfter: Karl, Charlie, Milo und Krahm, unser dürrer Ersatz-Power-Forward, hatten mindestens zehn Meter Vorsprung. Olaf hätte mich vermutlich auch geschlagen, wenn er nicht nach zwanzig Schritten schlappgemacht, sich an die Kniesehne gefasst und den Rest der Strecke mit einer grandiosen Darbietung von Schmerzen im Trab zurückgelegt hätte. Hinterher erklärte er mir, sie würden ihm nicht genug bezahlen, als dass er sich hier auf ein Pferderennen einlassen würde. Und genau wie ein Pferderennen fühlte es sich auch an. Basketball ist ein Mannschaftssport, und die feinen Nuancen des Spiels lassen einem genug Raum, die Schuld an dem, was passiert, auf andere zu schieben. Der Sprint bot diesen Raum nicht. Ich fühlte mich danach, als sei mein Körper gewogen und beurteilt worden. Wenn ich hoffte, mir in dieser Liga einen Namen zu machen, hätte ich dafür nur mindere Stärken zur Verfügung.

      Aber es gab auch gute Tage, an denen meine Würfe ihr Ziel fanden und Karl zu faul war, mich anzugreifen und sie zu verhindern. Und ich hatte auch noch andere Dinge im Kopf. Manchmal ersparte ich mir das Jungs-Gefrotzel in der Kabine und duschte zu Hause, im Dunkeln den Kopf unter den Wasserstrahl gebeugt. Die Dunkelheit hielt die Blicke anderer Menschen von meinen Gedanken fern. Ich spürte, wie der Tag von mir abgespült wurde; ich schloss die Augen, um mich vor der aufsteigenden Hitze zu schützen. Danach schaute ich gern aus dem kleinen Fenster über dem Waschbecken, auf die Lichter der Wohnanlage – die Punkte in der Nacht bildeten und einem dieser raffinierten, ständig wechselnden Muster folgten, die sowohl menschlich als auch mathematisch zu sein scheinen. Aber in Wahrheit verbrachte ich die meiste Zeit damit, nur ein einziges Fenster zu beobachten. Das Fenster, in dem die langhaarige Frau gestanden hatte.

      Immer gegen halb elf zeigte sie ihr Gesicht. Vermutlich war es ihr Schlafzimmerfenster, und sie sah vor dem Zubettgehen noch einmal kurz hinaus: auf den Pferdehof jenseits der Straße und die Felder, die hinter mir in die Dunkelheit der Landschaft abfielen. Vielleicht sah sie auch den einen oder anderen Stern. In Landshut wurde es nachts ziemlich dunkel. Die erleuchtete Quirligkeit Münchens reichte nicht bis hierher.

      Wenn sie das Haar offen trug, wirkte ihr Umriss klarer und harmloser. Ich malte mir aus, dass sie es tagsüber hochsteckte und erst abends löste, dass sie beim Schlafen ein Nachthemd trug. Manchmal konnte ich, obwohl das Licht hinter ihr war, ihre Kleidung erkennen: schwarze Strickjacken mit hellen Knöpfen, weit geschnittene Blusen in kräftigen Primärfarben. Sie war sehr schlank. Ihre Taille schien nicht breiter als mein Daumen zu sein. Die Tatsache, dass sie abends immer zur gleichen Zeit bei geöffneten Vorhängen dastand, kam mir fast wie eine intime Konversation vor: ein Ritual, das wir miteinander teilten.

      Nicht dass sie immer hinausgeschaut hätte. Manchmal konnte ich auch nur mitverfolgen, wie sie ihren bedächtigen, geräuschlosen Abendroutinen nachging. Wie sie Kleidungsstücke zusammenlegte, Nachtcreme auftrug, ihr Haar kämmte. Vor der Wand konnte ich etwas erkennen, das wie der obere Teil eines Spiegels aussah, gleich über der Fensterbrettkante. Daneben eine niedrige Skyline aus Fläschchen, Gläschen und Schachteln. Ihre Frisierkommode. Hin und wieder wurde sie von etwas oder jemand aus dem Zimmer gerufen. Einem Telefon? Ihrem Freund? Obwohl sie dann die Bühne, für die ihr Schlafzimmerfenster den Rahmen bildete, nach ein paar Minuten immer wieder allein und ohne Telefon betrat.

      Bereits damals verriet mein rasender Herzschlag, dass mein Interesse mir nicht unbedingt zuträglich war. Andererseits kam mir die Sehnsucht, die ich nach der Welt in diesen Räumen hatte, diesen durch ihre Anwesenheit gewärmten Räumen, wie eine harmlose und fast schon natürliche Sehnsucht vor – nach einem normalen und weniger einsamen Leben. Und die wenigen Male, bei denen ich sah, wie sie die Jacke aufknöpfte oder die Haare nach vorne warf, um sich die Bluse auszuziehen, wartete ich nie länger als ein paar Sekunden, bevor ich mich wegdrehte und selbst ins Bett ging.

      6

      Zwei Wochen vor Saisonbeginn tauchte Bo Hadnot beim Training auf. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn erkannt hätte. Henkel kam ausnahmsweise zu spät, und die meisten Spieler standen am anderen Ende der Halle und sahen Darmstadt beim Quatschmachen

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