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      »Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«

      »No, grazie!«, erwiderte Alberto.

      »Im Garten.«

      »Prego?«

      »Sie wollten wissen, wo ich mich aufhielt.«

      »Bekamen Sie von dem Vorfall etwas mit?«, fragte MacDonald konziliant.

      »Leider nein, und das werde ich mir bis ans Lebensende nicht verzeihen.«

      »Wäre es akustisch möglich, im Grünen Vorfälle zu vernehmen?«

      »Nur wenn alle Zwischentüren geöffnet sind«, erklärte Reginald.

      »Naturalmente. Waren sie denn offen?«

      »Es entzieht sich leider meiner Kenntnis. Als ich ins Haus zurückkehrte, saß die junge Dame bereits weinend im Wohnzimmer.«

      »Angesichts der Umstände fragten Sie sicherlich, wer Apolonia so schrecklich zurichtete, nicht wahr?«

      »Zuallererst holte ich aus der Küche einen Eisbeutel.«

      »Was trieben Sie im Garten?«

      »Ich möchte meine Fitness bewahren. Man weiß nie, was im Leben auf einen zukommt.«

      »Fitness mit Fechtübungen?«

      »Auch, ja.«

      »Das heißt, Sie verrenken sich noch auf andere Weise?«, legte Alberto nach.

      »Wenn man das so ausdrücken möchte, Mister Vitiello.«

      »Waren Sie bei der Armee?«, erkundigte MacDonald sich.

      »Royal Marines.«

      Wenn Alberto zu lange auf seinen Capuccino warten musste, wurde er unleidlich. Vor zwei Cafés hatten sich lange Schlangen gebildet. Würde es in Edinburgh nun stets wie an Hogmanay oder während der Festivalzeit zugehen? Die beiden Detektive hatten in einem Coffee Shop auf der Morningside Road Platz gefunden, wo sich der Italiener genüsslich Milchschaum von der Oberlippe wischte. »Woher hast du gewusst, dass er Soldat war?«

      »Die Fechtübungen und eine auffallend aufrechte Haltung deuteten darauf hin.«

      »Stimmt«, erwiderte Alberto, als ob er es auch bemerkt hätte. »Aber Soldaten schwingen doch heutzutage keinen Degen mehr?«

      »Ahahaha, guter Scherz.«

      »Hab’s ernst gemeint, Angus.«

      MacDonald rieb sich die Hände über die Schläfen.

      »Was ist denn los mit dir?«

      »Entschuldige, Alberto. Aber wir sind nicht eben weit gekommen.«

      »Keine Bange, das kann sich schnell ändern.«

      »Dein Wort in Gottes Ohr.«

      »Was machen wir als Nächstes?«

      »Marmelade kochen.«

      »Vorschlag, Angus …«

      »Ja, bitte?« MacDonald war hoffnungsfroh.

      »Du kochst deine Blu… Bitterorangen ein und ich observiere den Crazy-Jam-Shop auf der Princess Street.«

      »Mit welchem Behuf?«

      »Herausfinden, wer das Geschäft beehrt.«

      Angus strahlte übers ganze Gesicht. »Glänzende Idee!«

      Zuhause in Dean Village studierte er die Crazy-Jam-Broschüren. Ein Thema glänzte mit Abwesenheit, obwohl er und alle Landsleute patriotische Menschen waren: die schottische Unabhängigkeit. Im Fernsehen und Funk sprach First Minister Nicola Sturgeon doch nahezu täglich darüber …

      Alberto hob die Hände mit gespreizten Fingern in die Luft. »No, es gibt keine andere Frau.«

      Maria Vitiello, von Natur aus ruhig, regte sich über ihren Mann auf! Nach Jahrzehnten des Ehelebens kannte man sein Gegenüber!

      »Hab’s doch erklärt. Jemandem in Not helfe ich.«

      »Zufällig eine blendend aussehende Italienerin!«

      »Ist sie so attraktiv?«

      »Nimmst du mich jetzt auch noch auf den Arm?«

      »No, aber Damen haben oft komische Kriterien für Attraktivität. Maria, ich verlasse jetzt das Haus, denn was ich auch sage, führt zum Streit.« Alberto kannte die Verletzlichkeit der italienischen Frau, wenn vermeintliche Konkurrentinnen ins Spiel kamen. Sie hatte nichts zu befürchten, blieb aber seit seinem letzten Fall extrem misstrauisch. Was konnte man tun? Maria, ich habe dich in der Vergangenheit nicht betrogen, mache es jetzt auch nicht und bleibe dir ewig treu. Das hatte er in Standesamt und Kirche versprochen! Basta cosi! Dumm nur, dass Maria Kriminalromane verschlang. Früher schlief er mit einem geöffneten Auge, falls sie auf dumme Gedanken kam. Ihrem neuen Lesetempo entsprechend, sollten es besser beide Augen sein! Er nahm den Bus zur Princess Street, stieg an der ersten Haltestelle aus und ging zu Fuß weiter. Von der anderen Straßenseite war gut zu sehen, was sich bei Crazy Jam abspielte. Immer wieder betraten und verließen Kunden das Geschäft. Nicht alle wirkten seriös. Am Abend ging dann Anne Redpath als Erste. Beschwingt singend entkettete sie ihr Mountainbike und radelte davon. Es folgte Apolonia und dreißig Minuten nach Ladenschluss ihre zweite Angestellte, Sophie Tawse. Die nette, kleine Frau trug schwarze Lederkleidung, Rucksack und Motorradhelm! Zehn Minuten spazierte sie vor dem Geschäft auf und ab, ungeduldig werdend, völlig anders als bei ihrem Gespräch! Nach abermals zehn Minuten war sie nahe dran, ihren Helm auf den Gehweg zu schleudern, schwang ihn schon hin und her. Alberto hörte die Motorradfahrer lange, bevor er sie sah. Auf Harley-Davidsons donnerten Zweiergruppen aus Leith heran, steckten in schwarzem Leder und dunklen, halben Helmen, fuhren vorbei und machten an der nächsten Kreuzung einen U-Turn. Die Schultern zierten zwei weiße Dämonen, White Demons, auf blauem Grund. Weiß und blau, die Farben der schottischen Flagge. Konnte es sein, dass die brave Miss Tawse mit diesen Gestalten bekannt war? Lange musste er auf die Antwort nicht warten. Mitten auf der Princess Street hielten sie an und blockierten den Verkehr. Sophie streckte den Daumen in die Luft und allen Zusehenden wurde klar, dass sie die Männer kannte.

      Zu Hause rannte Alberto zum Laptop. Maria war erstaunt, dass er schon wieder da war. Ihrer Einschätzung nach hatte er ja ein weiteres Rendezvous! Er tippte bei Mister Yahoo »White Demons« ein. Die Gruppierung wurde in den Fünfzigerjahren von D-Day-Veteranen gegründet und militärisch organisiert. Die Teufel waren selbständig. Nicht aus Faulheit oder übertriebener Lust am Unkonventionellen, sondern weil sich feste Jobs nicht mit regem Vereinsleben unter einen Hut bringen ließen: Bei den regelmäßigen Treffen, Festen, Motorradrennen, Paraden etc. zu fehlen, war absolut tabu. Ständig im Krieg mit anderen Banden, erwarben sich die weißen Dämonen im Laufe der Jahre eine Reputation für Gewalttätigkeit. Wie zahlreiche Zeitungsartikel belegten, hatten die Fehden oft mit Drogenhandel zu tun. Prostitution, Diebstahl und Erpressung gehörten auch zum Repertoire. Feine Gesellschaft hatte Miss Tawse sich ausgesucht! Die brutalste Rockergruppe Großbritanniens, mitten im schönen Edinburgh! Warum konnte es nicht ein harmloser Verein sein, nette Menschen, die in ihrer Freizeit gerne Motorrad fuhren? Le acque silenziose sone profonde. Stille Wasser sind tief, sagte man!

      »Miss Apolonia erzählte mir nichts von einem Buchprojekt. Das versichere ich Ihnen.« MacDonald war unschlüssig, warum er einen vereidigten Gerichtszeugen mimen musste! Mrs Howatson, die nach eigener Aussage jüngst einen Verlag gegründet hatte, klingelte an seiner Tür und rückte ins Labor vor! Seit zweiundzwanzig Minuten variierte sie dieselbe Frage, eine beliebte Verhörtechnik. Ob sie nebenberuflich für den CIA oder Homeland arbeitete? Warum in die Ferne schweifen, Angus? »Auch im schönen Schottland beherrschen Kriminalbeamte ihr Handwerk.«

      Mrs Howatson neigte neugierig den Kopf. Sie war Ende Vierzig, mit konservativem Hosenanzug und kunstvoll drapiertem Dutt, der von großer, blauweiß-lackierter Stricknadel dominiert wurde. Worauf bezog sich der stattliche Autor mit seinen Kriminalbeamten? Weil Mrs Howatson nichts zu erwidern wusste, betastete sie ihren Ehering.

      Sein

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