Скачать книгу

      25

      Es dauerte nicht lange und der Erkennungsdienst, der Leichenbeschauer und Dutzende von Kollegen tummelten sich im Haus und auf dem Grundstück.

      Der Gerichtsmediziner war sicher, dass Sebastian Pender frühestens gegen Mittag erschossen worden war.

      Wir stellten fest, dass der Bungalow komplett durchsucht und auf den Kopf gestellt worden war. Der Inhalt von Schubladen war auf dem Boden verstreut worden und Bücher aus dem Regal gerissen. Die Kissen einer Couch waren aufgeschlitzt, die Polsterung der Sessel ebenfalls. Wir sahen uns in den anderen Räumen um. Dort zeigte sich ein ähnliches Bild. Penders Sachen waren in einem Gästezimmer untergebracht, in dem er offenbar schon länger lebte. Zumindest ließen die Ausgaben einer örtlichen Zeitung darauf schließen, in den Pender Kreuzworträtsel gelöst hatte.

      An seiner Kleidung war buchstäblich jede Tasche nach außen gestülpt worden. Wir fanden kein Handy, keinen Computer, keine Geldbörse und keinen Führerschein oder irgendwelche anderen Papiere.

      „Da wollte jemand nicht, dass noch jemand etwas über Penders Rolle in diesem Spiel erfahren kann”, meinte Rudi.

      „Ich frage mich, was das für eine Rolle gewesen ist.”

      Eine halbe Stunde später traf Roswitha Pender ein. Sie betrieb einen Laden in der City von Hannover. Jetzt sah sie mit Entsetzen, was sich in ihrem Haus während ihrer Abwesenheit abgespielt hatte.

      „Sebastian”, flüsterte sie nur, als sie den Toten sah. „Ich habe gewusst, dass er ein schlimmes Ende nimmt... Ich habe es gewusst... Ich hab’s gewusst...”

      Sie wiederholte es immer wieder und schüttelte dabei den Kopf.

      Ich führte sie in einen Nebenraum. Dass man sie überhaupt ohne weiteres ins Wohnzimmer gelassen hatte, wo sie dann ihren getöteten Bruder vorfand, war nicht unbedingt sehr geschickt gewesen. Eigentlich wird an einem Tatort immer sehr darauf geachtet, dass niemand so einfach Zutritt zu dem Bereich hat, in dem sich das mutmaßliche Tatgeschehen abspielte. Aber es hatte wohl niemand von den dafür zuständigen Polizeimeisters damit gerechnet, dass jemand auftauchen könnte, der nicht dort hin gehörte.

      Andererseits war das, was sie gesehen hatte, nunmal die ungeschminkte Wahrheit. Und ich hoffte, dass Roswitha Pender zumindest uns gegenüber offen war. Ihrem Bruder konnte sie schließlich durch ihre Aussage nicht mehr schaden, ganz gleich, worin auch immer er verwickelt sein mochte.

      „Wer tut so etwas Furchtbares?”, fragte sie.

      „Haben Sie eine Vermutung? Sie kannten Ihren Bruder schließlich besser als wir.”

      „Er hatte üble Freunde.” Sie musterte mich und ihr Blick wirkte jetzt nicht mehr in erster Linie schmerzerfüllt, sondern angriffslustig. „Mit falschen Beweisen hat man versucht, ihn fertig zu machen. Jahrelang hat er unschuldig im Gefängnis gesessen und...”

      „Moment mal! Von unschuldig kann keine Rede sein”, korrigierte ich sie. „Ihr Bruder war tief in die kriminellen Geschäfte der Liga verwickelt. Dass er wieder auf freiem Fuß ist, verdankt er der Ungeschicklichkeit der damaligen Ankläger und der Ermittler, aber ein Unschuldslamm war Sebastian Pender mit Sicherheit nicht.”

      „Und das heißt dann, dass es Sie nicht weiter kümmert, wenn so jemand umgebracht wird.”

      „Das heißt, dass wir die Wahrheit wissen wollen - und wer immer das getan hat, sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Dabei spielt es keine Rolle, was Ihr Bruder vielleicht selbst auf dem Kerbholz hatte.”

      „Nach allem, was mein Bruder in den letzten Jahren mitmachen musste, fällt es mir schwer zu glauben, dass Sie es ernst meinen.”

      „Vier Ermittler sind verschwunden, drei sind tot. Alles Ermittler, die vor zehn Jahren gegen die Liga ermittelten, ein kriminelles Netzwerk, in dem Ihr Bruder eine gewisse Rolle spielte. Ihr Bruder hat nachweislich mindestens einen dieser Kollegen bedroht. Er hat nach seiner Entlassung aus der Haft nachweislich systematisch die Orte aufgesucht, an dem die Ermittler von damals inzwischen lebten. Er hat dabei eine falsche Identität benutzt. Und seit kurzem wird für einen der Verschwundenen eine Lösegeldforderung erhoben. Wir fragen uns, ob Ihr Bruder damit etwas zu tun hatte oder zumindest davon wusste.”

      Roswitha Pender sah mich an und schluckte. „Von diesen Dingen hatte ich keine Ahnung”, erklärte sie. Sie schluckte und fuhr dann fort: „Als er aus dem Gefängnis kam, hatte er nichts mehr. Sein Vermögen war eingezogen worden oder für den Prozess draufgegangen. Er stand buchstäblich vor dem Nichts. Darum habe ich ihn hier bei mir wohnen lassen. Seitdem ich geschieden bin, ist ja genug Platz im Haus.”

      „Es wirft Ihnen niemand vor, dass Sie Ihren Bruder unterstützt haben”, sagte ich. „Ganz im Gegenteil.”

      „Ich habe ihn immer unterstützt. Schon früher, als er noch klein war. Er war eben mein kleiner Bruder. Und dann kam eine Zeit, da hat er mit Geld nur so um sich geworfen. Ihm gehörten Anteile an Clubs und was weiß ich, woher das viele Geld kam. Ich hatte schon damals ein schlechtes Gefühl dabei. Und die Rechnung hat man ihm dann ja auch vor Gericht präsentiert.” Sie stockte und machte eine Pause. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und senkte den Blick. „Eigentlich hatte ich gehofft, dass er nach der Zeit im Knast nicht mehr zu zwielichtigen Typen Verbindung aufnimmt.”

      „Was sind das für Typen, zu denen er in letzter Zeit Verbindung hatte?”

      „Ich kenne die nicht.”

      „Geben Sie uns einfach eine Beschreibung. Irgendwas damit wir uns besser vorstellen können, was Ihren Bruder so umgetrieben hat. Dann haben wir auch eine größere Chance, seinen Mörder zu finden.”

      „Da war so ein Typ, mit dem er öfter mal zusammen war. Der sah schon sehr eigenartig aus. Groß wie ein Basketballspieler. Er hätte hier nicht durch die Tür gepasst, sage ich Ihnen. Und kein einziges Haar hatte der auf dem Kopf. Lief oft in so einem halblangen Ledermantel herum. Und was die Beule bedeutete, die da zu sehen war, denke ich, dass das eine Waffe gewesen ist.”

      „Hatte er einen Schnauzbart?”

      „So buschig, dass man seinen Mund nicht sehen konnte.”

      Der Komplize von Pascal Basemeier, dem Killer von Reinhold Kahlmann!, ging es mir durch den Kopf. Zumindest war es der Mann, den uns Nelly Gottlieb als Begleiter von Basemeier beschrieben hatte.

      Ich holte mein Smartphone hervor und zeigte ihr ein Foto von Pascal Basemeier. „War dieser Mann auch unter den neuen Freunden Ihres Bruders?”, fragte ich.

      „Der seht aus wie irgendwer, deswegen ist er mir nicht so im Gedächtnis geblieben. Aber er tauchte immer mit dem Kahlkopf zusammen auf. Ein ziemlich ungleiches Paar. Ist der Mann - tot?”

      „Ja. Wissen Sie, was genau Ihr Bruder mit diesen Typen zu besprechen hatte?”

      „Es hatte irgendetwas mit den Reisen zu tun, die er gemacht hat. Für einige Zeit war er fast ununterbrochen unterwegs.”

      „Er hatte falsche Papiere.”

      „Davon weiß ich nichts, aber ich nehme an, dass er die dann von den beiden Typen hatte. Genau wie das Geld, das er plötzlich besaß.”

      „Wie viel war das?”

      „Ich habe einige Bündel mit Tausendern bei ihm gesehen. Und Sie können sich denken, dass mich das an die Zeit von vor zehn Jahren erinnerte...”

Скачать книгу