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dass eine bessere Zukunft auf einem gesunden Planeten für alle möglich ist. Und: Wir sind davon überzeugt, dass jeder von uns durch eigenes Handeln ein Teil der Lösung werden kann.

       Anne Rüffer, Verlegerin

       Eine Welt ohne Hunger und Elend

      Meine Vision von einem nachhaltigen Ernährungssystem für die Welt hat eine Geschichte und beginnt auf dem Land: Ich bin ein Bauernbub, mein Vater war Gutsverwalter auf der Domaine des Barges im Unterwallis, einem Landwirtschaftsbetrieb im Besitz der Aargauer Tabakdynastie Burger Söhne. Auf 40 Hektar wurden hier Tabak, Kartoffeln und Weizen angebaut.

      Am eigenen Leib erlebte ich, was intensive Landwirtschaft damals bedeutete: Gegen die Raupen der Motten und Nachtfalter, die sich an den Tabakblättern gütlich taten, sowie gegen eine eingeschleppte Pilzkrankheit, wurden hochgiftige Insektizide und Fungizide verspritzt. Sie vernichteten neben den Schadinsekten und Pilzen auch Nützlinge wie Bienen. Für mich war das normal. Zwar dachte ich schon damals gelegentlich, das viele Gift sei für Mensch und Natur vermutlich nicht sehr bekömmlich, aber wir kannten nichts anderes. Und für die moderne Landwirtschaft schien eine solche chemische Behandlung notwendig.

      An der Walliser Landwirtschaftsschule Châteauneuf lernte ich später zwei Winter und einen Sommer lang alles, was ein Bauer vom Obst- und Weinbau bis zur Tierhaltung wissen musste – nämlich dass der Einsatz von Agrochemikalien ein Erfolgsgarant für gute Ernten und ein besseres Leben sei.

      Danach absolvierte ich auf dem zweiten Bildungsweg die Matura und begann 1969 ein Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, wo ich den Diplomlehrgang Agraringenieur mit Hauptfach Pflanzenschutz und Nebenfach Pflanzenzüchtung wählte. Auch hier bedeutete Pflanzenschutz fast ausschließlich, chemische Mittel gegen schädliche Insekten, Unkräuter und Pilzbefall einzusetzen.

      Es war die Zeit der »Grünen Revolution«, womit die in den 1960er-Jahren begonnene Entwicklung moderner landwirtschaftlicher Hochleistungs- bzw. Hochertragssorten und deren erfolgreiche Verbreitung in Entwicklungsländern bezeichnet wird. Als junger ETH-Student war ich von den Ertragssteigerungen, die mit Hochleistungssorten und massivem Einsatz von Agrochemikalien erzielt wurden, tief beeindruckt. Aber ich begann auch, diese Art der Landwirtschaft kritisch zu hinterfragen.

      Meine Dissertation machte ich bei Vittorio Delucchi, Professor für Entomologie (Insektenkunde). Er war in der Schweiz ein Pionier der Idee, in der Landwirtschaft gegen schädliche Insekten keine Insektizide, sondern natürliche Feinde einzusetzen. Dass es gegen jeden Schädling in der Natur immer auch den passenden Nützling gibt, war den Insektenforschern zwar schon lange bekannt, die nützlichen Insekten zu finden, für den Einsatz in der Agrarwirtschaft in großer Zahl zu züchten und mit einer geeigneten Methode auf dem Feld freizusetzen, schien der herkömmlichen Agrarwirtschaft jedoch zu kompliziert und zu aufwändig. Und dies, obwohl der Beweis längst erbracht war, dass die Methode funktionierte.

      Vittorio Delucchi öffnete mir die Tür zur Forschungsgruppe von Robert van den Bosch an der University of California in Berkeley, dem Mekka der Insektenkunde und der biologischen Schädlingsbekämpfung. Am Internationalen Institut für Tropische Landwirtschaft (IITA) in Ibadan, Nigeria, konnte ich ab 1979 das erworbene Wissen für die biologische Bekämpfung der Schmierlaus, einem gefürchteten Maniokschädling, erstmals anwenden.1

      Ich blieb 27 Jahre in Afrika und in der biologischen Schädlingsbekämpfung tätig. Die Erfahrung und das erworbene Wissen brachten mich zur Einsicht, dass die Landwirtschaft, ja, das ganze Ernährungssystem der Erde grundlegend gewandelt werden müssen.

      Das Ziel ist hochgesteckt: Eine Welt ohne Hunger und Elend, in der alle Menschen gleiche Rechte genießen, in Frieden miteinander und im Einklang mit der Natur leben. Die Grenzen, die unser Planet setzt, werden respektiert, Gewalt und Krieg geächtet. Die Bedürfnisse der kommenden Generationen stehen zuoberst auf der politischen Agenda, die natürlichen Lebensgrundlagen werden für sie regeneriert und bewahrt. Die Energieversorgung basiert zu 100% auf erneuerbaren Energieträgern.

      Dem Ernährungssystem kommt in dieser Vision eine Schlüsselrolle zu.

       1. Hunger im Überfluss

      Jeder neunte Mensch geht abends hungrig ins Bett. Laut dem Rapport der Ernährungs– und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO zur Nahrungsmittelsicherheit aus dem Jahr 2015 sind weltweit 795 Millionen Menschen – knapp 11% der Erdbevölkerung – unterernährt. Das sind zwar 216 Millionen weniger als zu Beginn der 1990er–Jahre,2 doch das Ziel des Welternährungsgipfels von 1996, die absolute Zahl der Hungernden von 1990 bis 2015 zu halbieren, das heißt, um gut eine halbe Milliarde zu senken, wurde damit deutlich verfehlt.

      Jedes siebte Kind unter fünf Jahren ist untergewichtig. Unterernährung ist mit ursächlich für den Tod von 3,1 Millionen Kindern unter fünf Jahren pro Jahr – mehr als 45% aller Sterbefälle in dieser Altersklasse.3 Am stärksten vom Hunger betroffen ist Afrika südlich der Sahara, wo derzeit rund 23% der Bevölkerung unterernährt sind; in der Karibik sind es knapp 20%.4

      Zwei Milliarden Menschen nehmen im Essen zwar genug Energie und Proteine auf, sind aber nicht ausreichend mit Vitaminen und essenziellen Mineralstoffen wie Jod und Eisen versorgt. Eine Ursache dafür ist die verminderte Ernährungsvielfalt, weil Grundnahrungsmittel in Monokulturen angebaut werden und manche nährstoffreiche Pflanzen im lokalen Ernährungssystem fehlen. In den reichen Ländern sind die Menschen oft ebenfalls fehlernährt, weil sie verarbeitete Nahrungsmittel verzehren, die viele Kalorien und viel Fett, aber wenig Mikronährstoffe enthalten.

      Hunger ist das größte Gesundheitsrisiko weltweit. Doch auch das Gegenteil ist ungesund: Weltweit sind 1,4 Milliarden erwachsene Menschen übergewichtig, davon gar 500 Millionen fettleibig.5 Übergewicht ist eine der Hauptursachen für Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfälle und etliche Krebsarten. 1980 war ein Viertel aller erwachsenen Menschen davon betroffen, 2008 waren es bereits mehr als ein Drittel – zunehmend auch in Entwicklungsländern. Insgesamt isst heute etwa jeder zweite Mensch zu wenig, zu viel oder das Falsche.6

      Für manche Länder des Südens ist Hunger ein schwer zu überwindendes Entwicklungshindernis: Wo die Menschen nicht ausreichend ernährt sind, bleibt die Arbeitsproduktivität gering, und hungrige Kinder verpassen einen Großteil der schulischen Ausbildung, zudem fallen erhebliche Krankheitskosten an. Eine in mehreren afrikanischen Ländern durchgeführte Studie bezifferte die Kosten des Hungers auf zwischen 2 und 16% des Bruttosozialprodukts der betreffenden Länder.7

      Ein Nahrungssystem, das einerseits zu viel und andererseits zu wenig gesunde und zugängliche Nahrung auf den Tisch bringt, kann kein Modell für die Zukunft sein. Ein vertiefter Blick auf die nachstehenden Problemstellungen zeigt, was das angestrebte Ziel des Welternährungsgipfels – den Hunger auszurotten – bisher verunmöglicht.

       Verschwendung

      Derzeit produzieren die Bäuerinnen und Bauern dieser Welt genug, um mehr als 14 Milliarden Menschen zu ernähren – das heißt, doppelt so viel, wie gegenwärtig benötigt wird. Doch davon landet nur ein Teil in den Mägen der Konsumenten. Gemäß einer Anfang 2013 publizierten Studie der britischen Institution of Mechanical Engineers gehen 30 bis 50% der für den menschlichen Verzehr bestimmten Nahrungsmittel verloren.8

      In den Entwicklungsländern sind ungenügende Lagerungs-, Verarbeitungs- und Transportkapazitäten die Hauptgründe für die Nahrungsmittelverluste.

      Anders in den Industrieländern: In der Schweiz fallen 45% der Verluste in den Haushalten an.9 Sonderangebote verleiten dazu, mehr zu kaufen, als verzehrt werden kann. Und die Verfallsdaten sind so festgelegt, dass in der Küche oft noch einwandfreie Nahrungsmittel ausgemustert werden.

      Derzeit wird weltweit ein Drittel der Lebensmittel nicht verzehrt, was hohe wirtschaftliche Verluste verursacht (jährlich etwa 940 Milliarden US-Dollar) und 8% aller Treibhausgasemissionen ausmacht. Eine Studie von Porter, Reay, Higgins und Bomberg der Universität Edinburgh bestätigt, dass Nahrungsmittelverluste

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