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geht’s ihr?“, fragt er und rast voraus, dem Stall zu.

      Ich renne hinterdrein. „Es ist schon das Harz aus ihren Zitzen gekommen“, berichte ich keuchend. „Und sie schwitzt total und schlägt so komisch mit den Hinterhufen nach ihrem Bauch.“ Schon ist er beim Stalltor angelangt. Trotz aller Eile und Aufregung öffnet er den Torflügel leise und behutsam, um Sammeli nicht zu erschrecken. Ich bleibe auf der Schwelle stehen. Großvater hat ja gesagt, es ist nicht gut, wenn vor und während der Geburt zu viele Leute um Sammeli herumwuseln. Deshalb lasse ich sie lieber in Ruhe.

      Jonas sitzt auf einem Hocker neben der Box. Ich höre Sammelis schwere Atemzüge, sehe sie aber nicht. Sicher liegt sie in der Streu.

      „Wie steht’s?“, fragt Mick.

      „Sie döst mit offenen Augen.“

      Mick dreht sich zu mir um und fragt halblaut, wann Großvater kommt. Mick ist ein echter Fan von meinem Großvater. Er hat sogar schon einmal gesagt, seit er Großvater Max kennt, überlegt er, ob er später nicht selbst Tierarzt werden soll.

      „Nach der Praxis schaut er vorbei“, sage ich und frage ihn dann, ob ich ihm trockene Klamotten bringen soll.

      Er schüttelt den Kopf. „Nein, danke, Nelly. Ich ziehe meine Arbeitshose und den alten Pulli über. Die sind in der Sattelkammer.“

      Ich gehe wieder ins Haus, denn ich habe versprochen, heute Abend Spagetti für die ganze Familie zu kochen. Und weil Mick und Jonas hier sind und auch Großvater kommen will, hole ich gleich vier große Dosen mit Tomatensoße aus dem Vorratskeller. Bestimmt haben sie alle Hunger.

      Besonders Emma natürlich. „Was gibt’s zu essen?“, schreit sie durch die offene Küchentür.

      „Spagetti“, sage ich.

      „Äh, schon wieder Spagetti! Die kommen mir schon zu den Ohren raus!“

      „Dann koch was anderes“, erwidere ich nicht besonders freundlich.

      Ich bin so nervös wegen Sammeli, dass die Tomatensoße über den Topfrand brodelt. Es gibt eine furchtbare Schweinerei. August, unser Schäferhund, wuselt um mich herum und leckt die Tropfen vom Boden auf. Ich wische mit dem Spüllappen auf, da kommt Dani angetrabt. „Hier stinkt’s“, sagt er.

      „Sehr scharfsinnig“, brumme ich. „Hilf mir lieber beim Aufwischen.“

      Er tut es, weil er heute seinen gutmütigen Tag hat, wie er mir erklärt. August hilft mit. Kukirol, unser Papagei, sitzt auf seiner Stange und küsst in die Luft. Das macht er oft, wenn er Hunger hat.

      Ich schäle eine Banane und reiche ihm ein Stück. Er reißt es mir sofort aus der Hand.

      Dann kommen sie alle auf einmal: Kathi, unsere Mutter, und Chris, unser Vater. Großvaters Kombi hält vor dem Haus, und Mick Pflaumers Kopf erscheint hinter dem Küchenfenster. Außerdem klingelt das Telefon.

      „Geht mal einer hin?“, schreit Dani und fuchtelt mit dem Spüllappen in der Luft herum. Der Lappen ist voller Spagettisoße und sieht aus, als wollte er damit ein Zimmer für einen Gruselfilm ausmalen.

      Es ist Frau Pflaumer, die wissen will, wie es Sammeli geht. Wir rufen Mick herein. Er nimmt den Hörer und sagt, dass es wohl noch eine Weile dauern wird und dass sie vorerst zu Hause bleiben kann. „Wir rufen dich an, wenn’s so weit ist“, verspricht er noch.

      Großvater bleibt im Hausflur stehen. Die Nässe tropft von seinem Mantel, um seine Gummistiefel bilden sich Pfützen. Er hat den Arztkoffer dabei.

      „Ich seh mir die Dame gleich mal an“, sagt er. „Nein, Emma, du kannst nicht mitkommen. Mann, du raffst es einfach nicht!“

      Er benutzt manchmal solche Ausdrücke. Bei anderen Erwachsenen mag ich das eigentlich nicht, aber bei Großvater klingt es total witzig.

      „Ich hab dir schon ein paarmal erklärt, dass ich keinen Volksauflauf brauchen kann, wenn Sammeli ihr Fohlen zur Welt bringt.“

      Emma stampft mit dem Fuß auf und murmelt etwas. Es klingt wie „Scheißdreck“. Zur Zeit hat sie öfter mal ihre Rumpelstilzchen-Anfälle. Wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht, explodiert sie fast. Eines Tages stampft sie sich noch selbst in den Boden wie dieser chaotische Typ im Märchen.

      Großvater bleibt cool. Er schnuppert und schnüffelt und fragt: „Gibt’s Spagetti?“ So, als wäre das bei uns etwas Besonderes. „Da fängt einem ja richtig der Magen zu knurren an!“

      „In einer Viertelstunde essen wir“, verspreche ich. „Falls ihr Sammeli allein lassen könnt. Wenn nicht, bringe ich euch alles in den Stall.“

      Er geht wieder in den Regen hinaus. Übrigens bin ich auch ein Fan von meinem Großvater. Wenn er jünger wäre und nicht mein Großvater, hätte ich ihm schon längst einen Heiratsantrag gemacht.

      Willkommen, kleiner Sammy!

      Der Einzige, der in dieser Nacht durchschläft, ist Dani. Er sagt, er hätte schon mal eine Fohlengeburt im Fernsehen gesehen. Mir ist schleierhaft, wie er es aushält seelenruhig im Bett zu liegen und nicht mitzuerleben, wie Sammeli endlich ihr Fohlen kriegt.

      Erst sitzen wir noch alle in der Küche. Unsere Mutter kocht Kaffee für Großvater und Mick und dann auch für Frau Pflaumer, die mit dem Auto angefahren kommt. Jonas sitzt noch immer im Stall und passt auf. Zwischendurch wandert Großvater dreimal durch den Regen um nachzusehen, was Sammeli macht. Dann bleibt er ganz weg. Da wissen wir, dass es jetzt passiert.

      Emma und ich tragen zwei Gartenstühle hinters Haus. Wir stellen sie unter eins der Stallfenster und steigen auf die Stühle.

      Der Einfall stammt von mir. Schließlich können wir nicht alle im Stall herumlungern. Es reicht schon, wenn Großvater, Mick und Frau Pflaumer bei Sammeli sind. Jonas hat gesagt, er will in der Sattelkammer warten, bis das Fohlen da ist.

      Das Fenster ist ein guter Zuschauerplatz. Durch das überhängende Dach unseres Hauses sind wir vor dem Regen geschützt. Im Stall brennt eine Lampe. Besonders hell ist sie nicht, aber wir können doch gut erkennen, was drinnen vorgeht.

      Großvater ist bei Sammeli in der Box. Mick und seine Mutter haben sich in der Nachbarbox auf einen Heuballen gesetzt. Von unserem erhöhten Platz aus sehen wir durch die staubige Scheibe, dass Sammeli in der Streu liegt.

      „Ist das Fohlen schon da?“, flüstert mir Emma alle fünf Minuten ins Ohr.

      „Nein.“ Auch ich wispere, als könnte Sammeli uns durchs geschlossene Fenster hören. „Noch nicht. He, drängle nicht so, ich falle gleich vom Stuhl!“

      Emma hätte eigentlich genug Platz auf ihrem eigenen Stuhl, aber sie beugt sich ständig zu mir herüber und bläst mich vor Aufregung an. Sie riecht nach den Zwiebeln, die in der Tomatensoße waren.

      „Mach den Mund zu!“, zische ich.

      Jetzt steht Sammeli auf. Ich kann nicht gleich erkennen, was los ist, weil Großvater bei ihr ist und ihr Hinterteil verdeckt. Aber dann tritt er einen Schritt zur Seite. Und da bemerke ich es: Sammeli hat den Schweif hoch erhoben, und ein Stück tiefer, unter ihrem After, klafft ihre Scheide auseinander. Dazwischen schimmert ein bläulich weißes Etwas. Es sieht wie eine sehr große Kaugummiblase aus und hat die gleiche Farbe wie das Innere einer Muschel.

      „Was ist denn das?“, wispert Emma.

      „Die Fruchtblase, glaub ich“, sage ich andächtig.

      Sammeli geht in der Box auf und ab. Noch einmal legt sie sich hin, steht aber sofort wieder auf. Meine Hände sind ganz feucht, so nervös bin ich. Das mit der Fruchtblase weiß ich von Großvater.

      „Vor der Geburt wird die Fruchtblase in den Geburtskanal gedrückt“, hat er mir erklärt. „Die Flüssigkeit in dieser Blase liegt wie ein weiches Kissen vor dem Fohlen und bahnt ihm den Weg ins Freie. Kurz vor der Geburt platzt die Fruchtblase und das Fruchtwasser läuft heraus.“

      Über der Boxwand tauchen die Köpfe von Mick und Frau Pflaumer auf.

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