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Stück den Gang hinunter und verschwand hinter einer anderen Tür.

      Aha, dachte er. Das Schwesternzimmer. Von dort wurden die Patienten mit Medikamenten versorgt.

      Dort würde er bestimmt eine Liste mit den Patienten finden. Doch wie sollte er es anstellen, dort hineinzukommen?

      Gab es mehrere Schwestern?

      Nun, er hatte Zeit und konnte warten. Er rechnete nicht mit einer Überraschung, denn es war wohl nicht zu erwarten, dass um diese Zeit neue Betten gebraucht wurden.

      Die Schwester kam zurück. Sonst war immer noch niemand auf dem Gang zu sehen. Er kannte sich mit Krankenhäusern nicht besonders aus, doch er ahnte, dass die Ärzte mit ihren Krankenbesuchen schon durch waren. Vielleicht war die Schwester allein?

      Er hörte ein leises Klirren, dann erschien sie erneut, mit einem Tablett in der Hand. Trinkgläser und Fläschchen waren darauf, das konnte er sehen. Sie verschwand in einem anderen Zimmer.

      Er warf einen Blick auf seine Uhr. Mal schauen, wie lange so ein Patientenbesuch dauerte. Fast fünf Minuten. Na, bitte. Jetzt hatte er einen Anhaltspunkt.

      Er wartete weiter. Noch dreimal genoss er das gleiche Schauspiel.

      Dann änderte sich die Prozedur. Die Schwester erschien ohne Tablett. Sie zog die Tür ins Schloss und entfernte sich in der anderen Richtung durch eine weitere Glastür.

      Jetzt oder nie!

      Der Mann huschte aus seinem Versteck und lief zu dem Schwesternzimmer. Die Tür ließ sich ohne weiteres öffnen.

      Der Raum war nicht sehr groß, Schränke, ein Schreibtisch, mehrere Stühle, eine Liege auf Stahlrohrfüßen.

      Zwei Schritte bis zum Schreibtisch. Er konnte sein Glück kaum fassen. Dort lag die Liste, die er suchte. Die Namen der Patienten, die dazugehörigen Zimmernummern und die Medikamente, die ihnen zu bestimmten Zeiten zu verabreichen waren.

      Sein Blick flog über die Spalten. Da war es!

      Walter Köhler. Zimmer 233.

      Er atmete erleichtert aus. Jetzt brauchte er nur noch zu warten, bis mehr Ruhe in dem Gebäude eingekehrt war.

      Er horchte angespannt, ob sich auf dem Gang jemand näherte. Da war nichts. Sein umherirrender Blick heftete sich auf eine Plastikschale auf einem der Schränke, in der verschiedene Spritzen lagen, die offensichtlich bereits gebraucht waren. Das spielte für seine Zwecke keine Rolle.

      Er wählte die größte, zog die Nadel ab und steckte die Spritze ein.

      Ihr jetziger Inhalt war genau das Richtige, denn er brauchte nur Luft für sein Vorhaben. Er hatte gelesen, dass eine Luftembolie tödlich war. Wenn das Herz statt Blut nur Luft einsaugte, war es aus. Auch wenn er nicht wusste, was eine Embolie war, reichte ihm die Information.

      Er würde schon einen Weg finden, wie er das hinbekam. Wahrscheinlich hing der Alte an einem Tropf. Das hatte er schließlich schon in vielen Filmen gesehen. Dann brauchte er mit der Spritze nur ordentlich Luft in den Schlauch zu blasen, und wenn er Glück hatte, merkte niemand, was geschehen war.

      Jetzt brauchte er Geduld, und er zog sich in sein provisorisches Versteck zurück.

      Er würde bis nach Mitternacht warten, sagte er sich. Dann war bestimmt niemand mehr wach, und er konnte nach seiner Tat hoffentlich ungesehen entkommen.

      4. Kapitel

      Tjade Winkels, ehemaliger Kriminalhauptkommissar der Polizeiinspektion Aurich, parkte seinen Wagen auf dem großen Parkplatz, der am frühen Morgen noch ziemlich leer war, stieg aus und machte sich auf den Weg zur Ubbo-Emmius-Klinik.

      Das Krankenhaus hatte seinen Namen von einem evangelischen Theologen aus dem siebzehnten Jahrhundert, nach dem in seiner ostfriesischen Heimat diverse Einrichtungen benannt waren.

      Winkels dachte einen Augenblick darüber nach, warum manche Leute noch nach Jahrhunderten im Gedächtnis blieben, während andere schon kurz nach ihrem Tod in ewige Vergessenheit gerieten. Er befürchtete, dass auch er eher zur zweiten Gruppe gehören würde.

      Nun, zumindest sollte sein Leben nicht mit der Pensionierung zu Ende sein. Für die Tätigkeit eines Ermittlers brauchte man vor allem einen gesunden Verstand, und an dem fehlte es ihm nicht.

      Er lächelte. Uwe Dröver würde ihm noch lange nicht das Wasser reichen können.

      Beschwingten Schrittes marschierte er auf den Haupteingang zu. Harm hatte er bei Frau Schrader abgegeben. Sie passte ganz gern auf den Hund auf, wenn sie Zeit hatte. Und Harm war gern bei ihr, denn es gab immer Leckereien für ihn. Hunde waren leichter zufriedenzustellen als Menschen, dachte er.

      Er durchquerte das Foyer der Klinik und blieb vor dem Anmeldetresen stehen. Zwei Frauen saßen dahinter, die jüngere in Schwesterntracht.

      Sie unterbrach ihre Tätigkeit und wandte ihm ihre Aufmerksamkeit zu.

      „Moin erstmal,Mein Herr.

      „Moin.“

      „Was kann ich für Sie tun?“

      „Ich möchte gern zu Herrn Walter Köhler.“

      Sie tippte den Namen ein, hob den Kopf und blickte ihn mit ernster Miene an. „Sind Sie ein Verwandter?“

      Die ältere Dame sah ihn jetzt ebenfalls an. Mitleidig, wie es schien.

      „Nein, aber sein bester Freund“, antwortete er. „Wir kennen uns schon sehr lange, doch ich habe erst jetzt gehört, dass er im Krankenhaus ist.“

      Das klang ziemlich flau, ging es Winkels durch den Kopf, doch die junge Dame schien sich daran nicht zu stören.

      „Sie müssen in die Kardiologie. Fragen Sie nach Oberschwester Bernhardine. Man wird Ihnen dort weiterhelfen.“

      „Können Sie mir nicht einfach die Zimmernummer nennen?“

      Sie schüttelte den Kopf. „Bitte wenden Sie sich an die Schwester.“

      Sie zeigte auf einen Durchgang. „Dort entlang, bitte.“

      Winkels zuckte mit den Schultern und machte sich auf den vorgeschriebenen Weg. Nach der Glastür, die den Bereich der Kardiologie abtrennte, herrschte rege Betriebsamkeit auf dem Gang. Er blieb stehen und sah sich um.

      Aus einem Zimmer wurde von einem Pfleger ein Bett gezogen, ein zweiter schob einen Ständer mit einem Tropf hinterher. Der Patient beschwerte sich lautstark. Die Verlegung schien ihm nicht zu gefallen. Ein Stück weiter standen zwei Ärzte mit Klemmbrettern in der Hand und jeweils einem Stethoskop um den Hals. Sie unterhielten sich leise.

      Ein Reinigungswagen stand mitten im Gang, und von der hinteren Seite des Flurs rief jemand einen unverständlichen Namen. Ein kleiner Pulk von jungen Leuten in weißen Kitteln stand wartend vor einem der Zimmer. Wahrscheinlich Studenten, die zur Visite angetreten waren.

      Auf der linken Seite war eine Tür halb geöffnet. Ein bunter Fleck auf einem Bett erregte seine Aufmerksamkeit. Er trat näher und sah sich um.

      Er stand in einem Abstellraum mit Ersatzbetten sowie Matratzen und Kissen. An einer Wand waren Kartons aufgestapelt. Der bunte Fleck war jedoch etwas, das ganz sicher nicht hierher gehörte.

      Ein Blumenstrauß, noch in der Folie. Wie achtlos hingeworfen. Was hatte das zu bedeuten? Hier gab es keinen Kranken, dem man die Blumen hätte mitbringen können.

      Tjade Winkels schüttelte den Kopf und ging langsam weiter, bis er zu einer geöffneten Tür kam. Hier war das Schwesternzimmer, wie er einem Schild neben der Tür entnahm. Eine streng blickende ältere Schwester richtete gerade ihr Häubchen.

      „Moin!“, sagte sie – und das klang in ihrem Fall fast wie: „Hände hoch und nicht bewegen!“

      „Auch

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