Скачать книгу

1997; Herrmann & Huber 2013]. Klassisch werden im PM physische Produkte betreut. Das Produktmanagement hat dadurch oft eine vermittelnde Rolle zwischen der Produktentwicklung, der Produktion, dem Service und nicht zuletzt der Unternehmensleitung. Die Produktmanagementmethoden für das Management digitaler Produkte sind in letzter Zeit angepasst worden [Cagan 2008; Pichler 2016; Banfield et al. 2017]. Die Möglichkeiten, Produktänderungen quasi kontinuierlich an den Kunden ausliefern, Produktmerkmale in A/B-Tests auf Basis von Daten vergleichen oder Produkteigenschaften personalisieren zu können, stellten neue Herausforderungen an das PM, die in früheren Vorgehensweisen wenig Berücksichtigung fanden. Bei der Definition von Datenprodukten muss zusätzlich bedacht werden, dass Informationen nur bestimmte Value Propositions erfüllen können und dass die Nutzung des Angebots wiederum Daten produziert, die wertstiftend eingesetzt werden sollten.

       4.3.2Agile Entwicklung

      Innerhalb der Softwareentwicklung hat sich die agile Entwicklung in den letzten Jahren als bevorzugtes Vorgehensmodell etabliert. Kurze Feedbackzyklen innerhalb kleiner Teams und die Möglichkeit, schnell auf sich ändernde Anforderungen zu reagieren, sind wesentliche Vorteile der agilen Entwicklung. Die Abläufe, die durch Scrum [Schwaber & Beedle 2002] oder Kanban definiert werden, finden dabei häufig Anwendung. Nach Scrum werden kurze Feedbackzyklen innerhalb des Teams beispielsweise durch das Daily Scrum und die Retrospektive am Sprint-Ende realisiert. Ein inkrementelles Vorgehen und die Autonomie des Teams sind dabei Voraussetzungen für die effektive Nutzung von Scrum. Für die Entwicklung von Datenprodukten schlagen wir auch die Nutzung agiler Prinzipien vor. Am Beispiel von Google Recaptcha zeigte sich allerdings, dass Datennutzung und Datengenerierung weit auseinanderliegen können. Dies hat Einfluss darauf, wie Autonomie für Datenproduktteams erzeugt werden kann. Weiterhin kann der Erkenntnisgewinn aus Daten sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, wodurch die Definition des Inkrements zu neuen Herausforderungen führt.

       4.3.3Lean Startup

      In der Wissenschaft ist das erkenntnistheoretische Prinzip der Falsifikation von Karl Popper beschrieben worden. Die Anwendung dieses Prinzips auf die Produktdefinition, insbesondere von Start-ups, hat Eric Ries eindrucksvoll umgesetzt [Ries 2011]. Jede Produktdefinition impliziert eine Hypothese bezogen auf ein bestimmtes Kundenproblem. Durch die explizite Formulierung von Hypothesen und deren Validierung mit Kunden können die Erfolgsaussichten für eine erfolgreiche Produkteinführung stark gesteigert werden. Eric Ries beschreibt, wie man schrittweise mit kleinen Kundengruppen ein besseres Verständnis für ein Kundenproblem erlangen kann. Für die Definition von Datenprodukten eignet sich dieses Vorgehen ebenfalls. Gerade weil die Entwicklung ausgefallener Algorithmen oft sehr anspruchsvoll und damit zeitaufwendig ist, lohnt es sich, durch frühes Feedback durch den Kunden den potenziellen Mehrwert eines Datenprodukts einschätzen zu können.

       4.3.4Data Science

      In den Kapiteln 5 und 7 werden unterschiedliche Methoden der Data Science im Detail vorgestellt. Daher soll hier nur der Bezug zu dem Vorgehensmodell CRISP-DM [Shearer 2000] hergestellt werden. CRISP-DM beschreibt, wie Data Scientists vorgehen können, um zunächst ein Geschäfts- und Datenverständnis zu entwickeln, im Anschluss daran die Daten aufzubereiten und zu modellieren, damit diese dann in der Evaluationsphase – bezogen auf das zu lösende Business-Problem – bewertet werden können. Nach erfolgreicher Lösung des Problems kann dieses dann bereitgestellt werden. Der Prozess ist in ein iteratives Vorgehen eingebettet. Durch die hier vorgeschlagene Einbettung der Data Science in die Produktentwicklung können wir stärker auf den Kundennutzen fokussieren und insbesondere Zielsetzungen für inkrementelle Schritte ableiten. Wie wir später sehen werden, ist dies von entscheidender Bedeutung, wenn das Optimieren eines Algorithmus unvorhersehbar viel Zeit in Anspruch nimmt.

       4.3.5Data-centric Business Models

      Ein Datenprodukt muss in ein valides Geschäftsmodell integriert sein. Zur Definition von Geschäftsmodellen hat sich der Business Model Canvas (BMC) etabliert [Osterwalder & Pigneur 2010]. Der BMC hilft dem Anwender dabei, ausgehend von einer Value Proposition sowohl die notwendigen Partner, Aktivitäten und Ressourcen zu benennen, die zur Herstellung der Value Proposition erforderlich sind, als auch die notwendigen Kundenbeziehungen, Kanäle und Kundensegmente zu definieren, um Erlöse zu erzielen. Erste Begriffsdefinitionen zu datenzentrischen Geschäftsmodellen finden sich in [Tempich & Rieger 2007]. Eine Übersicht von Geschäftsmodellen auf Basis von Daten hat Laura Dorfer erstellt [Dorfer 2016].

      Die Einordnung in Abbildung 4–3 zeigt, dass Datenprodukte in der Regel in ein datenzentrisches Geschäftsmodell eingebettet sind. Innerhalb der Organisation kümmert sich das Produktmanagement um die Definition der Value Propositions. Dazu greift man auf Methoden aus dem Lean Startup, der agilen Entwicklung und der Data Science zurück. Im Folgenden beschreiben wir, wie dies im Detail ablaufen kann.

       Abb. 4–3 Datenprodukte im methodischen Schnittpunkt verschiedener Disziplinen

       4.4Datenprodukte definieren

      Durch die Verwendung des Produktbegriffs möchten wir hervorheben, dass in dem hier beschriebenen Vorgehen Daten dazu verwendet werden sollen, ein bestimmtes Problem zu lösen. Weiterhin gehen wir davon aus, dass dieses Problem nicht nur einmalig auftritt, das Produkt also mehrfach Verwendung findet. Unser Vorgehensmodell beinhaltet daher Methoden für die Definition des Problems, die Ableitung einer Value Proposition und die iterative Produkterstellung.

       4.4.1Ideengenerierung für Datenprodukte entlang der Customer Journey

      Zur systematischen Ableitung von Problemen bestimmter Nutzergruppen verwenden wir die Analyse der Wertschöpfungskette des Nutzers, auch Customer-Journey-Analyse genannt. Dabei gehen wir davon aus, dass wir Datenprodukte in einem bestimmten Kontext definieren wollen. Das Datenprodukt soll also nicht im luftleeren Raum entstehen, sondern es gibt Vorgaben zum Beispiel von der Unternehmensstrategie, dem Produkt, für das ein Datenprodukt entwickelt werden soll, oder den zur Verfügung stehenden Datendomänen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, identifizieren wir im ersten Schritt die unterschiedlichen Nutzergruppen, die für unser Datenprodukt infrage kommen. Für diese Nutzergruppen stellen wir eine Abfolge an Schritten auf, die der Nutzer durchführt, um sein Ziel zu erreichen. Ausgangspunkt der Abfolge sollte dabei der Zeitpunkt sein, an dem das Bedürfnis entsteht. Endpunkt der Abfolge ist der Zeitpunkt, an dem das Ziel erreicht wurde.

      Zur Illustration nutzen wir die Situation bei einem Marktplatz für Fahrzeuge. Der Kontext für die Identifikation eines Datenprodukts ist also das Fahrzeug und dessen Handel. Nutzergruppen einer solchen Plattform sind unter anderem die Besitzer, Händler und Käufer von Fahrzeugen, aber auch Finanzierungspartner, Versicherungen oder Werkstätten. Die Wertschöpfungskette eines Käufers könnte dann wie folgt modelliert werden: 1. Wunschentstehung, 2. Fahrzeugauswahl, 3. Kauf, 4. Nutzung, 5. Erhaltung und 6. Verkauf.

      Für jeden Schritt analysiert man die Entscheidungsoptionen des Nutzers und deren Auswirkungen. Die Vielfalt der Möglichkeiten ist eine Indikation dafür, dass der Nutzer Informationen benötigt, um eine Entscheidung zu seinem Vorteil zu treffen. Je größer der Unterschied zwischen einer guten und schlechten Entscheidung für den Nutzer ist, desto

Скачать книгу