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Anwendung auf unser Verhältnis zur umfassenderen planetarischen Gemeinschaft. Wir Menschen versuchen, die Erde selbst und alle Lebewesen zu beherrschen, da wir unsere Abhängigkeit vom umfassenderen Netz des Lebens zu verleugnen suchen: „Wir haben als Angehörige einer städtisch-industriellen Zivilisation unsere Identität als Gattung auf der Verleugnung dieser Wahrheit begründet. Die Abhängigkeit des Menschen von der Gastfreundschaft der Erde ist allumfassend, und das bedroht das sich als unabhängig dünkende Selbst aufs Äußerste.“ (Gomes/Kanner 1995, 114) Dieser Prozess scheint bereits vor langer Zeit mit dem Entstehen der Agrargesellschaften und der Kultur der Stadtstaaten in Gang gekommen zu sein, auch wenn das Ausmaß der Entfremdung mit der Entwicklung der Industriegesellschaften außerordentlich zugenommen hat.

      Aus einer ökofeministischen Perspektive gesehen stellt der moderne Kapitalismus das am weitesten entwickelte und am meisten ausbeuterische aller patriarchalischen, anthropozentrischen Systeme dar. Der weltweite, von der Herrschaft der Konzerne geprägte Kapitalismus hat, wie alle Systeme imperialer Herrschaft vor ihm, ein extraktives, nicht wechselseitiges und ausbeuterisches Objekt-Verhältnis zur Natur zur Grundlage, wie es zuerst zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Mensch und Natur etabliert wurde (Mies 1989, 83–88). Wie wir bereits bei unserer Untersuchung der Pathologie des grenzenlosen Wachstums und einer fehlgeleiteten Entwicklung gesehen haben, wird der Beitrag der außermenschlichen Ökonomie (und sehr oft der der Frauen, insbesondere deren unbezahlte Arbeit) vom herrschenden Wirtschaftssystem fast völlig unsichtbar gemacht. Tatsächlich bildet die Zerstörung des natürlichen Reichtums der Erde um einer künstlichen und illusorischen Kapitalakkumulation willen das Herzstück der Gesellschaften industriellen Wachstums, wie sie vom Kapitalismus der Konzernherrschaft geschaffen wurden. Gleichzeitig gilt, wie unsere Analyse der Konzernherrschaft und der Finanzspekulation zeigt: Diejenigen, die den Produktionsprozess und die Produkte kontrollieren, sind selbst keine Produzenten, sondern Aneigner. Was weniger deutlich sein mag, aber durch eine feministische Analyse aufgedeckt wird, ist die Tatsache, dass ihre sogenannte Produktivität die Existenz und die Unterwerfung anderer – und letztlich weiblicher – Produzenten voraussetzt (Mies 1989, 83–88). Die „räuberische Aneignung der Produktionsmittel“ bildet also das Herzstück des Kapitalismus selbst.

      Wie der Kapitalismus entstand

      Aus einer ökofeministischen Perspektive sind die Ursprünge des Kapitalismus mit verschiedenen historischen Prozessen untrennbar verbunden: der Ausbreitung von Kolonialismus und Sklaverei, der Verfolgung der Frauen während der großen Hexenjagden in Europa und dem Aufstieg der modernen Wissenschaften und der Technologie, der in die industrielle Revolution mündete. Zusammengenommen bewirkten diese Prozesse, dass die Natur nicht mehr im Bild der Mutter Erde gesehen wurde, sondern als eine leblose Maschine, die den Bedürfnissen des „Menschen“ bzw. Mannes als Rohstoffquelle und Abfallhalde dient. Gleichzeitig entstanden neue und ausgeklügeltere Formen des Patriarchats, die in effizienter Weise dazu dienten, die Frauen einer Ausbeutung auf neuem Niveau preiszugeben.

      Viele Historiker vertreten die Meinung, dass die „ursprüngliche Kapitalakkumulation“, die den Ausgangspunkt des Kapitalismus bildete, nur aufgrund der gewaltsamen Aneignung des Reichtums aus Europas Kolonien in Amerika – insbesondere Gold, Silber und Agrarprodukte aus den Kolonien Spaniens und Portugals – möglich war. Wie wir bereits erwähnt haben, bezieht sich der fiktive Brief des Guaicaipuro Cuautémoc an die Entscheidungsträger Europas scherzhaft auf 185.000 kg Gold und 16 Millionen kg Silber, die zwischen 1503 und 1660 von San Lucar de Barrameda „als erste von mehreren Freundschaftskrediten Amerikas für die Entwicklung Europas“ verschifft wurden (Britto García 1990). Natürlich verhält es sich in Wirklichkeit so, dass dieser Reichtum mit dem Schweiß, dem Blut und dem Leben Hunderttausender indianischer Arbeitskräfte in den Bergwerken ganz Lateinamerikas bezahlt wurde. Ergänzt wurde diese Arbeitskraft durch Millionen Afrikaner, die gewaltsam ihrer Heimat und ihrer Freiheit beraubt und dann als Sklaven nach Amerika verschifft wurden. Viel mehr noch wurden zur Sklavenarbeit auf den Plantagen gezwungen und sorgten so für wertvolle Exportprodukte nach Europa. Während Spanien und Portugal diesen Reichtum nicht dazu nutzten, ihre eigene industrielle Entwicklung zu finanzieren, wurde dadurch eine Nachfrage nach Luxusgütern geschaffen, die die Grundlagen für die industrielle Expansion Nordwesteuropas legte.

      Fast zur gleichen Zeit, genauer zwischen der Mitte des 15. und der Mitte des 18. Jahrhunderts, der Zeit der Scheiterhaufen, wie man sie manchmal nennt, wurde in Europa die große Verfolgung von „Hexen“ in Gang gesetzt. Man schätzt, dass 80 bis 90 % der Getöteten Frauen waren und dass bis zu zwei Millionen Menschen getötet worden sein mögen, größtenteils auf wahrhaft erschreckende Weise. Viele der getöteten Frauen praktizierten traditionelle Heilverfahren und Methoden der Geburtshilfe, und fast alle Betroffenen waren arm. Die Hexenverfolgung nahm ihren Anfang als Bestandteil der katholischen Inquisition (die sich auch auf Lateinamerika erstreckte), doch diese Praxis verbreitete sich bald im protestantischen Teil Europas (und später in den Neuengland-Staaten).

      Einerseits kann die Zeit der Scheiterhaufen als Ausdruck der Angst vor der Stärke der Frauen und der Kraft der Natur verstanden werden, insbesondere, da die Frauen, die traditionelle Heilkünste ausübten (was eine Kenntnis der Kräuter und damit der Orte in der freien Natur voraussetzte, wo diese gesammelt werden konnten), besonders gefährdet waren. Tatsächlich kommt das englische Wort für Hexe, „witch“, von „wita“, was „die Weise“ bedeutet. Hexen waren also oftmals solche Menschen, die über eine in der Natur gründende Weisheit verfügten.

      Darüber hinaus betont Mies (1986), dass die Hexenjagden einen Angriff auf die Sexualität der Frauen darstellten und auf die Kontrolle ihrer Fruchtbarkeit abzielten (daher rührt die Verfolgung von Hebammen). In einem allgemeineren Sinne wollten die Hexenjagden die Frauen aus dem öffentlichen Bereich verdrängen. Die Verfolgung hatte zur Konsequenz, dass Frauen ihre Arbeit verloren und ihr Eigentum konfisziert wurde. In psychologischer Hinsicht kann man sich leicht das kollektive Trauma vorstellen, das durch eine solche massive und schreckliche Verfolgung hervorgerufen worden sein muss. Ohne Zweifel haben Frauen entdeckt, dass ihre beste Verteidigung darin liegt, so wenig wie möglich Profil zu zeigen und sich als gelehrige, gehorsame Ehefrauen und Töchter zu erweisen, die eng an ihre häusliche Umgebung gebunden waren.

      Interessant ist es, den zeitlichen Zusammenfall der Sklavenraubzüge in Afrika und der Hexenjagd in Europa zu beobachten. Mies meint, dass dies kein Zufall ist:

      „Die Sklavenjagd in Afrika hatte darum in den gleichen Jahrhunderten ihr Gegenstück in der Hexenjagd Europas.“ (Mies 1989, 86)

      „Genauso wie der Prozess der ‚Naturalisierung‘ der Kolonien auf den Gebrauch von Gewalt und Zwang in großem Maßstab gegründet war, war auch der Prozess der Domestizierung der europäischen (und später nordamerikanischen) Frauen keine friedliche und idyllische Angelegenheit. Die Frauen gaben die Kontrolle über ihre Produktivität, ihre Sexualität und ihre reproduktiven Fähigkeiten nicht freiwillig an ihre Männer und an den GROSSEN MANN (Kirche, Staat) ab.“ (Mies 1986, 69)

      Der dritte historische Prozess, der zur gleichen Zeit einsetzte, war die wissenschaftliche Revolution. Diese wird an anderer Stelle in diesem Buch genauer erforscht werden. Hier genügt der Hinweis, dass dieser Prozess Europas Art und Weise, die Welt zu sehen, tiefgehend bestimmte. Das trifft insbesondere auf die geistigen und politischen Eliten zu. Anstatt die Erde als terra mater aufzufassen, wurden Land, Wälder und alles Lebendige zu einer leblosen Maschine und einer unerschöpflichen Quelle von „Rohmaterialien“ zum Gebrauch des Menschen gemacht. Dieser Wandel, so betont Vandana Shiva, „beseitigte alle ethischen und kognitiven Schranken gegenüber ihrer Vergewaltigung und Ausbeutung“ (1989 b, XVII). Auf der gleichen Linie wurden Frauen (und auch die ursprünglichen Völker), die als der Natur näher stehend und daher weniger rational und weniger wertvoll angesehen wurden, zu kaum mehr als Instrumenten im „Dienst für den Mann“ degradiert.

      Aus einer ökofeministischen Perspektive ist die moderne Wissenschaft insofern das Musterbeispiel eines patriarchalischen Projekts, als es neue Formen der Unterwerfung und Ausbeutung ermöglicht. Letztlich bringt sie Fehlentwicklung (die mit dem Kolonialismus begann und durch moderne Formen der wirtschaftlichen Beherrschung fortgesetzt wurde), denn sie beruht auf Formen der Wirklichkeitswahrnehmung,

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