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Gelegenheitsarbeit, das weißt du doch von Erika", stellte er fest und wandte sich seinem Tresen zu, den er mit einem schmuddeligen Lappen polierte.

      "Ja, sie hat es mir erzählt. Was muss ich zahlen?"

      "Der geht auf meine Rechnung!" Der Wirt grinste matt. "Betrachte ihn als Willkommenstrunk."

      "Danke." Ich verließ das Lokal.

      Drei Minuten später klingelte ich an der Tür der Mansardenwohnung. Karla Klausner, der ich einen Schlüssel gegeben hatte, öffnete mir.

      "Wo hast du denn solange gesteckt?", fragte sie und trat beiseite. "Unten in der Kneipe?"

      Jetzt wusste ich Bescheid. Sie hatte irgendwo in der Mansarde eine dieser modernen Abhöranlagen gefunden. Ich ging ins Wohnzimmer. Sie folgte mir durch die kurze Diele.

      "Ja", sagte ich. "Wieso?"

      "Ich verstehe dich nicht", meinte sie und wies auf das Fensterbrett. "Als du mit Erika zusammenlebtest, hast du dich nicht aus der Wohnung gerührt, und jetzt fängst du plötzlich an, Kontakte zu suchen."

      "Du kennst den Grund. Ich muss erfahren, wer Erika auf dem Gewissen hat."

      Ich stützte mich mit beiden Händen auf das Fensterbrett, schaute hinaus und sagte: "Trostloser Anblick! He, was ist denn hier unter dem Fensterbrett?"

      Ich nahm das Mikrofon ab, das nicht größer als ein Hühnerei war.

      Die Leitung führte zu einem Schrank. Den öffnete ich und fand ein Funkgerät. Ich hatte selbst mal versucht, mir ein "Funkgerät für den Reisekoffer” nach dem populären Anleitungsbuch eines Volksschullehrers selbst zu bauen. Offenbar gab es immer mehr Reisende, die - genau wie Seeleute - mit der Heimat über Kurzwelle in Verbindung bleiben wollten.

      Natürlich konnte man so ein Gerät auch für andere Zwecke gebrauchen...

      Habe ich irgendwie nicht richtig zurecht gekriegt, das mit der Anleitung.

      Offenbar gab es aber andere, die da technisch begabter waren.

      Wir auch immer.

      Das Funkgerät war eingeschaltet.

      Dieser Raum war also abgehört worden.

      Ich nahm den Deckel des Mikrofons ab und sorgte mit einem Griff dafür, dass es unbrauchbar wurde.

      "Gott sei Dank", stieß Karla hervor.

      "Ist es das einzige in der Wohnung?"

      "Nachdem ich es entdeckte, habe ich nicht weiter gesucht...", meinte sie zerknirscht.

      Ich stülpte die Unterlippe nach vorn. Es war nicht anzunehmen, dass eine zweite Abhöreinrichtung existierte. Im Badezimmer wäre sie sinnlos gewesen. Höchstens in der Küche hätte sie noch Nutzen bringen können. Karla Klausner schien Gedanken lesen zu können.

      "In der Küche ist nichts", sagte sie, "aber Diele und Bad müsste ich noch kontrollieren..."

      "Nicht nötig", winkte ich ab.

      "Doch", sagte sie und holte das etwa buchgroße Suchgerät aus ihrem Koffer.

      "Jetzt will ich’s wissen..." So etwas hatte ich schon einmal gesehen und staunte nur, dass die flotte Karla die neueste Ausstattung erhielt. Gut, sie war vermutlich nicht mit meiner Tätigkeit vergleichbar. Ich war davon überzeugt, dass die blonde Karla eine ausgebildete Kriminalistin war, während ich – nun ja, eine Ausbildung hatte ich auch erhalten. Eine, die mir das tägliche Leben abverlangt hatte. Die es mir ermöglichte, in den harten Zeiten nach dem Großen Krieg zu überleben. Diese Lebensausbildung hatte mich hart gemacht und mir auch einige Tricks vermittelt, die man in der Polizeiausbildung so nicht lernt. Und ich hatte das Glück, meine Mitmenschen besser durchschauen zu können. Man lobte damals meine ‚Menschenkenntnis‘. Was auch immer hinter diesem Wort steckte für die richtigen Polizisten – ich jedenfalls irrte mich nur selten in meinem Gegenüber und konnte rechtzeitig reagieren.

      Ich folgte Karla ins Bad und stieß hart gegen ihre Schulter, als sie plötzlich dicht hinter der Schwelle stoppte. Ich fühlte, wie etwas in ihr vereiste. Sie keuchte und tastete nach meinen Arm, während ich an ihr vorbeiging und dann ebenfalls ziemlich abrupt stehenblieb. Vor mir, in der Wanne lag ein voll bekleideter Mann.

      Das schmale Gesicht war grau und die Lippen blutleer und bläulich weiß - er war tot.

      15

      "Das ist das Ende", sagte Karla Klausner mit halblauter, sehr betroffen wirkender Stimme. "Das ist das Ende unserer Mission in Berlin. Jetzt müssen wir die Kollegen von der Inspektion A verständigen."

      Ich nickte verdrossen und trat dicht an die Wanne heran. Ich schätzte das Alter des Toten auf etwa fünfzig. Er war miserabel gekleidet, fast wie ein Landstreicher.

      Die Augen waren geschlossen. Sein schmales Gesicht wirkte trotzdem fast friedlich. An seinem Körper war auf den ersten und auch auf den zweiten Blick keine äußeren Verletzungen zu erkennen. Nirgendwo sah ich Blut. Ich berührte seinen Arm.

      "Die Leichenstarre ist schon vor einigen Stunden eingetreten", mutmaßte ich und schaute mich im Badezimmer um. Alles schien an seinem Platz zu sein. Hier hatte kein Kampf stattgefunden. An der Wand hing ein riesiger Boiler und darunter in der Wanne lag die Leiche.

      "Ich möchte wetten, dass er schon seit mehr als vierundzwanzig Stunden tot ist. Und – er scheint nicht hier gestorben zu sein."

      "Wer, außer Michael Krawulke, hat einen Schlüssel für die Wohnung?", fragte Karla Klausner.

      "Keine Ahnung."

      Ich sah, wie sie fieberhaft überlegte und Zusammenhänge herstellen wollte. Über ihr hübsches Gesicht wechselten sich verschiedene Gemütszustände schnell hintereinander ab. Dann zog sie beide Augenbrauen gleichzeitig hoch.

      "Frank Steinfurt!"

      "Könnte stimmen. Ich habe vorhin mit ihm gesprochen."

      "Waaas?"

      "Ja, er saß unten in der Kneipe, ganz allein. Er gab sich als Frank Kräutner aus, zeigte mir seinen Pass und überraschte mich mit einem glatten, narbenlosen linken Unterarm..."

      "Das haut mich um", murmelte Karla Klausner.

      "Und weiter?"

      Ich schaute schon wieder auf den Toten. Mir war ein bisschen unbehaglich zu Mute. "Michael Krawulke kann von dem Verbrechen nichts gewusst haben", sagte ich. "Wenn Michael und seine Kumpane ihn in die Wanne gelegt hätten, wäre Krawulke wohl kaum bereit gewesen, mir den Schlüssel für die Mansardenwohnung zu überlassen."

      "Wieso

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