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über mein Gesicht. „Sie werden mich bestimmt nicht mit meinen Brüdern zusammentun.“

      „Wir sollten uns einfach mal anhören, was sie sagen“, mischt sich Ms. Song ein. „Sie wissen, was das Beste ist, da bin ich mir sicher.“

      Ich kann meine Brüder jetzt vor mir sehen. Ich kann Forest sehen, wie ihm von Grandma Jane erzählt wird. Gunnar, dem erklärt wird, dass wir in unterschiedlichen Pflegefamilien untergebracht werden.

      Gunnar ist so jung, er wird sich nicht einmal an mich erinnern und Forest nach ein paar Monaten auch nicht mehr.

      Ich balle die Fäuste und stehe so plötzlich auf, dass mein Stuhl nach hinten kippt.

      „Oh, Jameson –“, sagt Ms. Song.

      „Immer mit der Ruhe, Sohn.“ Mr. Smith packt mich am Arm. „Du wirst hier noch eine Weile warten müssen. Die Leute von der Behörde sollten bald hier sein.“

      Tränen strömen mir jetzt übers Gesicht, Rotz blubbert aus meiner Nase. „Nein, Sie verstehen nicht! Ich kann nicht in eine Pflegefamilie gehen! Meine Brüder müssen bei mir bleiben!“

      „Sohn –

      „Verdammte Scheiße! Nennen Sie mich nicht so!“, brülle ich. Trotz seines Alters ist Mr. Smith immer noch stärker als ich. Es gelingt ihm, seine Arme um mich zu schlingen und mich tiefer in das Büro zu zerren.

      „Es ist okay“, sagt er.

      „Nein, das ist es nicht! Sie haben mir gerade verdammt nochmal gesagt, dass meine Grandma gestorben ist!“

      Ich bin hysterisch, kratze nach ihm, kralle meine Hände in sein rosa und graues Hemd, aber er lässt nicht los. Stattdessen sagt er mir immer wieder, dass alles okay ist.

      Aber ich weiß, dass es das nicht ist.

      Nichts ist okay.

      Meine Grandma ist tot. Meine kleinen Brüder wissen es wahrscheinlich noch nicht einmal, aber ihr Tod markiert einen Wendepunkt in unserem Leben. Ich weiß, dass das Kinder- und Jugendamt vermutlich versuchen wird, meine Brüder und mich in getrennte Pflegefamilien zu zwingen.

      Ich mache mir jetzt schon Gedanken über die Einzelheiten einer Flucht und wie ich mich durchschlagen kann. Nicht nur ich, sondern mit meinen zwei kleinen Brüdern. Das Leben hat uns schon genug genommen, ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass uns irgendjemand trennt.

      Also nein, nichts ist okay. Und ich weiß nicht, ob es das jemals wieder sein wird.

      Prolog 2

      Vor einem Jahr – Ashers Verlobungsfeier

      „Und deswegen spreche ich hier auf der Verlobungsfeier einen Toast aus. Auf das glückliche Paar!“, brüllt Gunnar der versammelten Menge zu, die an der Bar steht. Ich stehe den Arm um meine Verlobte Jenna gelegt da und lächle. Mein Lächeln ist nicht aufgesetzt, aber angestrengt. Es ist immer ein bisschen komisch, derjenige zu sein, auf den getrunken wird. „Auf das ihr zwei ein langes und glückliches Leben führen werdet.“

      Alle sagen „hört, hört!“ oder „Cheers!“ und heben ihre Gläser. Ich hebe mein Champagnerglas und stelle Augenkontakt mit Jameson her, der in der Ecke schmollt. Er sieht in seinen dunklen Jeans und Lederjacke groß und düster aus, was irgendwie sein Ding ist.

      Cece, Jamesons schäbige Surferflamme der Woche, leert ihr gesamtes Champagnerglas in einem Zug. Ich persönlich kann dem Typ Wasserstoffblondine, muss-ich-hier-Schuhe-anziehen nichts abgewinnen, aber jedem das Seine, schätze ich.

      Er neigt den Kopf in meine Richtung und nippt an seinem Glas. Jameson hat sich wegen meiner Verlobung mit Jenna wie ein richtiger Scheißkerl aufgeführt. Daher ist die Tatsache, dass er heute Abend überhaupt eingeladen wurde, ein Geschenk von mir an ihn.

      Ich nippe an meinem Champagner und wende mich von ihm ab. Mir ist unwohl dabei, diese Gefühle bezüglich Jameson zu hegen, der seit unserer Kindheit mein bester Freund ist.

      „Schatz“, sagt Jenna, die mir ihr Champagnerglas reicht. Sie zupft einen kleinen unsichtbaren Fussel von meinem weißen Hemd und lächelt. „Kannst du mir noch ein Glas holen?“

      „Klar. Ich könnte sowieso etwas Stärkeres vertragen.“

      „Achte nur darauf, dass du dich nicht betrinkst.“ Sie streicht ihr schwarzes Minikleid glatt und wirft ihre blonden Haare nach hinten. „Ich möchte schließlich nicht, dass die Leute einen falschen Eindruck von dir bekommen.“

      „Gott bewahre“, sage ich und verdrehe die Augen.

      „Ich meine es ernst! Es sind heute Abend eine Menge Leute hier, nicht nur deine schmuddeligen Freunde.“

      Ich fühle mich leicht angegriffen, aber nach einem Blick zu Jameson und seiner Freundin kann ich schwer etwas Gegenteiliges sagen. Sie machen jetzt miteinander rum, wobei Cece ihre Faust in seine Lederjacke gekrallt hat und ihn zu sich nach unten zieht. Schon bald werden sie eine Weile von der Party verschwinden, wahrscheinlich um in irgendeinem Wandschrank eine Nummer zu schieben.

      Ich blicke zu Jenna, die sich abgewandt hat. Diesbezüglich bin ich beinahe neidisch auf Jameson. Jenna ist an ihren besten Tagen eine Eisprinzessin. Aber sie stammt zufälligerweise auch aus einer Familie, die noch wohlhabender ist als meine, und meine Familie hat Geld.

      Die Tatsache, dass ich Jenna erbeutet habe, und das ohne ihre Hilfe, lässt meine Mutter und Vater nachts vermutlich keinen Schlaf finden. Das allein ist, meiner Meinung nach, schon zehn Ceces wert.

      Ich drehe mich um und gehe zur Bar. Der Barkeeper geht, um meine Drinks zu holen, und ich bin beeindruckt davon, wie effizient er sich bewegt. Natürlich tut er das, denke ich. Jameson hat diesen Laden ausgesucht. Abgesehen vom Surfen ist die Arbeit als Barkeeper wahrscheinlich die einzige Leidenschaft, die Jameson hat.

      Nun, das und schäbige ehemalige Stripperinnen.

      Dennoch, als ich die ordentlich aufgereihten Alkoholflaschen betrachte und die Barkeeper, die ihrem Job geflissentlich nachgehen, stelle ich fest, dass ich neidisch bin. Wenn ich irgendetwas über Alkohol wüsste, würde ich in Nullkommanichts eine Bar eröffnen.

      Ich habe sogar einen Treuhandfonds, den meine Großeltern für mich eingerichtet haben. Ich habe ihn nie angerührt, hatte Angst, auch nur einen Cent dieses Geldes auszugeben.

      Ich seufze und schaue nach rechts. Meine kleine Schwester Emma sitzt auf einem Barhocker am Ende der Bar und starrt ins Leere. Ich schaue in die ungefähre Richtung, in die sie starrt, aber ich sehe nur Jameson und Cece, die miteinander rummachen.

      Meine Augen bleiben länger auf Jameson liegen und ich erinnere mich an meinen sehnsuchtsvollen Moment. Ich habe eine Art Geistesblitz, mehr oder weniger. Ein Energiestrahl fegt durch mich hindurch und setzt meine Gedanken in Flammen.

      Ich könnte eine Bar wie diese haben. Zum Teufel, mit Jamesons Wissen und meinem Geschäftssinn habe ich das Gefühl, dass wir wirklich etwas Großartiges aufziehen könnten.

      Ich zögere, weil Jameson wegen Jenna in letzter Zeit wirklich nervtötend war. Er war schlechtgelaunt und geradezu feindselig ihr gegenüber, was zu eisiger Stille und Schmollen ihrerseits führte.

      Aber die Idee, eine Bar mit Jameson zu führen, ist so fantastisch; er zapft meisterlich das perfekte Bier, ich kümmere mich um die alltäglichen Sorgen und das Geld.

      Die Idee ist einfach zu verlockend, um sie zu verwerfen. Ich muss ihm zumindest davon erzählen.

      Ich bewege mich schnell, denn ich habe meine Entscheidung getroffen. Natürlich werde ich von ein paar von Jennas Freunden aufgehalten, ehe ich mit ihm reden kann. Aber irgendwann erwische ich ihn, bevor er mit Cece einen Abgang machen kann.

      „Hey. Hast du eine Minute?“, frage ich.

      Er lässt den Whisky in seinem Glas kreisen und schaut mich amüsiert an. „Diese ganze Party ist für dich. Natürlich habe ich eine Minute.“

      „Möchtest

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