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Reinhard?« fragte er leise.

      »Nazi-Gold!« Opa ließ Tivaros T-Shirt los, und der Junge glitt wieder auf seinen Stuhl zurück. Das klang ja unglaublich! Doch was hatte sein Opa damit zu tun?

      »Und dieser Rupert wollte deine Schlüssel?«, überlegte er laut.

      »Nicht ganz, mein lieber Tivaro. Von denen weiß die dumme Wühlratte nämlich gar nichts«, kicherte Opa. »Nein, er wollte natürlich das Gold.« Er hustete wieder und stöhnte auf. »Hör zu!«, begann er erneut. »Es gibt vier silberne Schlüssel für vier Kisten voller Gold. Alles Wertsachen von Juden, die während des Krieges von den Nazis ermordet wurden. Ihr werdet das Thema noch in Geschichte durchnehmen.«

      »Ich habe schon davon gehört«, bemerkte Tivaro.

      »Also vier silberne Schlüssel«, wiederholte Tivaros Großvater. »Einer für eine Kiste voller Goldringe und Uhren. Einer für eine Kiste voller Juwelen und Ketten. Einer für eine Kiste voller Goldmünzen aus der Kaiserzeit und eine Kiste voller …«. Der alte Mann machte eine Pause. »Keine Ahnung, was in der vierten Kiste steckt«, sagte er dann matt.

      »Und die Schlüssel sind für die Kisten?«, kombinierte Tivaro.

      »Genau!«, bestätigte Opa. »Ohne Schlüssel keine Kisten.«

      »Und weißt du wo die Kisten sind?«, fragte Tivaro weiter.

      »Bist du neugierig?«, fragte der Opa zurück. »Ich sage dir: Diese vier Schlüssel führen zum König«

      »Aha«, gab Tivaro zurück.

      »Willst du denn nicht erst einmal wissen, woher ich die Schlüssel habe?«

      »Äh, ja sicher«, erwiderte Tivaro. Er schämte sich etwas dafür, dass er eben wohl ein wenig zu neugierig gewesen war.

      In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und eine Krankenschwester betrat den Raum.

      »So, noch Besuch?«, sagte sie freundlich. »Ich bin Nachtschwester Marlies. Möchten Sie vielleicht etwas Tee, Herr Wallenberger?«

      Tivaros Großvater nickte, und die Nachtschwester goss hellen Tee in eine Schnabeltasse. »Die Besuchszeit ist aber eigentlich schon zu Ende«, sagte sie dann sanft zu Tivaro gewandt.

      »Ich bin doch gerade erst gekommen«, wehrte sich Tivaro, der unbedingt Opas Geschichte weiter hören wollte.

      Doch auch Opa sagte: »Geh du nur, Tivaro. Für heute ist es genug. Du kannst mich ja morgen nach meiner Operation besuchen.«

      Tivaro war sichtlich enttäuscht, aber natürlich verstand er, dass sein Opa wirklich Ruhe brauchte.

      »Kann ich noch irgendetwas tun, Opa?«, fragte er.

      »Ja, du kannst Elise ausrichten, sie soll Morgen mal in meine Wohnung gehen und mir mein Schachspiel und etwas zu lesen mitbringen. Dann können wir morgen eine Partie zusammen spielen.«

      »Ist gut«, versicherte Tivaro. »Dann komme ich morgen Abend um die gleiche Zeit, wenn ich vom Camp zurück bin.«

      »Camp? Was für ein Camp?«, fragte Opa.

      »Ach, das erkläre ich dir morgen. Dann haben wir uns beide was zu erzählen«, freute sich Tivaro.

      »Verstehe«, sagte Opa nur. »Und jetzt ab nach Hause mit dir!«

      »Tschüss, Opa Reinhard!« Tivaro stand auf und ging zur Tür. »Bis morgen also. Und viel Glück bei deiner Operation.«

      »Wünsch mir lieber Erfolg. Wenn die Ärzte hier erst mal Glück brauchen, ...«

      Zuhause pünktlich angekommen hängte Tivaro seine Jacke an den Haken und lief in Küche. Beim Abendbrot sagte er zu Elise: »Du, morgen wird Opa operiert. Er kriegt richtige Schrauben in sein Bein.«

      »Das wusste ich schon«, entgegnete Elise. »Deshalb dachte ich, dass es besser wäre, wenn ihr Kinder ihn erst am Mittwoch wieder seht, wenn alles gut überstanden ist.«

      »Lieber morgen«, sagte Tivaro. »Es war ja auch ganz okay für Opa, dass ich heute bei ihm war. Er hat sich wirklich gefreut.« Von Opas geheimnisvoller Geschichte wollte er lieber nichts sagen. Wozu auch, er kannte sie ja selbst noch nicht einmal. »Du sollst morgen Opas Schachspiel und etwas zu lesen aus seinem Haus holen. Opa will morgen Abend mit mir spielen.«

      »Na, das sind ja schöne Pläne«, stöhnte Elise. »Wie soll ich das nur wieder alles unter einen Hut bringen? Ich habe um zehn einen Friseurtermin. Dann muss ich Sabrina zu ihrer Freundin fahren. Um zwölf muss ich im Tutti-Frutti bei der Arbeit sein. Und spät nachmittags will ich selbst zu Opa«

      »Er hat aber nichts zu lesen, und er will mit mir Schach spielen.«

      »Ist gut, Tivaro. Ich fahre gleich Morgen früh in Opas Wohnung nach Oberursel.«

       Der König

      Der Dienstag brachte für die beiden Freunde Tivaro und Otto erst einmal schlechte Nachrichten. Im Camp erfuhren sie, dass sich die Gangmitglieder Nico und Jojo doch nicht nachträglich anmelden durften. Außerdem hatte Ernst, der eine Betreuer, es sich nicht nehmen lassen, überall im Lager herum zu posaunen, dass Tivaro und Otto zwei Jungdetektive waren, die kürzlich zwei Bankräuber überführt hatten. »Wenn wir vier von eurer Sorte im Lager haben, wird es hier wohl sicher bald wieder vor lauter Polizisten wimmeln«, meinte Ernst ironisch. »Eure Freunde sollen ruhig woanders kampieren.«

      »Wir vielleicht auch«, meinte Otto leise zu Tivaro gewandt.

      »Na toll!«, stöhnte Tivaro genervt. »Das hat der Typ sicher alles jetzt erst in der Zeitung gelesen. Unsere Tarnung ist nun jedenfalls dahin. Was sind wir denn für Detektive, wenn hier jeder gleich weiß, wer wir sind?«

      »Da hast du Recht«, gab Otto zu. »Ich für meinen Teil habe hier jedenfalls genug herumgeschnuppert. Mir reicht es hier.« Otto spielte damit auf die sogenannten Schnuppertage an. Damit sich die Kinder ein Bild von der Umgebung und vom Leben im Zeltlager machen konnten, wurden nämlich drei Schnuppertage angeboten. Der dritte Tag war heute.

      »Mir reicht es hier auch, Otto. Außerdem wäre ich viel lieber bei uns im Garten als hier im Wald mit diesen beiden Betreuer-Spackos. Heute Abend sage ich Mom, dass sie mich hier erst gar nicht anmelden soll.«

      »Das gilt auch für mich«, pflichtete ihm Otto bei.

      Der Tag wurde nicht besser. Das Mittagessen schmeckte heute abscheulich nach Kantinenfraß, und nachmittags fing es auch noch an zu regnen. Elise holte die beiden Freunde wieder pünktlich um sechs ab. Sie eröffneten ihr sogleich, dass das heute ihr letzter Tag im Camp war.

      »Bis jetzt hat euch doch alles noch so gut gefallen?«, wunderte sich Elise.

      »Aber Nico und Jojo werden nicht aufgenommen«, erklärte Tivaro. »Und jetzt, wo wir eine Gang sind und unser Hauptquartier im Garten haben, fühle ich mich im Camp ohne die anderen echt fehl am Platze.«

      Otto nickte zustimmend. »Außerdem hat Nico gesagt, dass es auch noch andere Camps im Taunus gibt, die vielleicht noch Leute nehmen.«

      »Hast du das Schachspiel dabei?«, wollte Tivaro wissen.

      »Ja, und hier sind noch zwei Bücher, die auf Opas Nachttisch lagen.« Elise reichte ihrem Sohn zwei dicke Taschenbücher und einen Holzkasten, den man zu einem Schachbrett aufklappen konnte. Er enthielt auch die Figuren, die man zum Spielen brauchte.

      Am weißen Stein stiegen die beiden Jungen aus.

      »Bis nachher, Mom«, verabschiedete sich Tivaro.

      »Ich könnte ein paar Einkäufe erledigen und dich dann abholen«, bot Elise an. »Es soll nachher nämlich wieder regnen.« Tivaro willigte ein. »Aber nicht vor halb neun. So ein Schachspiel braucht lange.« Elise nickte lächelnd. »Bis später, Tivaro!« Tivaro und Otto unterhielten sich noch ein Weilchen auf Ottos Heimweg, und dann fuhr Tivaro wie am Montag mit der U-Bahn weiter bis Miquel-Adickesallee und lief dann den restlichen Weg zum Bürgerhospital zu Fuß.

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