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Messerwetzen im Team Shakespeare. Ulrich Land
Читать онлайн.Название Messerwetzen im Team Shakespeare
Год выпуска 0
isbn 9783944369259
Автор произведения Ulrich Land
Жанр Языкознание
Серия Mord und Nachschlag
Издательство Bookwire
Helen dagegen war die Ruhe selbst und brachte tatsächlich eine geradezu nachvollziehbare Argumentation zuwege: »Dass jedenfalls immer du es bist, Will, der den Löwenanteil einstreicht, das war keineswegs verabredet. Pro Aufführung garantiert drei, vier Pfund. Gib’s zu! Muss ’n altes Weib wie unsereiner lange für stricken.«
»Ich halt schließlich meine Rübe hin«, versuchte Shakespeare seine Rübe aus der Schlinge zu ziehen, »geb für eure Schauspielund Schreibkünste stets und ständig meinen guten Namen her, wie mittelmäßig auch immer die Machwerke sein mögen.«
Doch da hatte er die Rechnung ohne seinen Kollegen George Peele gemacht, der inzwischen auch aufgetaucht war, vermutlich um rauszukriegen, warum es auf der Bühne partout nicht losgehen wollte. »Vorsicht Vorsicht, alter Junge!«, murrte dieser, »für’t Mittelmäßige bis’ immer noch du zuständig, oller Griffelspitzer.«
»Mach nicht«, trug Shakespeare eine möglichst rüde Verbalattacke vor, »mach nicht, dass ich dir diesen schminketriefenden Wattepfropf ins Schandmaul stopfe!« Wobei die letzten zwei, drei Worte an Lautstärke deutlich eingebüßt hatten.
Ja, natürlich, Sie haben vollkommen recht. Ich musste mich bremsen, verdammt noch mal. Es war dringend angezeigt, versöhnlichere Töne anzuschlagen. Schließlich galt es, und das war schon minutenlang überfällig, Theater zu spielen. Und zwar gemeinsam. Im Kollektiv! Die Situation musste auf Biegen und Brechen entschärft werden. Durch wen, wenn nicht durch mich!
»Wir sind verflucht noch mal ein Team!«, beschwor Shakespeare die versammelte Truppe. »Wie oft muss ich euch daran noch erinnern?«
Draußen kochte das Publikum inzwischen und war auf dem besten Weg, in einen tobenden Mob zu mutieren. »Loslegen!«, schrie es aus allen Richtungen, »loslegen!« Die Agents Provocateurs brauchten jetzt kein Öl mehr ins Feuer zu gießen. Die Stimmung war eh bis zum Gehtnichtmehr aufgepeitscht, die Ungeduld musste jeden Augenblick überkochen.
So schlecht konnten wir gar nicht spielen, dass wir diese brodelnde Erwartungshaltung hätten enttäuschen können. Der wogenden Rotte da draußen konnte man jetzt alles, alles in den Schlund schütten. Würde uns jede noch so miese Provinzposse aus der Hand fressen.
»Ich sag euch, das Beste ist: Wir schweigen!«, stieß Shakespeare ins Horn.
Business as usual.
»Marlowes Tod totschweigen?!«, maulte Kyd. Um noch was gesagt zu haben.
10
Man konnte es nicht wirklich sehen in der Finsternis, durch die beschlagenen Kutschenfenster schon gar nicht. Aber jeder der drei Männer wusste, wie es dort draußen aussah. Bilderbuchartige Nebelschwaden hingen von den nacht- und regenfinstren Wolken bis hinab auf das unendliche Meer von Erika-Pflanzen, die hier oben noch kaum aus dem Winterschlaf erwacht zu sein schienen. Mit jeder Meile, die die Kutsche voranschaukelte, hatten sich die Nebel dichter zugezogen. Die Kuppen der Berge, die den Höhenweg über die schottischen Highlands rechts und links säumten, mochten längst vollends in den nebelnachtschwarzen Halskrausen ertrunken sein und buckelten unterm nassen Himmel nach hinten weg, kahl und ohne jeden Anflug von Wald. Ein paar aufgeschreckt emporgereckte Brombeersträucher, Wacholderbüsche, das war das höchste der Gefühle. Ansonsten verfilzten sich so dichte wie flache Dschungel aus Islandmoos um die verzweigten Erika-Arme. Hier und da ragten aus dem grünverworrenen Tumult ein paar verstohlene Wollgrashalme, neigten ihre Köpfe mit dem zerzausten Haarschopf zueinander, als gäbe es neue Nachrichten aus dieser ereignislosen Welt hier oben zu betuscheln, und schickten – weiß, wie sie waren – Lichtflocken in die mondlose Nacht. Verlockend und tückisch, deuteten sie doch auf nichts als braunes Sumpfwasser hin, das sich zu nicht ungefährlichen Pfützen, Laken und Tümpeln zusammengefunden hatte.
»Ehrt Euch, dass Ihr eingewilligt habt«, murmelte Frizer durch das nur wenig vom matten Laternchen erhellte Halbdunkel in der Kutsche. Sein Tonfall aber verriet, dass er seinem Nebenmann in Wahrheit nicht einen Hauch Anerkennung zollte, »eingewilligt, ohne sie je gesehn zu haben.«
»Was man von einem risikobereiten Agenten nun allerdings auch erwarten darf», kam es nicht minder unterkühlt von der gegenüberliegenden Kutschbank, wo Walsingham nach wie vor neben dem dritten Fahrgast hockte, der sich weiterhin in undurchdringbares Schweigen hüllte.
»Schlagt mich, wenn ich mich verschätzt haben sollte: Ihr werdet Gefallen an ihr finden!« Frizer beugte sich vor, so weit es nur ging, ohne den Halt zu verlieren, und nahm die Stimme eines geheimnisvollen Krämers an, der seine Ware hinter vorgehaltener Hand anzupreisen gewöhnt ist. Dabei konnte er seine Begeisterung nicht verhehlen, der Speichel lief ihm in den Mundwinkeln zusammen, er redete sich gradezu in Rage. »Den Mädchenjahren freilich entwachsen, so ist doch ihre Schönheit ungeschmälert. Ganz zu schweigen von andren, verborgnen Reizen. Zumal Ihr, wie man hört, ausgereifter Schönheit ja nicht unbedingt abhold seid. Obwohl, vielleicht ist die Fragliche hier ein wenig scharfsinnig, ein wenig klug. Mag sein.«
Frizer saugte die Luft zwischen den Zähnen an, und die Speichelbläschen auf seinen Lippen zogen sich lispelnd und gurgelnd in die Mundhöhle zurück. Man konnte nur froh sein, wenn Frizer nicht auf die Idee kam, die Luft in entgegengesetzter Richtung zischen zu lassen. Denn auch ohne Nachdruck verschlug einem das, was einem da entgegenkam, den Atem. Weniger die Speichelfetzen und -schlieren, die zwischen den aufgesperrten Lippen einen flirrenden Tanz veranstalteten, als die Luft, die er ausblies. Man tat gut daran, sich nicht allzu genau auszumalen, was in den Zahnfleischtaschen an zermahlenen und versafteten Speiseresten herumlungerte, was sich hinterm Zahnstein an gärenden und nachgärenden Löchern in seinen bimssteinporösen Molaren verbergen mochte, was für Fäulnisprozesse sich in seinen Zahnritzen abspielten. Ob womöglich bereits Madenbesatz seine erbärmlichen Zahnfleischreste zierte.
Jedes Mal, wenn ich ihm begegnet bin, schoss mir die Frage durch den Kopf, ob er wohl diesmal eine Bemerkung zu der Tatsache machen würde, dass ich, sobald er das – mit Verlaub gesagt – Maul aufmachte, mein Gesicht ruckartig zur Seite drehte. Aber: Fehlanzeige. Nie ließ er durchblicken, dass er’s überhaupt registrierte. Womöglich, weil er felsenfest davon überzeugt war, den zartesten Lavendelduft zu verströmen, aus der froschbreiten Fressluke nach nichts als Kuchen zu riechen, sodass er anders geartete Empfindungen überhaupt nicht in Betracht zog.
Sie werden entschuldigen, aber der Mann roch, wenn er die Lippen nur einen Millimeterspalt öffnete, nach Dung und Gülle. Als habe er soeben in einen in der Mittagshitze dampfenden Misthaufen gebissen, der eine frische Ladung aus dem Schweinekoben abbekommen hatte, gemischt mit den Beständen aus der seit einem halben Jahr nicht geleerten Kotgrube des Hühnerstalls. Es war schier unglaublich, dass ein Kerl derart gen Himmel stinken konnte. Dabei war es ihm nicht mal gegeben, ein vorgerücktes Alter ins Feld zu führen, das einen gewissen Vorgeruch von Verwesung und Hölle gerechtfertigt hätte. So alt war er noch gar nicht. Aber er aß, fraß!, für sein Leben gern französischen Weichkäse. Direkt aus den Käseküchen vom Erzfeind, das muss man sich vorstellen! Wie er sich und wo er sich den beschaffte, entzieht sich meiner werten Kenntnis. Sicher aber ist, dass diese armen »Camemberts«, bei deren verzückter Aussprache er jedes, aber auch jedes Mal mit himmelwärts gerichtetem Riechkolben einen – wenn auch unangebrachten – Nasallaut unterbrachte, um so zu unterstreichen, dass diese orange-grün angelaufenen Käseklumpen schon eine weite Reise hinter sich hatten, bevor sie, gereift an Jahren und Erfahrung, in Frizers Hände gelangten. Dann schlug er hastig das Pergamentpapier zur Seite, biss quotschend, kaum dass ihm die verlockenden Dämpfe in die Nase krochen, handtellergroße Stücke ab und schlang sie mit einer einzigen Schluckbewegung herunter.
Kann sein, ja, geh ich verschärft von aus, dass er so ’n Ding grade mal wieder inhaliert hatte. Jedenfalls, da wird Ihre gute Frau Informantin recht haben, kann ich mir lebhaft vorstellen, dass er auch jetzt von einer olfaktorisch erlesenen Aura umgeben war. In der engen Kutsche sehr zur Freude seiner Mitreisenden.
Dass Walsingham sich angewidert zur Seite drehte und in