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und der Vorstellung vom zupackenden, bodenständigen amerikanischen Arbeiter. Unser Bild der modernen Vereinigten Staaten entstand in den Jahren der Reagan-Administration.

      Nachdem er sich zuvor schon zweimal um den Einzug ins Oval Office bemüht hatte, gelang ihm 1980 ein Erdrutschsieg. Wenn man die Umstände genauer betrachtet, ist es offensichtlich, wieso es klassischerweise nach zwei Schüssen in den Ofen beim dritten Mal klappte – ein besserer Trailer, ein erfolgreicherer Film. Amerika brauchte einen Helden, und Reagan war John Wayne mit einem schicken Anzug und einer Portion Pomade. Sein Spitzname lautete Dutch, und neben seiner Bleibe in Washington hatte er auch noch eine echte Ranch – ich kann gar nicht mehr sagen, wie oft ich Fotos vom alten Ronnie sah, auf denen er in Jeans und Hemd im Sattel saß und in Camp David durchs Gelände ritt. Er wirkte freundlich und jovial, und gleichzeitig vermittelten sein kantiges Kinn und die leicht zusammengekniffenen Augen auch eine gewisse Härte. Offenbar waren die Jahre vor der Kamera die perfekte Vorbereitung gewesen – er war für diese Rolle wie geboren. Verdammt, er sah einfach genau so aus, wie man sich den ersten Mann im Staat vorstellt. Das mit der perfekten Optik war dabei ja kein neues Konzept: Allgemein gilt Kennedy als der erste US-Präsident, der aufgrund seines Sahneschnittenfaktors die Wahl gewann. Bei Reagan kam noch eine weitere Komponente mit ins Spiel, und ich weiß nicht, ob darauf schon einmal jemand hingewiesen hat – Amerika suchte nicht nur einen Helden, es brauchte auch eine Vaterfigur.

      Die Hippies und die Yippies und die Leute wie du und ich wurden nun erwachsen und ließen den Nebel des Krieges und der drogengeschwängerten Siebziger hinter sich. Männer und Frauen, die eigentlich gar nicht damit gerechnet hatten, diese verrückte Zeit überhaupt lebend zu überstehen, mussten sich plötzlich ihren Lebensunterhalt verdienen und Verantwortung übernehmen. Mit ihren eigenen Eltern hatten sie gebrochen, als sie gegen die strengen Gesellschaftsnormen der Fünfzigerjahre aufbegehrt hatten, und jetzt konnten sie sich an nichts mehr erinnern, was länger zurücklag als ihr erster Joint. Und da tauchte ein Mann auf, der so aussah, als könnte er ein paar Richtlinien bieten, um den Alltag zu bewältigen, und einem außerdem noch einen echten Rüffel verpassen, wenn man zu sehr aus der Reihe tanzte. Reagan hatte das Zeug, Amerikas Dad zu sein, wobei er auch schon als Großvater hätte durchgehen können, denn schließlich war er der älteste Präsident, der je ins Amt gewählt worden war. Und weil er genau dem Ideal entsprach, das sich die Menschen damals wünschten, stellte niemand infrage, ob auf der Haben-Seite auch eine wasserdichte Wirtschaftspolitik stand. Die es, wie sich herausstellen sollte, nicht gab. Das sogenannte Reaganomics-Modell sah beispielsweise Steuererleichterungen für die Reichen vor, weil man glaubte, die würden dann mehr Geld ausgeben und damit die Wirtschaft ankurbeln, was über Umwege letztlich auch den weniger Wohlhabenden zugutekommen würde. Das klappte nicht; tatsächlich hat sich bisher erwiesen, dass diese Politik, wenn überhaupt, nur auf Mikro-Ebene funktioniert, beispielsweise innerhalb einer kleinen Stadt, aber nicht landesweit. Kansas hat heute immer noch mit den Auswirkungen dieser Art von Deregulierung zu kämpfen.

      Randbemerkung: Ich glaube, der Ausdruck Obamacare ist die Rache dafür, dass die damalige Wirtschaftspolitik als Reaganomics bezeichnet wurde. Dabei war das Krankenversicherungsmodell ACA ursprünglich sogar ein Konzept der Republikaner.

      Jedenfalls ging bei Onkel Ronnies Regierung einiges in die Hose – die verfehlte Wirtschaftspolitik, der Kampf gegen Drogen, die Kürzung sämtlicher Staatsausgaben (abgesehen von der Rüstung), die Stellenstreichungen im Öffentlichen Dienst, die Iran-Contra-Affäre, die Bombardierung Libyens, das Wettrüsten mit den Sowjets und die Verschärfung des Kalten Krieges standen wenigen positiven Entwicklungen gegenüber, beispielsweise der Senkung der Inflationsrate und einem recht gesunden Wachstum des Bruttoinlandprodukts. Reagan gelang es außerdem, nicht als doppelzüngig zu gelten, obwohl er am Brandenburger Tor in Berlin den berühmten Spruch aufgesagt hatte: „Mr. Gorbachev, tear down this wall.“ Ausgerechnet der Kerl, der jahrelang zur Abschreckung einen Atomsprengkopf auf den nächsten gestapelt hatte, konnte sich den Fall der Berliner Mauer auf die Fahne schreiben – keine üble Leistung, wenn man bedenkt, dass seine Partei stets wortreich vor dem Feind im Osten gewarnt hatte. Ronald Reagan und David Hasselhoff, vereint in ihrem Kampf für das Gute – also, das wäre jetzt mal echt was gewesen, woran man hätte glauben können.

      Schwierig wurde die Sache, weil Reagan ja nicht ewig Präsident bleiben konnte. Selbst Leute wie wir, die nicht gerade große Fans gewesen waren, hatten ihn nie wirklich so richtig gehasst. Klar, meine liebsten Hardcore-Punker und Metal-Bands trugen damals alle T-Shirts, auf denen Reagan irgendwie entstellt oder beleidigt wurde. Für sie war der alte Dutch der Feind, das Gesicht der wachsenden Macht der Rechten und der Faschisten, die eine Generation zum Gehorsam zwingen wollten, die sich nicht zähmen oder bestechen ließ. Als sozial benachteiligtes Kind identifizierte ich mich eher mit diesen Bands als mit dem guten alten Dutch. Und so wurde Amerikas Dad der nörgelnde Vater, den ich von Anfang an nicht gehabt hatte und jetzt auch nicht mehr wollte. Dazu kam noch der Eindruck, den Terry Branstad hinterließ, der republikanische Gouverneur von Iowa, der keine Anstalten machte, aus dem Amt zu scheiden (und der schockierenderweise kürzlich noch einmal gewählt worden ist) – und für mich stand fest, dass ich mit der GOP nichts am Hut hatte.

      Aber dessen ungeachtet sollte man die Macht guter PR nie unterschätzen, wenn sie mit dem ganzen Arsenal aus Laserstrahlen, Mythen und Pyrotechnik zu Werke geht. Reagan räumte zwar den Sessel neben dem roten Knopf, aber die Republikaner blieben an der Macht. George Bush Senior rückte vom Vizepräsidenten zum echten Präsidenten auf und wurde Bush der Erste. Er hatte das Knowhow, die Erfahrung und ein Gespür für Menschenführung. Mehr noch, er hatte es als echter Texaner auch super drauf, uns gleich als erstes in einen Krieg zu verwickeln (eine Tradition, die Johnson mit dem Vietnamkrieg begründet hatte). Der erste Golfkrieg begann. Aber Bush fehlte Reagans Feuer. Der gute alte Ronnie hätte es mit einem Augenzwinkern und einem Lächeln geschafft, die ganze Nation hinter sich zu versammeln und umgeben von Flaggen und Feuerwerk und flankiert von Seeadlern und Berglöwen loszumarschieren, um Amerika wieder ganz nach vorne zu bringen. Weil ihm der richtige Biss fehlte, schaffte Bush nur eine Amtszeit und musste in den Neunzigern den Platz für Clinton räumen. Acht Jahre später nahm dann Bush Junior die Fahne wieder auf und versuchte, den Drachen zu erschlagen, wobei ihm aber der ganze Scheiß in die Quere kam, mit dem die GOP inzwischen in Verbindung gebracht wurde.

      Das war schließlich der Punkt, als das Selbstbewusstsein der Republikaner gründlich erschüttert wurde. Längst war immer deutlicher zu erkennen, dass Botschaft und Realität bei ihnen nicht mehr übereinstimmten. Vielmehr handelte es sich offenkundig um eine konservative Partei, die versuchte, die Wähler aus der Mittel- und Arbeiterklasse für sich zu gewinnen, obwohl sie gerade dadurch, dass sie den Einfluss und das Geld milliardenschwerer Unternehmen zur Deregulierung des Staates benutzte, genau diese Wählermilieus an den Rand des Existenzminimums brachte. Trotzdem hielten die Leute der Partei die Treue. Meiner Meinung nach hat das verschiedene Gründe: Zum einen haben die Republikaner es verdammt gut drauf, ein ordentliches Special-Effects-Feuerwerk abzubrennen und völlig ironiefrei „AMERIKA! SCHEISSE, WARUM NICHT!“ zu brüllen. Zum anderen gibt es bei ihnen weniger offensichtliche Herablassung durch, ich zitiere, „Eliten, Liberale und progressive Intellektuelle“, und dann haben sie auch keinerlei Hemmungen, ordentlich auf die Kacke zu hauen und Stärke zu zeigen, was dann letztlich auch zu den ekligen Einschüchterungsversuchen der Trump-Fanatiker führte. Dazu später mehr. Aber das sind offenbar gute Gründe, um eine Partei zu unterstützen, die auf alles scheißt, wofür der ehrliche amerikanische Arbeiter einsteht. Manchmal hat man im Trailer wirklich schon alle guten Szenen gesehen, und der Film an sich ist dann eine echte Enttäuschung und rausgeschmissenes Geld.

      Spulen wir mal ein bisschen vor. Jetzt sehen wir uns in einer Welt, in der die GOP schwer angeschlagen dasteht, nachdem sie zuließ, dass ein verzogener quietschorangener Wichser das Ruder übernahm, der sich vielleicht – man weiß es ja nicht genau – überhaupt nur deswegen als Präsident aufstellen ließ, um Werbung für seinen neuen Fernsehsender zu machen, und sich dabei eigentlich die ganze Zeit sicher war, dass er diese Wahl verlieren würde. Das jedenfalls denken die linken Verschwörungstheoretiker. Die Rechten schütteln einfach nur den Kopf. Und die noch weiter am rechten Rand stehenden (nein, ich werde diesen neuen Begriff, den die Nazis so geil finden, nicht benutzen), die schütteln allerdings nicht mehr den Kopf, die freuen sich alle auf eine neue Zeit weißer Vorherrschaft. Dazu aber später mehr,

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