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Vier Schlüssel zum König. Merlin T. Salzburg
Читать онлайн.Название Vier Schlüssel zum König
Год выпуска 0
isbn 9783945740200
Автор произведения Merlin T. Salzburg
Жанр Учебная литература
Издательство Автор
In der Mittagspause gingen Tivaro und Otto zum Betreuerzelt. Dort fanden sie Christian und fragten ihn, ob Nico und Jojo sich noch nachträglich für das Ferienlager anmelden könnten.
»Da muss ich erst mal bei der Campleitung nachfragen. Ich gebe euch morgen Bescheid«, versprach Christian.
»Hoffentlich klappt’s für die beiden«, meinte Otto.
»Ich fände es auch toll, wenn die ganze Gang hier wäre«, sagte Tivaro. »Mal sehen, was geht.«
Nachmittags wurden in Tivaros und Ottos Gruppe Lieder gesungen, die Ernst mehr oder weniger schön mit seiner Gitarre begleitete.
»Ich kann nicht mehr singen«, krächzte Otto irgendwann plötzlich. »Meine Stimme kratzt so.«
»Du kommst in den Stimmbruch«, freute sich Tivaro.
»Was?«, kiekste Otto.
»Stimmbruch«, wiederholte Tivaro. »So wie bei mir. Es dauert ein bisschen, bis die tiefere Stimme bleibt. Und so lange es noch nicht soweit ist, geht die Stimme erst mal rauf und runter.«
»Aha«, sagte Otto diesmal in tiefem Brustton und beide lachten.
Pünktlich um sechs kam Elise mit ihrem Fiat und holte die beiden Jungen ab. Tivaro ließ sich mit Otto am Weißen Stein absetzen.
»Ich fahre mit der U-Bahn weiter«, sagte Tivaro.
»Wie du willst«, entgegnete Elise. »Aber spätestens um neun bist du wieder zuhause.«
»Ist okay, Mom«. Tivaro und Otto stiegen aus, und Elise fuhr weiter.
»Ich fahre bis Miquelallee und gehe dann den Rest zu Fuß. Wir treffen uns Morgen wieder im ersten Wagen«, verabschiedete sich Tivaro von seinem Freund. Er kannte den Weg zum Bürgerhospital. Er und Sabrina wurden dort geboren, und mit zehn Jahren war er dort Blinddarm-Patient.
Tivaro betrat das Bürgerhospital gegen halb acht und fragte an der Pforte nach der Station, auf der sein Opa lag. Mit dem Fahrstuhl fuhr er dann in den zweiten Stock. Über der Glastür rechts von ihm hing ein Schild mit der Aufschrift Station B – Chirurgische Abteilung. Hier musste es wohl sein. Er hatte gerade die schwere Glastür geöffnet, als plötzlich ein alter Mann aus einem der Krankenzimmer auf den Gang trat und dann mit hochrotem Gesicht wutentbrannt an ihm vorbeistürmte.
»Geh’ mir aus dem Weg, Rotzlöffel!«, schnauzte er Tivaro an, der sofort erschrocken zur Seite wich.
»Immer schön langsam, Alter!«, rief Tivaro dem Mann hinterher. »Sonst liegen Sie auch bald hier.«
Der Alte lief schimpfend die Treppen nach unten, ohne vom Fahrstuhl Notiz zu nehmen. »Dieser Narr!«, brüllte er durchs Treppenhaus, und Tivaro sah ihm noch eine Weile nachdenklich hinterher. Und dann glaubte er plötzlich, das Gesicht des alten Mannes, das er nur einen Augenblick lang gesehen hatte, von irgendwoher zu kennen. Merkwürdig, dachte Tivaro.
Dann betrat er erneut die Krankenstation und wanderte von Tür zu Tür, bis er vor Zimmer B 214 stand. Genau aus dieser Tür war gerade der alte Mann gekommen! Tivaro drückte vorsichtig die Klinke herunter und betrat dann leise den Raum. Draußen schien noch immer die Sonne, aber man hatte die Fenster mit Vorhängen abgedunkelt. Nur eines von drei Betten war belegt, und darin lag sein Opa.
»Ja, Tivaro! Mein lieber Tivaro!«, rief der Opa erfreut.
»Ach, Opa Reinhard!« Tivaro trat schnell an das Bett und umarmte behutsam seinen geliebten Großvater. »Wie geht’s dir denn?«, fragte er mit Tränen in den Augen.
»Es geht, es geht«, sagte der Opa, doch er klang ziemlich erschöpft. »Weißt du, die geben mir hier Spritzen gegen die Schmerzen im Bein. Und Pillen für dies und Pillen für das. Siehst Du?«
Er zeigte auf einen kleinen fahrbaren Nachttisch aus Metall neben ihm. Darauf lag eine längliche weiße Plastikbox mit Tabletten in verschiedenen Farben.
»Wofür sind die?«, fragte Tivaro.
»Na, zum Essen. Oder glaubst du, die geben mir hier etwas Richtiges?«
»Aber Opa!«, wehrte Tivaro ab, der die Flunkereien seines Großvaters gut kannte.
»Doch, doch! Es ist wahr. Bis Morgen kriege ich bloß Wasser. Und dann komme ich unter das Messer.« Seine Stimme klang düster.
»Du wirst operiert?«
»Ja, die schrauben mich wieder zusammen.«
»Schrauben?«, rief Tivaro erstaunt.
»Ja, mit richtigen Schrauben. So macht man das heutzutage. Und vor der Operation darf ich eben nichts essen. Aber mir ist sowieso der Appetit vergangen.«
»Wieso?«, wollte Tivaro wissen.
»Ach, es ist nichts«, entgegnete Opa. »Nichts als Ärger jedenfalls.«
Da fiel Tivaro die Begegnung draußen an der Glastür wieder ein. »Opa, wer war denn eigentlich der alte Mann, der gerade aus deinem Zimmer kam?«
Opas Gesicht war erst überrascht, wurde aber gleich darauf zornig. »Genau der, Tivaro! Der Kerl ist der Grund für meinen Ärger.« Wütend hämmerte Opa mit der Faust auf seine Bettdecke. »Aua, mein Bein!«, stöhnte er. »Diese miese, hundsgemeine Wühlratte!« Opa Reinhard war richtig blass vor Wut.
»Opa, du darfst dich nicht aufregen! Sag mir doch ganz ruhig, was los ist«, versuchte Tivaro seinen Großvater zu beruhigen. Opa hustete etwas, und wieder verzog er vor Schmerzen sein Gesicht. Tivaro konnte seinen Anblick vor Mitgefühl kaum ertragen.
Opa keuchte. »Du musst dir einen Stuhl holen, mein lieber Tivaro«, sagte er dann. »Ich habe dir nämlich einiges hoch Interessantes zu erzählen.«
Tivaro gehorchte und trug einen Stuhl vom Besuchertisch neben Opas Bett und setzte sich.
»Ich denke, es ist an der Zeit, dass du ein paar sehr wichtige Dinge erfährst. Der Mann, dem du da eben begegnet bist, das war Rupert. Professor Dr. Rupert Raff. Du hast ihn schon öfter mal bei mir gesehen, als du noch sehr klein warst. Damals waren Rupert und ich auch noch gute Freunde.«
»Du bist ja auch Professor«, nickte Tivaro.
»Ja genau. Ich für Geschichte und er für Paläontologie.«
»Palä ... was?« versuchte Tivaro zu wiederholen.
»Der gräbt alte Tiere aus. Dinosaurier und so’n Zeug. Unser Senckenberg-Museum ist sozusagen sein zweites Zuhause. Dort schläft er sogar manchmal.«
»Wirklich? Bei den Dino-Skeletten?«, fragte Tivaro amüsiert.
»Ja wirklich. Und er ist sogar ziemlich berühmt.«
»Na und?«, fragte Tivaro.
»Und habgierig«, ergänzte Opa. »Der macht seinem Namen alle Ehre. Ihm genügen ja seine Dinoknochen gar nicht. Rupert buddelt nämlich nach allem, was nicht niet- und nagelfest ist. Und er geht sogar über Leichen.« Opas Augen weiteten sich und glänzten unruhig.
»Was?«, fragte Tivaro erstaunt.
»Pass auf!«, fuhr der Opa fort. »Rupert und ich sind uns vorhin zufällig beim Röntgen begegnet. Ich mit meinem Bein und er mit seiner Lunge wegen irgendeines grippalen Infekts. Dann kam er sogar noch mit hier ins Zimmer. Und weißt du, was er zu mir gesagt hat?«
»Was?«, fragte Tivaro.
»Er sagte, ich würde es ja nun sowieso nicht mehr lange machen. Und deshalb sollte ich ihm etwas geben.«
»Was?«, fragte Tivaro zum dritten Mal.
»Komm mal näher, Tivaro.« Opas rechter Arm tauchte unter der Decke hervor und griff in Brusthöhe nach Tivaros T-Shirt. Tivaro musste schlucken und beugte sich nach vorne, bis sein rechtes Ohr ganz nahe an Opas Mund war.
»Es geht um vier silberne Schlüssel,