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Epistolare Narrationen. Margot Neger
Читать онлайн.Название Epistolare Narrationen
Год выпуска 0
isbn 9783823302827
Автор произведения Margot Neger
Жанр Документальная литература
Серия Classica Monacensia
Издательство Bookwire
Literarisch anspruchsvolle Briefe bedürfen überdies eines gewissen Maßes an otium, wie Epist. 1,10Plinius der JüngereEpist. 1.10.9 impliziert, wo Plinius die zahlreichen und lästigen Verpflichtungen, denen er nachkommen muss, aufzählt (9): sedeo pro tribunali, subnoto libellos, conficio tabulas, scribo plurimas, sed inlitteratissimas litteras.43 Keineswegs unliterarisch sind hingegen die Briefe verschiedener Zeitgenossen, deren stilistische Qualität von Plinius gelobt wird: Die Briefe der Gattin des Pompeius Saturninus,44 die aber auch von diesem selbst verfasst sein könnten, lassen sich wie Plautus oder Terenz in Prosa lesen (1,16,6)Plinius der JüngereEpist. 1.16.6. Voconius Romanus wiederum, der zu den häufigsten Adressaten des Plinius zählt,45 schreibt so elegante Briefe, dass man die Musen selbst Latein sprechen zu hören meint (2,13,7Plinius der JüngereEpist. 2.13.7: ut Musas ipsas Latine loqui credas); an anderer Stelle beschreibt Plinius die Briefe des Romanus als ausgesprochen geschmackvoll und liebevoll (9,28,1Plinius der JüngereEpist. 9.28: elegantissimas amantissimas)46 und gibt den Inhalt dreier Briefe wieder, die er alle gleichzeitig von seinem Freund erhalten hat. Unter anderem habe Romanus geschrieben, dass er sich beim Diktieren und Schreiben Plinius vor Augen stelle (9,28,3: altera epistula nuntias multa te nunc dictare, nunc scribere, quibus nos tibi repraesentes). Abgesehen von den drei bereits zugestellten Briefen habe Romanus noch einen weiteren geschickt, der noch sorgfältiger verfasst wurde (9,28,5: curiosius scriptas), jedoch noch nicht bei Plinius ankam (9,28,5: non accepi). Das ausführliche Lob der Briefe des Romanus fällt nicht zuletzt auf Plinius selbst zurück, den sich Romanus angeblich zum Vorbild nimmt, wie er es in seinem Brief zugegeben haben soll. Form und Inhalt widersprechen sich in einem Brief, den Plinius von Iulius Ferox47 erhalten hat: Dieser behauptet zwar, sich nicht auf literarische Aktivitäten zu konzentrieren, wird aber allein durch die stilistische Qualität desselben Schreibens widerlegt (7,13,2Plinius der JüngereEpist. 7.13.2: est tam polita, quam nisi a studente non potest scribi).48 Seinem jüngeren Zeitgenossen FuscusPlinius der JüngereEpist. 7.9 Salinator49 gibt Plinius auf dessen Wunsch hin Anweisungen für die studia im secessus und listet eine Reihe literarischer Gattungen auf, von denen man als Redner profitieren kann. Dazu gehört auch die Komposition von historiographischen Texten und Briefen (7,9,8):50
Volo interdum aliquem ex historia locum adprendas, volo epistulam diligentius scribas. nam saepe in oratione quoque non historica modo, sed prope poetica descriptionum necessitas incidit, et pressus sermo purusque ex epistulis petitur.
EpistolographiePlinius der JüngereEpist. 7.9 und Historiographie werden hier in einem Atemzug genannt, wenn es um die descriptiones geht, die man bisweilen in eine Rede einbauen muss. Der pressus sermo purusque ist dabei Plinius zufolge der für die Epistolographie spezifische Stil,51 der demjenigen der Historiographie gegenübergestellt und in die Nähe der Dichtung gerückt wird.52 Seine theoretischen Ausführungen untermalt Plinius auch im Text selbst, indem er seinen Gedanken im Rahmen einer Enallage ausdrückt (historica…poetica descriptionum necessitas).53 Die in den eben betrachteten Passagen wiederholt hervorgehobene Qualität des diligentius/curiosius/polite scribere wird auch als wesentliches Merkmal der Plinius-Briefe angekündigt,Plinius der JüngereEpist. 7.9.8 wie aus Epist. 1,1Plinius der JüngereEpist. 1.1.1 hervorgeht: Aus seiner ursprünglich offenbar umfangreicheren Korrespondenz hat Plinius, so wird uns suggeriert, gerade die sorgfältiger verfassten Briefe (1: si quas paulo curatius scripsissem) ausgewählt.54
Abgesehen von stilistischer Sorgfalt können Briefe auch „in der Art der Geschichtsschreiber“ (9,16,1Plinius der JüngereEpist. 9.16.1: historicorum more) komponiert sein, wie es Plinius am Schreiben eines gewissen Mamilianus55 beobachtet, der über seine ergiebige Beute bei einer Jagd berichtet hat. Beispiele für einen Stil, der dem Gebot der Kürze und Einfachheit für Briefe zuwiderläuft, führt Plinius in Epist. 9,26Plinius der JüngereEpist. 9.26 an, wo er sich selbst als „Übeltäter“ enttarnt. Dieser Brief an einen gewissen Lupercus,56 der in einer Rede des Plinius einige Passagen als zu schwülstig und übertrieben angestrichen hat (9,26,5: ut tumida…ut improba), versucht die Notwendigkeit von rhetorischer sublimitas zu rechtfertigen57 und vergleicht in diesem Zusammenhang den stilistischen Wagemut eines Redners mit den Gefahren, denen sich ein Steuermann während eines Seesturms aussetzt (9,26,4): at, cum stridunt funes, curvatur arbor, gubernacula gemunt, tunc ille clarus et dis maris proximus. Nicht nur durch seinen Umfang entspricht dieser Brief eher einem Traktat,58 sondern er übersteigt auch durch die darin verwendeten Ausdrücke die Grenzen der Epistolographie.59 Plinius ist sich dessen durchaus bewusst, denn am Ende des Briefes bittet er den Adressaten, auch hier unpassende Wortgebilde zu korrigieren (9,26,13):
Exspecto, ut quaedam ex hac epistula, ut illud ʻgubernacula gemuntʼ et ʻdis maris proximusʼ, isdem notis quibus ea, de quibus scribo, confodias. intellego enim me, dum veniam prioribus peto, in illa ipsa, quae adnotaveras, incidisse.
Geschwollene Ausdrücke, an denen sich Puristen bereits in einer Rede stören können, sind in einem Brief offenbar erst recht unpassend. Abgesehen davon wird auch durch die ungewöhnlich hohe Anzahl griechischer Zitate aus den Reden des Demosthenes und Aischines sowie aus Homer60 das in Epist. 7,9 propagierte Ideal des sermo purus unterminiert.Plinius der JüngereEpist. 9.26
Neben Inhalt und Stil bringt auch der Umfang einen Brief an seine generischen Grenzen:61 So reflektiert Plinius in Epist. 4,17Plinius der JüngereEpist. 4.17.11 über den Unterschied zwischen Brief und Rede, wenn er seinem Adressaten gegenüber angkündigt, dass er Corellia, die Tochter des Corellius Rufus,62 in einem Rechtsstreit vertreten werde. Seine Argumente, die sich im Brief nur kurz umreißen lassen, werde er in der Prozessrede breiter ausführen können (4,17,11: si haec eadem in actione, latius scilicet et uberius, quam epistularum angustiae sinunt…dixero).63 In Epist. 1,20Plinius der JüngereEpist. 1.20.25 an Tacitus64 führt Plinius aus, warum seiner Meinung