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etwas billiger war auch wohl das Hotel in Varel“, meinte der Hotelmann Hergen Vesper. „Wir hatten ein Angebot für die Unterbringung des gesamten Filmteams für die Dauer der Dreharbeiten abgegeben, aber den Zuschlag hat ein anderes Hotel bekommen.“

      Die Aufmerksamkeit der Stammtischrunde richtete sich auf zwei Männer, die an der Theke standen und schon reichlich Bier und Korn getrunken hatten und jetzt sehr laut wurden.

      Einer der beiden Gröler war groß, breitschultrig und stark übergewichtig. Sein Schädel war zur Glatze rasiert, die konturlos in einen Stiernacken überging. Er trug einen Kapuzenpulli mit runenartigen Schriftzeichen auf dem Rücken. Seine schwarzen Röhrenhosen endeten in Doc-Martens-Stiefeln.

      Der andere Mann wirkte wie das Klischee eines pseudolinken Revoluzzers. Er war mager bis auf die Knochen, hatte lange, ungepflegte, mausgraue Haare, die mit einem Gummiband zusammengebunden waren, und einen wie von Motten zerfressenen Fusselbart. Bekleidet war er mit einem löchrigen Strickpullover in undefinierbaren Farben und einer ausgebeulten Jeans, die offensichtlich Monate, wenn nicht Jahre, keine Waschmaschine mehr gesehen hatte. An den Füßen trug er Ledersandalen.

      „Was sind das denn für Typen?“ entfuhr es dem Wattyeti.

      Der wie geleckt aussehende Hotelmanager Focko Daul konnte ihn und die anderen – die auch fragend schauten – aufklären.

      „Mit diesen beiden Vollidioten hatten wir in unserem Hotel bei Bürgerversammlungen auch schon unsere Freude. Der große Kerl mit der Glatze ist Raik Lawitzke. Dieser aus dem Osten hergelaufene Strolch ist ein ganz übler Neonazi. Der langhaarige Affe, der Wirrkopf mit dem Zauselbart neben ihm, ist Lars Poppinga aus Waddens. Dieser Kiffer gehört einer linken Gruppierung an. Beide haben etwas gegen die Verfilmung von Franz Radziwills Leben und bilden dagegen eine unheilige Allianz. Der Maler galt ja auf der einen Seite bei den Nationalsozialisten als Vertreter der entarteten Kunst. Deshalb sind die Glatzköpfe gegen die Verfilmung. Auf der anderen Seite war Radziwill lange Zeit ein glühender Verfechter des Nationalsozialismus. Deshalb befürchten die Linken eine Glorifizierung des Malers in der Verfilmung seines Lebens. Man mag es kaum glauben, aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Bei der letzten Bürgerversammlung bei uns im großen Saal, als von den bevorstehenden Filmarbeiten berichtet wurde, protestierten die beiden jeweils gemeinsam mit ihren Gesinnungsgenossen dagegen. Während Raik Lawitzke, diese Dumpfbacke, immer ‚Ausländer raus‘ rief, obwohl Radziwill gar kein Ausländer war, störten diese Pseudolinken die Versammlung mit ihren ‚Radziwill-Naziwill‘-Rufen.“

      Hergen Vesper, der andere Hotelmann, ergänzte die Schilderung seines Kollegen. „Diese Burschen sind ja nicht ungefährlich und belassen es bei ihren großspurigen Redensarten. Ich habe es in meinen vorigen Stationen in Rostock und Berlin erlebt. Das Gewaltpotenzial der Rechtsextremen ist größer. Die prügeln doch auf alles ein, was ausländisch aussieht. Die autonomen Linken, die in Berlin und Hamburg Autos anzünden, agieren nicht politisch orientiert, sondern sind Krawallmacher, die nur Randale machen wollen. Das beste Beispiel sind die Vorfälle im Hamburger Schanzenviertel, wo Linksradikale eine Polizeiwache in Brand gesetzt und mehrere Einsatzwagen der Polizei abgefackelt haben. Das politische Weltbild beider Gruppierungen ist doch reichlich verworren. Leider gibt es in der Bevölkerung Sympathisanten für beide.“

      „Komisch“, meinte einer der Krabbenfischer, der bisher noch gar nichts gesagt hatte, „früher haben sich solche Leute bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Fresse poliert, und jetzt machen sie gemeinsame Sache gegen diesen Film.“

      Er trank sein Bier aus und orderte eine neue Runde für den Stammtisch.

      Kalle, der Wirt, hatte einiges von dem Gespräch mitbekommen. Ihn drängte es, etwas zum Thema beizutragen. Als er das Bier brachte, mischte er sich in das Gespräch ein: „Über die Filmerei in Dangast wurde auch auf unserer letzten Gaststätten-Verbandssitzung gesprochen. Die Kollegen in Varel und Dangast versprechen sich für die Dauer der Dreharbeiten einen erhöhten Umsatz. Einer der Kollegen, vielleicht kennt ihr ihn ja, Friedrich Kaupp, er führt die Schifferklause in Dangast, erzählte einen Witz, der aus Schauspielerkreisen stammen soll.“ Kalle nahm die leeren Biergläser an sich.

      Hergen Vesper blickte zum Wirt neben sich hoch. „Und wie geht der Witz?“

      Der räusperte sich. „Ganz einfach. Gehen zwei Schauspieler an einer Kneipe vorbei.“ Die Männer der Tischrunde blickten den Wirt an.

      Der Wattyeti fragte: „Und weiter?“

      „Nichts weiter“, antwortete Kalle. „Schauspieler gehen nicht an einer Kneipe vorbei. Das ist der Witz!“

      Einige der Stammtischbrüder lachten etwas gequält. Nur Focko Daul, der Hotelmann, hatte den Witz verstanden und lachte aus vollem Hals. Als er sich wieder beruhigt hatte, rief er Kalle, der inzwischen mit den leeren Gläsern zur Theke ging, hinterher: „Prima Witz. Darauf noch eine Runde Korn auf meine Kappe.“

       Varel

      Abends, nach dem ersten Drehtag, saß das Team der Valentine Production fast komplett im Restaurant Zum Wattwurm im Hotel Vareler Stern zum Essen zusammen.

      Mittags war auch der Hauptdarsteller des Films, Tim Schumann, eingetroffen. Er hatte seinen ersten Einsatz als junger Franz Radziwill kurz vor Schluss der heutigen Dreharbeiten, am späten Nachmittag gehabt. Jetzt saß er am Tisch des Regisseurs Hanno Ahrens, um den sich noch der Kameramann Wolfgang Kluge, der Oberbeleuchter Bernd Röbge, die Kostümbildnerin Hella Rahde und Claudia Markus, die Continuity-Verantwortliche wie ein Hofstaat herumgeschart hatten.

      Am Nebentisch hatten sich Ferdi Schönert, der exaltierte Nebendarsteller, der Set-Aufnahmeleiter Kai Schmidt, die Regieassistentin Monique Minthorn und Pille, der Produktionsfahrer, platziert.

      An vier weiteren Tischen saßen verteilt der Requisiteur mit seinem Assistenten, die Beleuchter, die beiden Tonleute, die Kameraassistenten, der Maskenbildner Andy Lengner mit seiner Kollegin Uta Berling, zwei Praktikanten und drei Schauspieler, darunter Regina Schönefelder, die als Darstellerin von Franz Radziwills erster Frau Johanna Ingeborg verpflichtet worden war. Die divenhafte Schauspielerin war immer noch wegen des Vorfalls mit ihrem Wohnmobil beleidigt.

      Tim Schumann, Typ Frauenversteher mit grauen Schläfen, führte am Tisch des Regisseurs das große Wort. Er sprach davon, dass er für die Salzburger Festspiele als nächster Jedermann gehandelt würde und seine künstlerische Heimat eigentlich nur das Theater sei.

      „Aber von irgendetwas muss man sich ja seine kleinen Extravaganzen leisten können.“

      Damit spielte er auf die deutlich höheren Gagen bei Filmproduktionen gegenüber den gagen an Theatern an. Alle am Tisch wussten, dass seine Frauengeschichten viel Geld kosteten.

      „Apropos kleine Extravaganzen“, fuhr er fort und sprach die Kostümbildnerin Hella Rahde an, nachdem er sich mit einer kurzen Drehung umgesehen hatte. „Wo ist denn deine kleine, schnuckelige Assistentin, die ... wie heißt sie noch?“

      Hella Rahde antwortete etwas spitz: „Meine kleine, schnuckelige Assistentin heißt Jenni und ist eine tüchtige junge Frau, die mir einen großen Teil meiner umfangreichen Arbeit abnimmt. Ich nehme an, dass sie schon ins Bett gegangen ist, nachdem wir vorhin die Garderobe für morgen vorbereitet haben. Sie war todmüde von der vielen Schlepperei.“

      Der Regisseur lenkte ab. Er blickte den Kameramann und den Oberbeleuchter an. „Wir wollen noch mal kurz über unsere Arbeit sprechen. In der Tagesdispo für morgen ist der Drehbeginn für acht Uhr festgelegt. Ich möchte mit Kamera und Beleuchtung eine Stunde früher am Set sein. Ich habe da so eine Idee, die ich mit euch vor Ort besprechen möchte.“

      Die beiden Männer nickten zustimmend.

      Tim Schumann erhob sich. „Ich muss noch ins Drehbuch schauen und mich mit meinem ellenlangen Monolog für morgen beschäftigen.“ Damit verließ er den Tisch.

      Irgendjemand aus der Runde rief ihm nach: „Verlauf dich nicht auf dem Weg in dein Zimmer.“

      Schumann blickte sich um. Er verstand, wie es gemeint war. „Keine Angst,

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