Скачать книгу

alt="image"/>

      Das Trauma des Robert Raboi...

      Genau zehn Schritte an einer Wand entlang. Dann nach links und wieder zehn Schritte. Und dann wieder nach links – es war zum verrückt werden.

      Das Ganze beinahe im Quadrat.

      Gefühlt war ich sie unzählige Male abgeschritten, wieder und immer wieder. Irgendwann kannte ich jeden Riss, jede Unebenheit.

      Der Raum, in den man mich gebracht hatte, hatte etwas Abstoßendes, Beklemmendes an sich. Es gab nur einen kleinen Metalltisch, am Boden verschraubt.

      Davor zwei Stühle.

      Ebenfalls aus Metall. Am Boden verschraubt. Unverrückbar.

      Keine Fenster, und alles in einem ungleichmäßigen Grau geputzt und gestrichen. Der Raum allein machte einem eine Heidenangst.

      Zehn Schritte an der einen Seite.

      Zehn Schritte an der anderen Seite.

      Ich schritt sie aus Langeweile ab - immer und immer wieder. Stundenlang. Nichts passierte. Das war überaus frustrierend. Irgendwann bekam ich Beklemmungen. Ich hatte das Gefühl, allen Sauerstoff aus der Luft eingeatmet zu haben.

      Ich hatte keine Ahnung, was sie mit mir vorhatten, denn an meinem Ende wurde auf dem Hof längst gezimmert.

      Die Verhöre schienen beendet zu sein, ob es einen weiteren Gerichtstermin für mich gab, wusste ich nicht.

      Bei all‘ den Dingern, die ich in der letzten Zeit gedreht hatte, war ich darauf bedacht, dass es keine Toten gab. Und dann der letzte Fall, der mich in diese enge, graue, fensterlose Zelle gebracht hatte.

      Das musste das Ende sein.

      Plötzlich laute Schritte vor der einzigen Tür, die Riegel wurden zurückgeschoben, und ein Mann trat ein, den ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Und der künftig zu meinem Alptraum werden sollte. Nicht sonderlich groß, nicht sonderlich breit.

      Er erinnerte mich an "Muskel-Adolf", jedenfalls für einen Moment.

      Ein kantiger Schädel mit wenigen, kurz geschnittenen roten Haaren. Ein roter, kurzer Wangenbart, ein ebenso kurz gehaltener, spitz zulaufender Kinnbart. Das war nicht der Schläger aus der "Mulackritze".

      Aber er war ihm ähnlich.

      Mit seinem Eintritt breitete sich ein seltsamer Geruch in dem kleinen Raum aus. Es war ein Geruch, den ich zuerst als sehr angenehm empfand. Er erinnerte mich an schöne Stunden in der Familie. An Weihnachten. An etwas Angenehmes, Süßes. Irgendwie vertraut. Dann erkannte ich es.

      Der Mann roch nach Zimt.

      Er war einen Kopf kleiner als ich und einen winzigen Moment überlegte ich, ob ich ihn erwischen könnte – einfach erdrosseln, denn schon am gestrigen Tage hörte ich aus meiner Zelle das stakkatoartige Hämmern, das allein mir galt.

      Holz auf Holz – das letzte was ich in meinem Leben sehen würde.

      Der untersetzte Mann lud mich mit einer Handbewegung ein, sich zu setzen.

      Er machte das ohne Hast. Er rückte nicht von seiner Nähe zu mir ab, als wüsste er, dass ich ihn nicht überwältigen konnte. Seine sehnigen Hände machten mich plötzlich nervös.

      Alle seine Bewegungen machten mich nervös, denn sie waren präzise und furchtbar schnell. Im ersten Moment zeigte er auf den Stuhl, dann landete die Mappe, die er eben noch unter seinem rechten Arm geklemmt hatte, auf den nackten Tisch und im nächsten Moment saß er vor mir.

      Er lächelte nicht, aber seine Augen musterten mich unentwegt. Wie ein Raubvogel.

      Es schien, als wartete er nur darauf, dass er mich in meine Schranken weisen konnte. Als er zu sprechen begann, hatte seine Stimme einen seltsamen, metallischen Unterton.

      Er hörte sich an, als würde er über ein Mikrofon zu mir sprechen. Es gab keinen Namen, keine Begrüßung – nichts. Nur die schmale Akte, ein Umschlag aus Karton. Dann der weiße Bogen mit dem Namen der Organisation darüber.

      Doch ehe ich das im Einzelnen entziffert hatte, schlug der Mann die Akte zu und drehte sie um. Ein Hauch von Zimt lag wieder in der Luft, und, als er mir direkt in die Augen schaute, beschlich mich ein vages Gefühl von Kälte, egal wie warm es in einem Raum war. Ich ahnte, dass es jetzt um das Ganze gehen sollte.

      Und der rothaarige Mann mit der metallischen Stimme erläuterte mir seelenruhig, was mir bevorstand. Er beschrieb die Hinrichtung in allen Einzelheiten, auch wie es mir dabei gehen würde, bevor ich das Bewusstsein verlieren würde, dass ich mir in die Hose pissen würde, vielleicht sogar einscheißen.

      Dann beugte er sich vor. Er war der uneingeschränkte Herr in diesem Raum.

      Ich bemühte mich, keine Regung zu zeigen und betrachtete sein starres Gesicht und die rötlichen Augenlider.

      "Biste 'n Gaffa?"

      Das einzige Mal, dass ihn sein Dialekt verriet.

      Und dann ging wieder alles ganz schnell. Die Akte wurde geöffnet, und er zeigte mir einen Weg auf, der voller Hoffnung war. Einen Weg aus meiner Lage, die eigentlich aussichtslos schien. Eine einfache Abmachung, die ich nur zu unterzeichnen hatte.

      Der Füllfederhalter lag neben dem Schriftstück und der schmalen, abgewetzten Aktentasche. Ich hatte eigentlich überhaupt keine Wahl und zögerte dennoch. Dann wieder Schritte vor diesem ekelhaften Raum, den ich gern in Stücke geschlagen hätte, um meiner Wut ein Ventil zu verschaffen. Ein Raum mit festgeschraubten Möbeln, wie auf einem Schiff, dass eine Hochseefahrt beabsichtigte.

      Die Tür wurde geöffnet. Als dann der kahlköpfige, ganz in Schwarz gekleidete Herr eintrat und seinen seltsam geformten Koffer auf den Tisch stellte, wurde mir die Wahl sehr erleichtert. Der Glatzkopf ließ zwei Kofferschlösser aufschnappen, deren unangenehmes Geräusch in der Stille des nackten Raumes laut in meinen Ohren zu dröhnen schien.

      Als er den Koffer öffnete, lag dort auf dunklem Samt und mit glänzendem Kopf eine Henkersaxt bereit. Das Blatt blinkte matt im Licht der Deckenlampe. Der lange Holzstiel schien fleckig und dunkel. Der schwache Zimtduft im Raum vermischte sich mit dem gut wahrnehmbaren Gestank von getrocknetem Blut auf Metall.

      Ich konnte kaum den Füllfederhalter schnell genug greifen, um das lebensrettende Dokument zu unterschreiben.

      6

      Mein Name ist Raboi.

      Robert Raboi.

      Früher Verbrecher.

      Jetzt für die Polente unterwegs

Скачать книгу