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sich dieses Verhalten bestenfalls noch am Rande der Haager Landkriegs-Ordnung, so stellte die ›Volltarnung‹ klar einen Verstoß dar. Ausgestattet mit feindlichen Uniformen, perfekt einstudiertem Verhalten und Beherrschung der entsprechenden Sprache sickerten derart getarnte Kommandos in das Hinterland, zum Teil in gegnerische Garnisonen und Stäbe ein und erfüllten bis zuletzt in ›Volltarnung‹ ihre Aufklärungs-, Verwirrungs- und Sabotage-Aufträge.«

      Das 2007 veröffentlichte Buch Geheime Krieger – Co-Autoren sind der Ex-»Brandenburger« Regimentskommandeur Wilhelm Walther, GSG-9-Grenzschutzkommandeur Ulrich Wegener und Brigadegeneral Reinhard Günzel, ehemals Kommandeur der Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr – pries die Verbände der »Brandenburger« und ihren Korpsgeist als legendäre Vorbilder für das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Die LINKE im Bundestag protestierte: Bei den »Brandenburgern« handele es sich um eine »verbrecherische Wehrmachtsdivision«, eine »terroristische Sondereinheit«.

      Autor Walther über seine alte Truppe: »Unsere Kampfweise war von den Elementen List und Tücke geprägt. Unsere Operationen waren so geheim, dass sie weder in der Presse noch in den täglichen Wehrmachtsberichten Erwähnung fanden. Von ›normalen‹ Stoßtruppeinsätzen unterschieden sich die Kommandounternehmungen der deutschen Abwehr durch die Anwendung geheimdienstlicher Methoden und Mittel. Die meisten unsere Einsätze (waren) nicht von dem damaligen Kriegsvölkerrecht gedeckt. Es war wichtig, dass der ›Brandenburger‹ absolute Bescheidenheit an den Tag legte. Denn es war klar, dass aufgrund der hohen Geheimhaltungsstufe die eigenen verwegenen Einsätze nicht an die Öffentlichkeit getragen werden durften. Maulheldentum galt bei uns als unsoldatisch und war in höchstem Maße verpönt. Deswegen galt für uns mehr als für alle anderen Soldaten der alte preußische Grundsatz ›Mehr Sein als Schein‹.«

      Die »Brandenburger« hatten offenkundig Interesse an einem Fotodrogisten, der sich auf das Entwickeln von Filmen und Bildern, auf das Vergrößern von Fotoausschnitten verstand – wichtige Mittel der Feindaufklärung. So geriet der junge Kanter in der Hitler-Armee in die Welt der Geheimoperationen, des Ausspähens, der Heimtücke, der Decknamen, der Nachrichtendienste, der Sabotage, der Spionage. Auch wenn die Division »Brandenburg« nach Kriegswende 1943 nach Stalingrad mehr und mehr als gewöhnliche Panzertruppe gegen die Rote Armee eingesetzt wurde, so »starb jedoch«, schrieb Ex-Brandenburger Walter, »der Kommandogeist keineswegs. Denn die Abwehrtrupps und -kommandos blieben bei ihren Armeen und Heeresgruppen.«

      Laut in Berlin verwahrten Akten der Wehrmachtauskunftsstelle stieß Kanter am 24. Juni 1943 im besetzten Frankreich zur »1. Kompanie Panzer Ersatz- und Ausbildungs-Abteilung 100«, stationiert in Versailles, unterstellt dem »Kommandeur der Schnellen Panzertruppen«. Sechs Monate später wechselte er zur »2. Panzer Kompanie zur besonderen Verwendung 12, Unterstellung: Heerestruppe«.

      Im Fragebogen der Siegermächte hatte er als Einsatzgebiet lediglich Frankreich angegeben. Was er verschwieg und verbarg: Mit seiner Spezialeinheit, die zum Panzerregiment »Brandenburg« gehörte, wurde er auf den Balkan verlegt. Die Bezeichnung seiner Panzerkompanie 12 »zur besonderen Verwendung« weist auf sogenannte Spezialoperationen hin; es waren gepanzerte Killerkommandos. Kanter und seine 2. Panzerkompanie z. b. V. 12 waren 1944 in Serbien im Einsatz, im erbarmungslosen, von Kriegsverbrechen auf beiden Seiten geprägten Kampf mit Partisanen. Eintrag im Lexikon der Wehrmacht: »Die Panzer-Abteilung 12 wurde im März 1944 in Serbien aufgestellt. Die Abteilung wurde durch das Höhere Kommando LXV mit 3 Kompanien als Heerestruppe aufgestellt. Als Stamm wurde die 1942 errichtete Panzer-Kompanie z. b. V. 12 verwendet. Die Abteilung wurde in Serbien eingesetzt. Im Dezember 1944 wurde die Abteilung zur II. Abteilung beim Panzer-Regiment Brandenburg und damit der Panzer-Grenadier-Division Brandenburg unterstellt.« Ausgerüstet war Kanters Panzerkompanie mit schweren Beutepanzern aus Frankreich vom Typ B2, Bewaffnung: Maschinengewehr, 4,7-cm-Kanone und 7,5-cm-Haubitze.

      Unter Historikern gilt es als »wahrscheinlich«, dass »Brandenburg«-Verbände bei der Partisanenbekämpfung zahlreiche Kriegsverbrechen gegen Zivilisten verübten. Die Quellenlage sei schlecht. Über viele Einsätze der »Brandenburger« gebe es keine Akten, und falls doch, sei eine Zuordnung wegen der Verwendung von Decknamen kaum möglich.

      Hitler hatte beim Balkanfeldzug der Wehrmacht seine Generale aufgefordert, im Partisanenkampf »brutal« durchzugreifen, »alle europäischen Hemmungen« abzulegen. Gefangene Partisanen waren zu liquidieren, als Vergeltung für erschossene oder verwundete deutsche Soldaten zivile Geiseln hinzurichten, Häuser und Gehöfte, ganze Ortschaften in Schutt und Asche zu legen. Im überfallenen Jugoslawien haben die Deutschen mehr als 80.000 Geiseln umgebracht.

      Das Bundesarchiv berichtet, die »Brandenburger« würden »für gewöhnlich von zwei Seiten aus betrachtet und entsprechend bewertet« – einerseits als Wehrmachtsverband besonderer Art, »der bewunderungswürdige Leistungen vollbracht habe«, andererseits als »Terrorverband, der gegen Kriegsrecht verstoßen und Kriegsverbrechen begangen habe«. Die »Brandenburger« waren, auch in ihrem Selbstverständnis, eine Spezialtruppe für den Partisanenkrieg. »Die Bedrohung durch Partisanen war für die deutsche Seite eine tödliche Realität, deren Bekämpfung tatsächlich militärische Notwendigkeit.« Beide Seiten hätten Kriegsverbrechen begangen, Kriegsverbrechen an Zivilisten durch deutsche Einheiten »zahlreich erwiesen«.

      Der Gefreite Kanter hatte Glück. Kurz vor dem Rückzug seiner Heeresgruppe vor weit überlegenen Verbänden der Roten Armee und der Partisanentruppen des Josip Broz Tito im Herbst 1944 war er heimwärts zu einem Unteroffizierslehrgang abkommandiert worden. Unverwundet ergab sich Kanter im April 1945 nahe Würzburg vorrückenden Truppen der 7. US-Armee.

      Was dann geschah, ist unklar. Kanter tischte nach seiner kurzzeitigen Festnahme 1993 den Vernehmungsbeamten allerlei auf: Die Amerikaner hätten ihn als Kriegsgefangenen ins Konzentrationslager Dachau verfrachtet, zu entsetzlichen Aufräumarbeiten. Er hätte als Beruf »Photo-Drogist« angegeben, und ihm wäre deshalb befohlen worden, Fotos und Röntgenaufnahmen der Toten zwecks späterer Identifizierung zu entwickeln. Nach drei Monaten hätte man ihn entlassen.

      Stimmt das so? Auf dem Gelände des KZs haben die Amerikaner im Juli 1945 begonnen, ein Internierungslager für Kriegsgefangene und mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher einzurichten. Kanter ist nach eigenen Angaben bereits im Juli 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Wollte er sich als Opfer darstellen? Wollte er bei den Vernehmern damit punkten, dass ihn Schreckenserlebnisse im KZ zum Weltverbesserer gemacht hätten? Wie kam es, dass der Ex-Brandenburger schon sieben Monate nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft einen Posten in der Bezirksregierung Koblenz bekam?

      In dem KZ Dachau nordwestlich von München hatten die US-Truppen Ende April 1945 in einem Güterzug aus Buchenwald die Leichen von mehr als 2.300 Häftlingen entdeckt, dazu Leichenberge vor den Baracken. Das US-Militär erschoss mindestens 16 SS-Bewacher, nachdem sie sich ergeben hatten. Die US-Armee führte das KZ einige Monate lang organisatorisch weiter, versorgte die überlebenden Häftlinge mit Nahrung und Medikamenten, impfte sie gegen Typhus.

      OLG-Richter Vonnahme in Koblenz nahm bei seiner Forschung nach Gründen für Kanters Verrat dessen Dachau-Erzählungen für bare Münze. »Ein gewichtiges Motiv des Angeklagten«, schrieb der Richter 1995 in die Urteilsbegründung, als sei er froh, sich so für die ungewöhnlich milde Bewährungsstrafe rechtfertigen zu können, »lag jedenfalls in der Anfangszeit vielmehr in dem Bestreben, zur Verständigung der Völker und Staaten und damit zum Erhalt des Friedens beizutragen. Außer durch seine humanistische und von der christlichen Lehre geprägten sozialen Grundeinstellung sah er sich insbesondere durch seine Erlebnisse im Konzentrationslager in Dachau dazu veranlasst, den Dialog auch mit Fremden und Andersdenkenden zu suchen. Davon nahm er kommunistische Gesprächspartner, denen er schon früh, unter anderem in Marienberg bei den Weltjugendspielen, begegnete, nicht aus, zumal er zwischen dem von sozialistischer Seite propagierten Humanismus und dem Linkskatholizismus, dem er sich zugehörig fühlte, Gemeinsamkeiten sah.«

      Kanter, der edle Agent? Geschluckt hatte Richter Vonnahme auch, was Kanter über sich als Europa-Fan erzählt hatte. Urteilstext: »Auch wollte er, von der Idee eines zusammenwachsenden Europas begeistert, diese Entwicklung nicht auf den westlichen, von der EG und der NATO bestimmten Teil des Kontinents beschränkt sehen. Der kommunistischen Ideologie des SED-Regimes mit

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