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      Alfred Rohloff

      Sigfrids Träume

      Erzählungen und Kurzgeschichten

      ATHENA

      edition exemplum

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

      in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

      Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

      E-Book-Ausgabe 2017

      Copyright der Printausgabe © 2017 by ATHENA-Verlag,

      Copyright der E-Book-Ausgabe © 2017 by ATHENA-Verlag,

      Mellinghofer Straße 126, 46047 Oberhausen

      www.athena-verlag.de

      Alle Rechte vorbehalten

      Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

      ISBN (Print) 978-3-89896-684-9

      ISBN (ePUB) 978-3-89896-894-2

       Vorwort

      Die Entstehung der hier zusammengestellten Erzählungen und Kurzgeschichten hat sich wohl über ein halbes Jahrhundert hingezogen, weshalb sie denn auch – was Inhalt und Ausdruck angeht – von großer Verschiedenartigkeit sein mögen. Vielleicht, daß nur einige von ihnen auf einen gemeinsamen Stil verweisen.

      Im Ganzen konnte es deshalb nur darauf ankommen, sie in einer zeitlichen Abfolge ihrer Entstehung zusammen zu stellen. Aber selbst das konnte bei einigen von ihnen nur aufgrund von Mutmaßungen geschehen, weil die »Erstpapiere« verloren gegangen waren und sie nur noch in Sekundärpapieren oder im Computer festgehalten waren.

      Am längsten hat mich wohl die Geschichte von Sigfrid (»Sigfrids Träume«) beschäftigt. Dies wohl auch deshalb, weil darin die autobiographischen Züge oder Bezüge stärker ausgeprägt sind als in den anderen Geschichten: habe ich doch zwei Jahre auf der Insel Island (1964–1966) zugebracht, habe ich doch noch vor unserer Flucht die Schönheit Masurens in Ostpreußen kennengelernt, aber in meiner Kindheit auch den Krieg und das autoritäre Nazi-Regime unmittelbar erlebt.

      Die ersten Aufzeichnungen zu dieser Novelle fand ich nun, da ich heute die Geschichte zusammenschreibe, auf Papierbögen, die ich nachweislich während meiner Island-Zeit benutzte. Es waren dies die Rückseiten von Formularen, die ich in einer isländischen Importfirma beschrieb, wenn ich dem Unternehmen für einen Teil ihrer Importe die Weiterverkaufspreise berechnete. Da las ich dann auf einem Blatt, das erste Sätze dieser Novelle enthielt, die Jahreszahl 1966. Da hat die Geschichte wohl ihren Anfang genommen. Einige andere Zettel fand ich, auf denen das Datum 29.9.1989 vermerkt war. Nun heute endlich habe ich die Geschichte, die mein Bewußtsein nicht verlassen wollte, ohne daß ich sie aufschreibe, beendet.

      Bei der langen Zeit, in der sich meine Vorhaben in meinem Kopf halten und anfangs nur in Bruchstücken »zu Papier« oder »zu PC« gebracht werden, ist es schwer, im Nachhinein die Entstehungszeit genau festzulegen. Mein Computer hilft mir dabei auch nicht immer. Der vermeldet mir immer nur den letzten Tag, den ich an einem Projekt zugebracht habe, nicht aber den ersten. Hinzu kommen dann noch die Veränderungen der Titel, wie sie sich bei einer langen Entstehungszeit ergeben, was dann ohnehin die Merkfähigkeit des Computers überfordert. So sind denn auch einige der im Inhaltsverzeichnis angegebenen Entstehungszeiten eher als Näherungswerte zu verstehen.

      Die Anordnung der Novellen erscheint – auch wegen der nicht so leicht lesbaren Geschichte von »Sigfrids Träumen« – in umgekehrter Reihenfolge ihrer Entstehungszeit, während die Kurzgeschichten gemäß ihrer Entstehungszeit aufgeführt sind.

      Hänigsen, im Oktober 2016

       Die Besuche der alten Dame

      Igor Alexandrowitsch saß an seinem Schreibtisch über Abrechnungen gebeugt, als der alte Diener Sebastian das kleine, neben dem Wohnzimmer gelegene Arbeitszimmer betrat und eine, wie er es fand, schreckliche Meldung zu machen hatte:

      »Herr, es ist jemand von den Kaminskis draußen«, stammelte er mehr, als daß er es sagte.

      Igor hob seine breite Stirn von den Papieren, und seine kleinen blauen Äuglein kullerten unter den buschigen Augenbrauen hervor und gleichsam hinüber zu Sebastian.

      »Wer ist es?«, fragte er, seinen aufwallenden Zorn unterdrückend, mit fester Stimme.

      »Es ist eine Magd, – eine Magd von denen da«, stotterte Sebastian.

      »Und was will sie denn? – Na, los, und laß Dir nicht alles aus der Nase ziehen!«

      »Ich kann sie ja wegschicken, Herr, wenn Ihr es wollt …«, erlaubte sich Sebastian, eingedenk des Zerwürfnisses zwischen den Familien, vorzuschlagen.

      »Was sie will?«, donnerte jetzt Igor dazwischen und sprang von seinem Stuhl auf.

      »Das ist es ja, Herr, – wenn sie nun etwas Salz, eine Hacke oder ein Wagenrad wollte, so hätte sich das vielleicht, sozusagen unter der Hand, regeln lassen, – aber sie sagt, daß die da kommen will, Herr …«

      »Wer will kommen verflixt noch mal?«, brüllte Igor den alten Diener an, der ihm inzwischen mehr Freund denn Diener geworden war.

      »Na, die Herrin, – ihre Herrin, – die Kaminski selbst!«, sagte Sebastian und war froh, daß er diese Ungeheuerlichkeit endlich heraus gebracht hatte. Daß er sich dabei solch respektloser Bezeichnungen wie »die Kaminski« bediente oder aber von »denen da« sprach, war nicht der Ausdruck seiner eigenen Mißachtung, sondern gehörte vielmehr zu den jahrelangen Gepflogenheiten im Hause Alexandrowitsch.

      Igor aber hatte seinen Schreibtisch verlassen, hob sein breitflächiges Gesicht mit seinem strubbligen Bart, der nun schon mit den Jahren eine graue Farbe angenommen hatte, gen Himmel und begann kreuz und quer durch das kleine Arbeitszimmer zu wandern.

      »Herr, soll ich sie wegschicken?«, fragte wiederum Sebastian, weil er glaubte, auf diese Weise allen Widerwärtigkeiten, die sich mit einem solchen Besuche ankündigten, am besten aus dem Wege zu gehen.

      Aber da hielt Igor in seiner Wanderung inne, richtete sein Gesicht wie eine Haubitze auf den armen Sebastian und schrie es heraus:

      »Ein Alexandrowitsch verkriecht sich nicht vor einem Weibe, – das wirst Du Dir ja wohl denken können! Oder kennst Du mich so schlecht?«

      »O nein, mein Herr, – natürlich verkriecht er sich nicht – ich dachte nur wegen der Unannehmlichkeiten, die solche Besuche vielleicht bereiten könnten. Sie inkommodieren doch häufig den Gastgeber«, verteidigte sich Sebastian.

      »Wann will sie denn kommen?«, fragte Igor, der sich inzwischen wieder gefaßt hatte.

      »Das ist es ja, Herr, – schon morgen soll es sein …«

      »Na gut denn, – sie soll kommen«, grummelte Igor und ging an seinen Schreibtisch zurück.

      Doch dort gelang es ihm aber nicht mehr, einige Ordnung in seine Abrechnungen zu bringen. Vielmehr schob er sie ein wenig sinnlos von der linken Seite des Schreibtisches auf die rechte, ohne ihre Zahlen aufgenommen zu haben.

      Was mochte dieses Weibsbild von ihm wollen, von ihm, der hier Herr war auf dem kleinen Gut in Schraten? Waren die Beziehungen zwischen den Familien nicht ein für alle Mal abgebrochen, seitdem man sich so in den Haaren gelegen hatte?

      Dabei hatten die Familien Kaminski und Alexandrowitsch schon über einige Generationen friedfertig als Nachbarn nicht nur nebeneinander sondern auch miteinander gelebt. Waren die einen, die Familie Kaminski, mehr aus dem Südwesten, aus Masowien kommend, hier eingewandert, so die anderen, die Familie Alexandrowitsch, aus dem ferneren Osten. Fast gleichzeitig waren sie hier, im Bereich der fruchtbaren Inster-Niederung, im Preußischen in Erscheinung getreten, hatten stets großen Wert auf gute Nachbarschaft gelegt, was alles dann auch in der Weise seine Früchte getragen hatte, daß sie über entferntere Verwandte, die sich geehelicht hatten, gar in eine

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