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      9

      Die Treppe, die in die Mansarde führte, war eng und steil.

      Unsere Körper berührten sich einige Mal. Jedes Mal hatte ich dabei das Gefühl, einen leichten Schlag wie von einem elektrischen Draht zu erhalten. Ich öffnete die Tür zu Erikas Wohnung mit dem Schlüssel, den ich von Michael Krawulke bekommen hatte. Gleich hinter der winzigen Diele lag das große Wohnschlafzimmer. Es hatte eine schräge Wand, unter der das Bett stand. Außer diesem Raum und der Diele gab es den Luxus eines winzigen Badezimmers und die spartanisch eingerichtete Küche.

      Ich wartete, bis die Blonde die Tür hinter sich geschlossen hatte und schaute sie an. Sie war das Ansehen immer noch wert.

      Ich musterte sie in aller Ruhe und fand kaum etwas an ihr auszusetzen. Das zweiteilige Charleston-Kleid und die Fransen über den Knien erschien mir um eine Nuance zu billig. Und es gab dazu keine der obligatorischen Handschuhe.

      Ich entdeckte an der jungen Frau ein paar Gegensätze, die ich mir nicht zusammenreimen konnte, aber jetzt waren wir allein, jetzt musste sie Farbe bekennen.

      Oder hörte man uns aus eine der Nachbarwohnungen ab? Michael Krawulke und seine Freunde hatten zwei Wochen Zeit gehabt, die Wohnungen zu präparieren. Auch die Polizei konnte etwas Ähnliches unternommen haben.

      Diese Wohnung konnte eine Falle sein.

      Das legte mich fest. Ich musste selbst hier, in der scheinbaren Geborgenheit von Erika Fuchs’ Wohnung, meine Rolle weiterspielen.

      "Oh Franky, Liebling", seufzte die langbeinige Blonde und strahlte mich mit ihren großen Augen entwaffnend an. "Endlich sind wir allein..."

      "Schön, wirklich", knurrte ich.

      "Aber mir wäre es lieber gewesen, du hättest mich allein reisen lassen. Schließlich weißt du, worum es geht."

      "Ja, aber du weißt auch, dass ich ohne dich nicht mehr leben kann..."

      Ich blickte ihr in die Augen. Verdammt, warum war sie nur so umwerfend schön und begehrenswert?

      Sie ließ sich in den einzigen bequemen Sessel fallen, der im Raum stand. Ihr Rock rutschte über ihre Knie hoch und offenbarte die makellose Linie ihrer Beine.

      "Wie geht es jetzt weiter?", fragte sie und schaute sich um. "Wollen wir wirklich in dieser Bruchbude zusammenleben? Länger als drei, vier Tage halte ich das nicht aus."

      Plötzlich lächelte sie. "Aber das Bett gefällt mir. Es ist schmal. Wir werden uns darin ganz bestimmt wohlfühlen..."

      Das spöttische Glitzern in ihren schönen Augen brachte mich auf die Palme.

      "Ich muss an die Luft", sagte ich. "Nachdenken."

      "Moment", meinte sie.

      "Was ist in den übrigen Etagen los? Werden sich die Leute nicht wundern, wenn sie plötzlich fremde Gesichter im Treppenhaus sehen?"

      "Unter uns liegen noch drei Etagen", erklärte ich.

      "Über dem Lokal liegt die Wohnung des Wirtes. Im Stockwerk darüber wohnt eine kurzsichtige alte Frau, die selten das Haus verlässt und alles, was sie braucht, von ihren Händlern angeliefert bekommt. Die Wohnung unter uns steht leer, weil ihr Mieter seit einem Jahr im Gefängnis sitzt."

      "Ich verstehe", sagte die Blonde.

      "Wo hast du dein Gepäck?", fragte ich.

      "Ich habe nur einen Koffer mitgebracht. Er steht im Schließfach vom Anhalter Bahnhof."

      "Wollen wir ihn nicht gleich holen?"

      "Gute Idee", bekräftigte sie mich und verließ mit mir die Wohnung.

      10

      Auf der Straße warf ich einen Blick durch das Kneipenfenster. Der Wirt polierte die Gläser. Das Lokal war leer bis auf einen alten Mann, der wie ein Pennbruder aussah und am Tresen lehnte. Eine dicke Rauchwolke stand über ihnen an der Decke.

      Die üblichen Kneipengänger würden wahrscheinlich erst später auftauchen. Das war hier eine Fabrikgegend mit einigen Wohnhäusern bis zum Tegeler See und vielen Arbeiterwohnungen, die in Richtung Innenstadt entstanden.

      Aus den Fenstern zog der Duft von Kartoffelsuppe und irgendwelchen anderen Delikatessen zu uns heraus. Der brave Fabrikarbeiter war jetzt am Tisch bei Mutti und löffelte, was sie ihm zubereitet hatte. Dann aber wurde es Zeit, eine Molle zu zischen und die harte Tagesschicht bei Borsig.

      Dementsprechend wenig Fußgänger waren jetzt unterwegs.

      "Sind sie noch drin?", fragte mich die Blonde.

      Ich schüttelte den Kopf und schaute mich um. Die Straße war schmal und hässlich. Einige Häuser standen sogar leer, trotz der bekannten Wohnraumnot in Groß-Berlin. Wir befanden uns in einem Sanierungsviertel, das darauf wartete, in den nächsten Monaten und Jahren abgerissen zu werden. Hier wurde Platz für die Arbeiter geschafft, die nahe der Industrie in den neu geschaffenen Wohnungen leben sollten.

      Auf der anderen Fahrbahnseite spielten einige Kinder. Eine dicke Frau führte ihren weißen Spitz spazieren. Zwei hagere Männer lehnten an einer Hauswand und blickten zu uns her. Ihre einfache, abgerissene Kleidung wiesen sie als Bewohner der Gegend aus.

      Sie interessierten sich nur für meine Begleiterin. Aber das war nichts Auffälliges oder Besonderes. Jeder Mann, der die junge Frau sah, bekam große Augen.

      "Mein Wagen steht ein paar Straßenecken weiter, sagte ich spöttisch.

      "Erkennst du ihn nicht mehr?"

      Wir überquerten die Fahrbahn, gingen um mehrere Hausecken, und als ich auf den Wagen zusteuerte, sagte sie: "Nein — den erkenne ich nicht", murmelte die Blonde. "Sonst fährst du doch einen roten Bugatti, stimmt’s?"

      Das war ein Tiefschlag. Ich blieb mitten auf der Straße stehen, dann ging ich weiter und ließ

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