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der nächsten Reihe die gleichen Organe, doch ausgewachsen, glücklich, dass die Umstände ihnen gewogen waren und sie ihre volle Größe erreichen konnten. Ihre Formen? Woher wussten sie, wie groß sie sein sollten, wann sie aufzuhören hatten? Manche wussten es nicht, sie wuchsen und wuchsen, und die braven Professoren hatten Mühe, ein Glas zu finden, das groß genug war. Umso schwerer kann man sich vorstellen, wie sie im Bauch des Mannes Platz fanden, dessen Initialen auf dem Etikett vermerkt sind.

      Ein Herz. Sein ganzes Geheimnis ist ein für alle Mal offengelegt: Es ist dieser unförmige Klumpen, faustgroß und schmutzigweiß. Das ist nämlich die Farbe unseres Körpers, grau-cremeweiß, graubraun, hässlich, das darf man nicht vergessen. Weder in unserem Haus noch in unserem Auto würden wir eine solche Farbe sehen wollen. Das ist die Farbe des Inneren, der Dunkelheit, der Orte, wo die Sonne nicht eindringt, wo sich die Materie im Feuchten vor fremden Blicken verbirgt, da muss sie sich nicht mehr zur Schau stellen. Nur mit dem Blut kann sie sich noch Eskapaden leisten. Das Blut soll warnen, sein Rot soll der Alarm sein, dass die Muschel des Körpers sich geöffnet hat, dass die Geschlossenheit des Gewebes unterbrochen ist.

      In Wirklichkeit haben wir im Innern gar keine Farbe. Wenn alles Blut aus dem Herzen gespült ist, sieht es genau so aus: wie ein Schleimklumpen.

      Sieben Jahre Reisen

      Jedes Jahr eine Reise, seit sieben Jahren, seitdem wir geheiratet haben«, erzählte ein junger Mann im Zug. Er trug einen eleganten langen schwarzen Mantel und hatte ein schwarzes Köfferchen bei sich, das aussah wie ein feiner Besteckkasten.

      »Wir haben viele Fotos«, erklärte er. »Alle der Reihe nach geordnet. Südfrankreich, Tunesien, Türkei, Italien, Kreta, Kroatien, sogar Skandinavien.« In der Regel schauen sie die Bilder mehrmals an: zuerst mit der Familie, dann bei der Arbeit, dann mit Freunden, und danach liegen die Fotos jahrelang wohlverwahrt in Plastikhüllen, wie Beweisstücke im Schrank eines Detektivs: »Wir sind dort gewesen.«

      Er wurde nachdenklich und schaute aus dem Fenster. Draußen entflohen die Landschaften, werweißwohin hastend. Dachte er nicht manchmal darüber nach, was das heißt: »Wir sind gewesen«? Wohin sind die zwei Wochen in Frankreich, die sich heute mit Mühe in ein paar Erinnerungen quetschen lassen: plötzlicher Hunger an der Stadtmauer eines mittelalterlichen Orts und ein Augenblick, eines Abends in einem Lokal, unter einem weinberankten Dach. Was ist von Norwegen übrig geblieben? Nur die Kälte des Wassers in einem See und ein Tag, der nicht zu Ende gehen wollte, und dann noch die Freude über das Bier, das man kurz vor Geschäftsschluss hatte erstehen können, oder der umwerfende erste Blick auf einen Fjord.

      »Was ich gesehen habe, das gehört mir«, erklärte der Mann zusammenfassend, dabei lebte er plötzlich auf und schlug sich begeistert auf die Schenkel.

      Eine Prophezeiung von Cioran

      Ein anderer Mensch, der sanftmütig und schüchtern war, nahm immer ein Buch mit ganz kurzen Texten von Cioran auf seine Dienstreisen mit. Im Hotel hatte er das Buch auf seinem Nachttisch liegen, und gleich nach dem Aufwachen schlug er es auf gut Glück auf, um sein Motto für den neuen Tag zu finden. Seiner Meinung nach sollten die Bibeln in europäischen Hotels schleunigst gegen Cioran ausgetauscht werden. Von Rumänien bis Frankreich. Denn was Prophezeiungen anging, hatte die Bibel ihre Aktualität verloren. Was sollte einem beispielsweise der folgende Vers sagen, wenn man ihn an irgendeinem Freitag im April oder einem Mittwoch im Dezember aufschlagen würde: »Bei allen Geräten der Wohnung zu all ihrem Bedarf, und alle Pflöcke dazu, und alle Pflöcke des Hofes seien von Kupfer«. Wie sollten wir das verstehen? Es müsse übrigens gar nicht unbedingt Cioran sein, erklärte er. Er sah mich herausfordernd an.

      »Bitte, schlagen Sie etwas anderes vor«, sagte er.

      Mir fiel nichts ein. Da zog er das dünne abgewetzte Büchlein aus seinem Rucksack, schlug es willkürlich irgendwo auf, und sein Gesicht strahlte:

      »Statt auf die Gesichter der Vorübergehenden achtzugeben, beobachtete ich ihre Füße – all diese Erregten schrumpften gleichsam zusammen zu dahineilenden Schritten – wohin eilten sie? Und es wurde mir klar, dass unsere Sendung drin besteht, den Staub zu streifen auf der Suche nach einem Geheimnis, dem jeder Ernst abgeht«, las er befriedigt vor.

      Kunicki. Wasser I

      Es ist Vormittag, die Uhrzeit weiß er nicht genau, er hat nicht auf die Uhr geschaut, aber er wartet höchstens seit einer Viertelstunde – meint er. Er lehnt sich bequem in den Sitz zurück und schließt die Augen. Die Stille ist durchdringend wie ein hoher unablässiger Ton, es ist unmöglich, die Gedanken zu sammeln. Noch weiß er nicht, dass die Stille wie ein Alarm klingt. Er schiebt den Fahrersitz zurück und streckt die Beine aus. Sein Kopf wird schwer, den Körper zieht es hinterher in diese Schwere, er sinkt in die erhitzte weiße Luft. Er wird sich nicht rühren, er wartet.

      Sicher raucht er eine Zigarette, vielleicht sogar zwei. Nach ein paar Minuten steigt er aus dem Auto und pinkelt in den Graben. Kein einziges Auto schien in der Zwischenzeit vorbeigekommen zu sein, aber jetzt ist er sich nicht mehr so sicher. Er steigt wieder ins Auto und trinkt Wasser aus der Plastikflasche. Allmählich wird er ungeduldig. Er drückt heftig auf die Hupe, und der ohrenbetäubende Ton lässt eine Zorneswelle aufbrausen, die ihn rasch holt. Mit einem Mal sieht er alles deutlicher: Er macht sich auf, über den Pfad ihnen hinterher und denkt sich unwillkürlich schon die Worte aus, die er gleich sagen wird: »Mensch, was zum Teufel machst du so lange? Was treibst du da?«

      Der Olivenhain ist knochentrocken. Das Gras knistert unter den Sohlen. Zwischen den knorrigen Olivenbäumen wachsen wilde Brombeeren: Junge Ranken schieben sich auf den Pfad und greifen nach seinen Füßen. Überall liegt Abfall: Papiertaschentücher, schmutzige Binden, fliegenübersäte menschliche Exkremente. Manche Leute entleeren sich gleich auf dem Weg, machen sich nicht mal die Mühe, ins Gebüsch zu gehen, sogar hier haben sie es eilig.

      Kein Wind. Keine Sonne. Der reglose weiße Himmel wirkt wie ein Zelt. Es dampft. Kleine Wassertröpfchen zersprühen in der Luft, überall riecht man das Meer – elektrisch, ozonhaltig, fischig.

      Er sieht, dass sich etwas bewegt, aber nicht dort zwischen den Bäumen, sondern auf dem Weg, zwischen seinen Füßen. Ein riesiger schwarzer Käfer krabbelt auf dem Pfad. Einen Augenblick streckt er die Fühler prüfend in die Luft, hält inne, offenbar spürt er die Anwesenheit eines Menschen. Der weiße Himmel spiegelt sich als milchiger Fleck in seinem makellosen Panzer, und Kunicki hat ganz kurz das Gefühl, als schaue ihn ein einzelnes Auge aus der Erde an, das zu keinem Körper gehört, ein frei schweifendes, unbeteiligtes Auge. Kunicki stößt die Spitze seiner Sandale leicht in die Erde. Der Käfer eilt über den Pfad, raschelt im ausgedörrten Gras. Verschwindet im Brombeergebüsch. Sonst nichts.

      Fluchend kehrt Kunicki zum Auto zurück, unterwegs hat er noch die Hoffnung, dass sie mit dem Jungen auf irgendeinem Umweg zurückgekommen und schon dort ist, ja er ist ganz sicher, dass das so sein wird. »Stundenlang suche ich nach euch!«, wird er ihnen sagen. »Was zu Teufel habt ihr getrieben?«

      Sie sagte: Halt an. Als er anhielt, stieg sie aus und öffnete die hintere Tür. Sie löste den Gurt des Kindersitzes, nahm den Kleinen an die Hand und ging mit ihm davon. Kunicki hatte keine Lust auszusteigen, er war müde und schläfrig, obwohl sie erst ein paar Kilometer gefahren waren. Er sah sie nur aus dem Augenwinkel, ohne darauf zu achten, er wusste nicht, dass er besser genau hätte hinschauen sollen. Jetzt versucht er, sich dieses verschwommene Bild in Erinnerung zu rufen, es scharf zu stellen und näher zu holen, zu halten. Da sieht er sie von hinten, wie sie über den knirschenden Pfad gehen. Sie trägt eine helle Leinenhose, glaubt er, und ein schwarzes T-Shirt, der Kleine ein Trikothemd mit einem Elefanten darauf, das weiß er genau, denn er hat es ihm am Morgen selbst angezogen. Im Gehen reden die beiden miteinander, er hat nicht zugehört, er wusste nicht, dass er besser zugehört hätte. Sie verschwinden zwischen den Olivenbäumen. Er weiß nicht, wie lange das dauert, bestimmt nicht lange. Eine Viertelstunde, vielleicht ein wenig mehr, er vertut sich leicht mit der Zeit, er hat nicht auf die Uhr geschaut. Er wusste nicht, dass er besser auf die Zeit geachtet hätte. Er hasste es, wenn sie ihn fragte: Woran denkst du? An nichts, sagte er dann immer, aber sie glaubte ihm nicht. Man kann nicht nicht

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