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Der Glöckner von Notre-Dame. Victor Hugo
Читать онлайн.Название Der Glöckner von Notre-Dame
Год выпуска 0
isbn 9788726643046
Автор произведения Victor Hugo
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Da brach die ganze Bande los.
«Holla ho! Wer leiert denn diese Tonleiter? Wer ist denn dieser Unglückskauz?»
«Ich kenne ihn», rief einer, «’s ist Meister Andry Musnier.»
«Was, einer von den vier vereidigten Universitätsbuchhändlern?
Musnier, wir werden dir deine alten Schwarten verbrennen!» «Musnier, wir werden dir dein Weib verärgern!»
«Die liebe, gute, dicke Mamsell Oudarde!»
«Die so frisch ist und so lustig, als ob sie Wittib wäre!»
«Der Teufel soll euch holen!» brummte Meister Andry Musnier.
«Meister Andry», rief Jean wieder, der noch immer an seinem Kapitell hing, «schweig still, oder ich fall dir auf den Schädel!» Meister Andry blickte empor, schien eine Sekunde lang die Höhe der Säule und die Schwere des Schlingels abzuschätzen, multiplizierte im Geist dieses Gewicht mit dem Quadrat seiner Fallgeschwindigkeit und — verhielt sich mucksmäuschenstill. Jean fuhr als der Herr des Schlachtfelds im Triumph fort: «Ich tät’s, und wenn ich auch der Bruder eines Archidiakonus bin!»
«Schöne Herren, die Leute auf unserer Universität!» rief ein anderer der Studenten. «Nicht einmal an einem Tag wie dem heutigen respektieren sie unsere Vorrechte!»
«Nieder mit dem Rektor!» fiel Jean ein. «Nieder mit den Wahlmännern! Nieder mit den Staatsanwälten!»
«Heute abend werden wir mit Meister Andrys Schwarten ein Freudenfeuer anzünden», meinte der andere.
«Und mit den Schreiberpulten!» rief sein Nachbar.
«Und mit den Pedellstöcken!»
«Und mit den Spucknäpfen der Dekane!»
«Und mit den Aktenschränken der Staatsanwälte!»
«Und mit den Truhen der Wahlmänner!»
«Und mit dem Schemel des Rektors!»
«Nieder!» rief der kleine Jean wieder mit falscher Baßstimme, «nieder mit Meister Andry! Nieder mit den Pedellen und den Schreibern! Nieder mit den Theologen, den Ärzten und den Kirchenrechtslehrern! Nieder mit den Staatsanwälten, mit den Wahlmännern und mit dem Rektor!»
«Das bedeutet ja doch das Ende der Welt!» murmelte Meister Andry und stopfte sich die Ohren zu.
Plötzlich schrie einer der Studenten am Fenster:
«Achtung, der Rektor! Dort tritt er auf den Platz hinaus!»
Alle Gesichter wandten sich in die angegebene Richtung.
«Ist’s wirklich und wahrhaftig unser ehrwürdiger Rektor Meister Thibaut?» fragte Jean Frollo du Moulin, der, weil er sich an eine Säule im Saalinnern gehängt hatte, nicht sehen konnte, was draußen vorging.
«Jawohl, jawohl», antworteten alle andern; «er ist’s, er ist’s! Der Herr Rektor Thibaut!»
Es war wirklich der Rektor mit allen Würdenträgern der Universität, die sich in Prozession nach der Gesandtschaft begaben und in diesem Augenblick den Platz überquerten. Die am Fenster zusammengedrängten Schüler empfingen sie beim Vorbeimarsch mit spöttischen Bemerkungen und Beifallsrufen. Der Rektor, der die Spitze seiner Schar bildete, bekam die erste Tracht.
«Guten Tag, Herr Rektor! Holla ho! Guten Tag doch!»
«Wie geht denn das zu, daß der hier ist, der alte Spieler? Hat er denn seine Würfel im Stich gelassen?»
«Wie er einhertrabt auf seinem Maulesel! Das Tier hat weniger lange Ohren als er!»
«Holla ho! Guten Tag, mein Herr Rektor Thibaut! Alter Strohkopf! Alter Spieler!»
«Behüt Euch Gott! Habt Ihr heut nacht oft Doppelsechs geworfen?»
Dann kamen die anderen Würdenträger an die Reihe.
«Nieder mit den Pedellen! Nieder mit den Stabträgern!»
«Sag mir doch, Robert Poussepain, wer ist denn der da?»
«Das ist Gilbert de Suilly, der Kanzler vom Kolleg in Autun.»
«Da, hier hast du meinen Schuh! Du hast einen besseren Platz als ich — wirf ihn ihm ins Gesicht!»
Der Universitätsbuchhändler indes, Herr Andry Musnier, neigte sich zum Ohr des Pelz- und Rauchwarenlieferanten für die Gewandkammer des Königs, des Herrn Meisters Gilles Lecornu.
«Ich sage Ihnen, mein Nachbar, die Welt geht zu Ende! Solche Auswüchse der Schuljungenschaft hat man noch nie zuvor wahrgenommen! Die heillosen Erfindungen dieses Jahrhunderts sind’s, die alles verderben. Die Geschütze, Feldschlangen, Donnerbüchsen und vor allem die Buchdruckerkunst, diese aus Deutschland gekommene zweite Pest! Gibt’s kein Manuskript mehr, gibt’s auch kein Buch mehr! Der Buchdruck ertötet den Buchhandel. Ich sag’ Euch, das Weltende ist da!»
«Ich merke es auch daran, daß immer mehr Samtstoffe gekauft werden!» erwiderte der Pelzhändler.
In diesem Augenblick schlug es zwölf. Die Mittagsstunde war gekommen.
«Ha!» rief die ganze Menge wie aus einem Munde. Die Studentenschaft schwieg. Nun entstand ein großes Durcheinander, ein gewaltiges Gestampfe mit den Beinen und ein reges Schütteln der Köpfe — dann ein großer gemeinsamer Spektakel von Husten und Schnauben — ein jeder setzte sich zurecht, stellte sich zurecht, reckte sich zurecht, es bildeten sich Gruppen — dann eine tiefe Stille. Jeder Mund stand offen, jeder Blick richtete sich nach der Marmortafel. Nichts zeigte sich dort. Die vier Büttel des Palastamtmannes standen noch immer straff und unnahbar — bewegungslos gleich einer bemalten Bildsäule. Aller Augen wendeten sich nach der für die vlämische Gesandtschaft vorbehaltenen Estrade. Die Tür blieb geschlossen und die Estrade leer. Die Menge hier harrte seit dem Morgen auf drei Dinge: auf die Mittagszeit, auf die Gesandtschaft aus Flandern und auf das Mysterium. Bloß die Mittagszeit war pünktlich eingetreten.
Das war zu arg. Man wartete eine Minute, zwei, drei, fünf Minuten, eine Viertelstunde; nichts kam, nichts zeigte sich. Die Estrade blieb leer, das Theater blieb stumm. Zur Ungeduld hatte sich nun der Zorn gesellt. Ergrimmte Reden machten, allerdings noch mit leiser Stimme, die Runde.
«Das Mysterium! Das Mysterium!» flüsterte es überall dumpf. In der Menge gärte es. Ein Gewittersturm, der zunächst nur sein Grollen hören ließ, brodelte über dieser Menschenflut.
Jean Frollo du Moulin war’s, der den ersten Zündfunken hineinwarf.
«Das Mysterium! Und zum Teufel mit den vlämischen Bauern!» rief er aus voller Lungenkraft und wand sich wie eine Schlange um seinen Säulenknauf.
Die Menge klatschte mit den Händen.
«Das Mysterium!» schrie sie ihm nach, «und zu allen Teufeln mit Flandern!»
«Das Mysterium müssen wir haben, auf der Stelle haben!» rief der Schüler wieder, «oder ich schlage vor, wir hängen den Amtmann auf in Ermangelung von Komödie und Sittenspiel!» «Sehr gut gesagt!» schrie das Volk; «fangen wir das Hängen mit den Bütteln an!»
Rauschendes Beifallklatschen folgte. Die vier armen Teufel fingen an blaß zu werden und schauten sich verstohlen an. Die Menge drang auf sie ein. Schon sahen sie, wie das schmale Holzgeländer, das zwischen ihr und ihnen war, sich bog und unter dem Druck der Massen nachgab. Die Lage war kritisch. «Nieder mit ihnen!» schrie es von allen Seiten.
In diesem Augenblick hob sich der Tapetenvorhang des Ankleideraumes und gab einer Persönlichkeit den Weg frei, deren bloßer Anblick die Menge plötzlich aufhielt und ihren Zorn wie durch Zauberei in Neugierde wandelte.
«Silentium! Stille! Stille!» ertönte es ringsum.
Der Ankömmling, dem es gar nicht sehr