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sich mit ihrer von Gicht verkrümmten Hand das Wasser aus den Augen. „Kein Kind, kein Lebigs mehr!“ klagte sie. „Und Er weiß es ja wohl auch, uns Alten, wenn’s nach Allerheiligen kommt, frieren abends im Bett die Beine, und statt zu schlafen, hören wir den Nordwest an unseren Fensterläden rappeln. Ich hör’s nicht gern, Tede Haien, er kommt daher, wo mein Junge mir im Schlick versank.“

      Tede Haien nickte, und die Alte streichelte das Fell ihres toten Katers. „Der aber“, begann sie wieder, „wenn ich winters am Spinnrad saß, dann saß er bei mir und spann auch und sah mich an mit seinen grünen Augen! Und kroch ich, wenn’s mir kalt wurde, in mein Bett – es dauerte nicht lang, so sprang er zu mir und legte sich auf meine frierenden Beine, und wir schliefen so warm mitsammen, als hätte ich noch meinen jungen Schatz im Bett!“ Die Alte, als suche sie bei dieser Erinnerung nach Zustimmung, sah den neben ihr stehenden Alten mit ihren funkelnden Augen an.

      Tede Haien aber sagte bedächtig: „Ich weiß Ihr einen Rat, Trin’ Jans“, und er ging nach seiner Schatulle und nahm eine Silbermünze aus der Schublade „Sie sagt, dass Hauke Ihr das Tier vom Leben gebracht hat, und ich weiß, Sie lügt nicht; aber hier ist ein Krontaler von Christian dem Vierten; damit kauf Sie sich ein gegerbtes Lammfell für Ihre kalten Beine! Und wenn unsere Katze nächstens Junge wirft, so mag Sie sich das größte davon aussuchen, das zusammen tut wohl einen altersschwachen Angorakater! Und nun nehm Sie das Vieh und bring Sie es meinethalb an den Racker in der Stadt, und halt Sie das Maul, dass es hier auf meinem ehrlichen Tisch gelegen hat!“

      Während dieser Rede hatte das Weib schon nach dem Taler gegriffen und ihn in einer kleinen Tasche geborgen, die sie unter ihren Röcken trug; dann stopfte sie den Kater wieder in das Bettbühr, wischte mit ihrer Schürze die Blutflecken von dem Tisch und stakte zur Tür hinaus. „Vergiss Er mir nur den jungen Kater nicht!“ rief sie noch zurück.

      – – Eine Weile später, als der alte Haien in dem engen Stüblein auf und ab schritt, trat Hauke herein und warf seinen bunten Vogel auf den Tisch; als er aber auf der weißgescheuerten Platte den noch kennbaren Blutfleck sah, frug er, wie beiläufig: „Was ist denn das?“

      Der Vater blieb stehen: „Das ist Blut, was du hast fließen machen!“

      Dem Jungen schoss es doch heiß ins Gesicht: „Ist denn Trin’ Jans mit ihrem Kater hier gewesen?“

      Der Alte nickte: „Weshalb hast du ihr den totgeschlagen?“

      Hauke entblößte seinen blutigen Ann. „Deshalb“, sagte er; „er hatte mir den Vogel fortgerissen!“

      Der Alte sagte nichts hierauf, er begann eine Zeitlang wieder auf und ab zu gehen; dann blieb er vor dem Jungen stehn und sah eine Weile wie abwesend auf ihn hin. „Das mit dem Kater hab ich rein gemacht“, sagte er dann; „aber, siehst du, Hauke, die Kate ist hier zu klein; zwei Herren können darauf nicht sitzen – es ist nun Zeit, du musst dir einen Dienst besorgen!“

      „Ja, Vater“, entgegnete Hauke; „hab dergleichen auch gedacht.“

      „Warum?“ frug der Alte.

      – „Ja, man wird grimmig in sich, wenn man’s nicht an einem ordentlichen Stück Arbeit auslassen kann.“ „

      So?“ sagte der Alte, „und darum hast du den Angorer totgeschlagen? Das könnte leicht noch schlimmer werden!“

      – „Er mag wohl recht haben, Vater; aber der Deichgraf hat seinen Kleinknecht fortgejagt; das könnt ich schon verrichten!“

      Der Alte begann wieder auf und ab zu gehen und spritzte dabei die schwarze Tabaksjauche von sich. „Der Deichgraf ist ein Dummkopf, dumm wie ’ne Saatgans! Er ist nur Deichgraf, weil sein Vater und Großvater es gewesen sind, und wegen seiner neunundzwanzig Fennen. Wenn Martini herankommt und hernach die Deich- und Sielrechnungen abgetan werden müssen, dann füttert er den Schulmeister mit Gansbraten und Met und Weizenkringeln und sitzt dabei und nickt, wenn der mit seiner Feder die Zahlenreihen hinunterläuft, und sagt: ‚Ja, ja, Schulmeister, Gott vergönn’s Ihm! Was kann Er rechnen?‘ Wenn aber einmal der Schulmeister nicht kann oder auch nicht will, dann muss er selber dran und sitzt und schreibt und streicht wieder aus, und der große dumme Kopf wird ihm rot und heiß, und die Augen quellen wie Glaskugeln, als wollte das bisschen Verstand da hinaus.“

      Der Junge stand gerade auf vor dem Vater und wunderte sich, was der reden könne; so hatte er’s noch nicht von ihm gehört. „Ja, Gott tröst!“ sagte er, „dumm ist er wohl; aber seine Tochter Elke, die kann rechnen!“

      Der Alte sah ihn scharf an. „Ahoi, Hauke“, rief er; „was weißt du von Elke Volkerts?“

      – „Nichts, Vater; der Schulmeister hat’s mir nur erzählt.“

      Der Alte antwortete nicht darauf, er schob nur bedächtig seinen Tabaksknoten aus einer Backe hinter die andere.

      „Und du denkst“, sagte er dann, „du wirst dort auch mitrechnen können.“

      „O ja, Vater, das möcht schon gehen“, erwiderte der Sohn, und ein ernstes Zucken lief um seinen Mund.

      Der Alte schüttelte den Kopf. „Nun, aber meinethalb; versuch einmal dein Glück!“

      „Dank auch, Vater!“ sagte Hauke und stieg zu seiner Schlafstatt auf dem Boden; hier setzte er sich auf die Bettkante und sann, weshalb ihn denn sein Vater um Elke Volkerts angerufen habe. Er kannte sie freilich, das ranke achtzehnjährige Mädchen mit dem bräunlichen schmalen Antlitz und den dunklen Brauen, die über den trotzigen Augen und der schmalen Nase ineinanderliefen; doch hatte er noch kaum ein Wort mit ihr gesprochen; nun, wenn er zu dem alten Tede Volkerts ging, wollte er sie doch besser darauf ansehen, was es mit dem Mädchen auf sich habe. Und gleich jetzt wollte er gehen, damit kein anderer ihm die Stelle abjage; es war ja kaum noch Abend. Und so zog er seine Sonntagsjacke und seine besten Stiefel an und machte sich guten Mutes auf den Weg.

      – Das langgestreckte Haus des Deichgrafen war durch seine hohe Werfte, besonders durch den höchsten Baum des Dorfes, eine gewaltige Esche, schon von weitem sichtbar; der Großvater des jetzigen, der erste Deichgraf des Geschlechtes, hatte in seiner Jugend eine solche osten der Haustür hier gesetzt; aber die beiden ersten Anpflanzungen waren vergangen, und so hatte er an seinem Hochzeitsmorgen diesen dritten Baum gepflanzt, der noch jetzt mit seiner immer mächtiger werdenden Blätterkrone in dem hier unablässigen Winde wie von alten Zeiten rauschte.

      Als nach einer Weile der lang aufgeschossene Hauke die hohe Werfte hinaufstieg, welche an den Seiten mit Rüben und Kohl bepflanzt war, sah er droben die Tochter des Hauswirts neben der niedrigen Haustür stehen. Ihr einer etwas hagerer Arm hing schlaff herab, die andere Hand schien im Rücken nach dem Eisenring zu greifen, von denen je einer zu beiden Seiten der Tür in der Mauer war, damit, wer vor das Haus ritt, sein Pferd daran befestigen könne. Die Dirne schien von dort ihre Augen über den Deich hinaus nach dem Meer zu haben, wo an dem stillen Abend die Sonne eben in das Wasser hinabsank und zugleich das bräunliche Mädchen mit ihrem letzten Schein vergoldete.

      Hauke stieg etwas langsamer an der Werfte hinan und dachte bei sich: ‚So ist sie nicht so dösig!‘ Dann war er oben. „Guten Abend auch!“ sagte er, zu ihr tretend; „wonach guckst du denn mit deinen großen Augen, Jungfer Elke?“

      „Nach dem“, erwiderte sie, „was hier alle Abend vor sich geht, aber hier nicht alle Abend just zu sehen ist.“ Sie ließ den Ring aus der Hand fallen, dass er klingend gegen die Mauer schlug. „Was willst du, Hauke Haien?“ frug sie.

      „Was dir hoffentlich nicht zuwider ist“, sagte er. „Dein Vater hat seinen Kleinknecht fortgejagt, da dachte ich bei euch in Dienst.“

      Sie ließ ihre Blicke an ihm herunterlaufen. „Du bist noch so was schlanterig, Hauke!“ sagte sie; „aber uns dienen zwei feste Augen besser als zwei feste Arme!“ Sie sah ihn dabei fast düster an, aber Hauke hielt ihr tapfer stand. „So komm“, fuhr sie fort; „der Wirt ist in der Stube, lass uns hineingehen!“

      Am andern Tage trat Tede Haien mit seinem Sohne in das geräumige Zimmer des Deichgrafen; die Wände waren mit glasurten Kacheln bekleidet, auf denen hier ein Schiff mit vollen Segeln

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