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Der Letzte macht das Licht aus. Ulrich Land
Читать онлайн.Название Der Letzte macht das Licht aus
Год выпуска 0
isbn 9783941895706
Автор произведения Ulrich Land
Жанр Языкознание
Серия Mord und Nachschlag
Издательство Bookwire
Der Leuchtturmwärter brüllte sie an, sie solle jetzt sofort seinen Schlüssel hergeben, er müsse schließlich raus, und zwar sofort, den Havariekandidaten helfen, damit's keine Katastrophe gebe. Aber Marits Ohren waren auf Durchzug geschaltet. Ihr eher schmächtiger Leib bebte wie der einer sizilianischen Matrone auf dem Patronatsfest der Dorfkirche, und sie schickte ihren Tanzwirbeln mit überhitzter Reißbrettstimme ein Dankgebet hinterher: »Endlich. Endlich geschafft. Dem ollen Deibel seiner Schüppe ein bisschen was auf die Sprünge geholfen. Von wegen ›save our souls‹!! Kann er sich 'n ordentliches Häufchen Elend an Land ziehn. Dabei haben die eben noch, paar Minuten vorher noch ganz fidel auf ihrem Kahn rumgestanden, ihre Seelen noch fest im Leib, haben palavert, was weiß ich, über den Höllenwind hier, das zerzauste Wasser, das paar Spritzerchen hoch an Bord schmeißt, haben unter Garantie geflucht über die zappenduster vernagelte Nacht da draußen, dass auch nicht ein Funzellichtlein sich blicken lässt oder was. Und schwupps sind sie schon verschluckt. Hihi. Hat das ganze Gefluche kein' Zweck gehabt. 'nen Sinn schon gar nicht. Und die toten Fischstäbchen im Frachtraum von ihr'm Schiff fangen's Schwimmen wieder an. Aus Wasser seid ihr, und zum Wasser kehrt ihr zurück. Hihi.«
Finn schrie, tobte und spuckte Galle wegen des verdammten Schlüssels, während Petter wie gebannt dastand und mit silbern glänzenden Augen Marits Veitstanz verfolgte, auch wenn er sich einen sorgenvollen Blick auf die schwankenden Tischbeine nicht versagen konnte. Die vorderen beiden spreizten sich bei jedem der tausend Schritte und Schrittchen ein Stück mehr, die hinteren hingegen bogen sich nicht ohne Eleganz x-förmig durch, so dass sie sich, wenn der Wirbeltanz nur lange genug anhielte, bald gegenseitig würden abstützen können. Das Freudenfeuer in der Alten schien indes nach und nach zu erlöschen. Sie atmete stampfend wie ein Kohlenkutter, die Füße versagten ihr den ungewohnt rasanten Dienst, zu guter Letzt ließ sie sich mir nichts dir nichts von Finn einfangen. Sie bedachte beide Männer mit zwei, drei weichen Küssen und gab Finn grinsend den Schlüssel. Dann hob sie ihre Pfeife auf, die sie im Eifer des Gefechtes aus dem Mund und aus den Augen verloren hatte, gab den Tabakresten Zunder und nahm unter anhaltendem Prusten und Lachen wieder auf dem quietschenden Stuhl neben den Funkgerätschaften Platz, die vor ein paar Minuten die freudige Hiobsbotschaft von der Havarie in den eiskalten Tiefen und Untiefen des Røversfjords verkündet hatten.
»Ruhe, jetzt mal Ruhe.«
»Sag ja kein Sterbenswörtchen nicht.«
»Ruhe, hab ich gesagt! Petter, du übernimmst das hier, und ich seh zu, dass ich rüber komm zu denen, und zwar schnell, dass die Leute mir nicht absaufen.«
»Und dass du als der große Retter und Ritter der Weltmeere dastehst«, jappte Marit.
Finn donnerte die flache Hand auf den Tisch. »Nicht so laut, verdammt noch mal, ich will nicht, dass Brik was davon mitkriegt.«
»Nee, klare Kiste. Geht doch keinen was an«, murmelte Petter.
Und Marit beeilte sich nachzutragen: »Ist nur 'ne Sache von uns dreien nämlich.«
»Außerdem, wie gesagt, ich muss Meldung machen.«
»Ist doch klar. Ganz klar. Was war's eigentlich für eins?«
»Ich hab ja nichts mehr verstanden, verstehn können! Bei deinem Spektakel. Keine Ahnung, was es für eins war. Aber Ruhe jetzt.«
»Was für 'ne olle Meldung willste denn dann machen müssen?«
»Sollst's Maul halten. Hat er gesagt«, raunzte ihr Mann sie an, froh, über all den Freudentaumel seinen ruppigen Tonfall nicht verloren zu haben. »Muss er doch Meldung machen von. Dass die die Seenotrettung losschicken und – wenn sie endlich ankommen – sehn: Unser guter Leuchtturmwärter ist schon da! Weil eben so 'n richtiger Leuchtturmwärter, aus Fleisch und Blut einer, kein automatischer, ist eben doch schneller zur Stelle. Kann eben mehr als bloß ein paar Leuchtfeuer bewachen. Jedenfalls müssen die Leute schließlich rausgefischt werden.«
»Warum?«, kam es prompt zwischen Marits Zähnen hervor.
Aber einmal in Schwung war Petter nicht mehr aus der Spur zu bringen. »Die, die's überlebt haben, das kalte Wasser. Und all die andern auch. Hoffentlich war's 'n ordentlicher Kahn. So vom Kaliber von vor paar Tagen dem Pott, der uns von der Schüppe gesprungen ist, so 'ne Betty Blue oder was vielleicht. Wär verdammt nicht schlecht. Dass so 'n Trawler mal auf Granit beißt, sich an unsern Felsen den fetten Wanst aufschlitzt. Wo die doch unsinkbar sind. Dass ich nicht lache! Wär nicht schlecht, wenn's so einer gewesen wär. Dass ihm die ganze Soße aus dem Bauch läuft. Soße von den Fischen, was sag ich, von den Schwärmen, die er in sich rein geschlürft hat. Ausgenommen, tiefgefroren, fertig frittiert und was weiß ich was noch. Ein verdammter Wasserstaubsauger mit Fischfabrik im Bauch. Alles schwimmend. Aber jetzt nicht mehr. Wär schon nicht übel, wenn so einer mal untergehn tät!«
»Sollst auch dein Maul halten. Hat er gesagt. Seine Meldung meldet sich nicht von selber. Da braucht er Ruhe für. – Außerdem das mit den Fischen im Schiff seiner Bauchhöhle, das hab ich schon gesagt, eben. Klaust mir wieder die Wörter, ollen Loddenkopp, fischst in fremden Gewässern.«
»Schon gut, schon gut.« Petter wunderte sich selbst über den Wortschwall, der ihm da eben über die Lippen gerauscht war. So was war ihm schon seit Jahren nicht mehr passiert. Er war nie sonderlich wortgewaltig gewesen, aber in den letzten Jahren war er noch entschieden schweigsamer geworden. Seit ihm mit seinem Fischerboot das Wasser bis zum Hals stand, übte er sich wo eben möglich in sprachlicher Abstinenz. Selbst Marit hatte ihn in letzter Zeit selten mehr als zwei Sätze am Stück sprechen hören. »Und, Finn? Haben die in Svolvik drüben auch was gehört?«
»Brauchst gar nicht so rumtönen, Petter. Siehste nicht? Hat doch 'en Kopfhörer auf. Versteht er sowieso kein Wort nicht.«
»Maul halten. Du, schlaf jetzt erst mal deinen Tanzrausch aus! Dass du mir bloß nicht verblödest. Wo du dein ganzes armseliges Blut nach unten in die Füße geschickt hast.«
Seine Frau ließ ihn meckern. Sie nahm sich ihre Pfeife vor, brachte die angekohlte Hornhautschwarte ihres Zeigefingers zum Einsatz und paffte blaue Wolken, die sich unter der Zimmerdecke sammelten und bald als zähe Fladen wieder hinabsanken, um endlich in dem kleinen Raum eine neblige Zwischendecke einzuziehen. Die Alte genoss mit sichtlichem Wohlbehagen ihre Ruhe nach dem Sturm. Während das Funkgerät auf Hochtouren lief und ihr Mann anhand der wechselnden Mienen, die sich, eingeklemmt zwischen die Kopfhörermuscheln, auf Finns Gesicht abzeichneten, rauszubekommen versuchte, was Sache war.
Plötzlich riss Finn den Kopfhörer ab und warf ihn auf den Arbeitstisch. Er ging einen Schritt zur Seite und machte sich an der Schalttafel zu schaffen. »Hätt ich fast vergessen, das Leuchtfeuer wieder anzustellen.«
»Ja und?«
»Rauch deinen Stinktiegel und frag nicht dumm.« Petter warf ihr einen Blick zu.
»Na, dass die mich nicht festnageln und sagen, es wär meine Schuld. Ich hätte meine Feuer nicht im Griff. Die haben mich sowieso schon ins Visier genommen. Glaub ich. Bin ich mir sicher. Ziemlich sicher.«
»Versteh wer will.« Die Alte kniete vorm Ofen, machte sich an den Klappen zu schaffen und legte zwei Scheite nach. Das Rot der Glut spiegelte sich gespenstisch in ihren Augen. »Ich kapier's jedenfalls nicht. Ich mein, vielleicht kommt ja noch eins! Zwei, drei auf einen Schlag, könnt doch schön sein. Ich mein, vielleicht geht uns ja noch