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Kummer los und konnte schlafen, schlafen, schlafen.

      Die Versuchung war groß. Er zog den Stöpsel heraus und legte sich eine der Pillen auf die Handfläche. Dann holte er noch eine und legte sie daneben hin.

      Eine würde genügen, hatte Dr. Schmoll gesagt.

      Klaus holte eine dritte und legte sie zu den beiden anderen. Und dann nahm er noch eine und noch eine, bis das Röhrchen leer war. Der dicke Bettvorleger verschluckte das Geräusch, als der Behälter zu Boden fiel.

      Klaus griff nach seinem Becher. In diesem Augenblick schlug unten die Türglocke an.

      *

      Den ganzen Vormittag hatte Mandy keine Ruhe gefunden. Nicht einmal ihre Arbeit mit den Patienten hatte sie von ihren seltsamen Gedanken ablenken können.

      Wie ein Geist spukte Klaus Meinradts gequältes Gesicht vor ihrem geistigen Auge herum. Immer wieder mußte die junge Krankenschwester daran denken, wie er jetzt in seiner leeren Wohnung herumging und vergangenen Zeiten nachtrauerte.

      Plötzlich hielt sie es nicht mehr aus. Sie bat eine Kollegin, der sie noch vertrauen konnte, daß sie sie für die restlichen Stunden vertrat, holte rasch ihre Jacke und verließ dann so schnell sie konnte die Klinik.

      Klaus Meinradts Adresse wußte sie auswendig.

      Hastig entlohnte sie den Taxifahrer, als er sie in der Lindenstraße aussteigen ließ. Hier also wohnte Klaus.

      Suchend schaute sie sich nach der Nummer vierzig um. Irgendwie hatte Mandy das Gefühl, daß sie sich beeilen mußte. Warum, das wußte sie natürlich nicht, aber die Aufregung in ihrem Inneren wurde immer größer.

      Endlich hatte sie das Haus erreicht. Es hätte ihr eigentlich gleich auffallen müssen, denn der Vorgarten war so verwahrlost wie kein anderer.

      Als die junge Frau auf den Klingelknopf drückte, spürte sie ihren Herzschlag bis zum Hals, so aufgeregt war sie.

      Lange rührte sich nichts, anscheinend war niemand im Haus. Aber wo sollte Klaus Meinradt sein? Er hatte ihr doch selbst erzählt, daß er keinerlei Verwandte oder Freunde in Maibach hatte.

      Also mußte er zu Hause sein. Aber warum öffnete er dann nicht? Irgend etwas mußte geschehen sein.

      Wie eine eisige Faust umklammerte die Angst ihr Herz. War sie zu spät gekommen?

      Endlich hörte sie schwerfällige Schritte. Jetzt konnte sie erleichtert aufatmen.

      »Was wollen Sie?« Klaus Meinradts Stimme klang böse.

      Verlegen senkte Mandy den Blick. »Sie hatten doch gesagt, daß ich Sie besuchen sollte, wenn ich Zeit hätte. Jetzt habe ich Zeit, und da dachte ich, daß ich Ihnen vielleicht beim Auspacken helfen könnte.«

      »Sie haben recht«, antwortete der Mann resigniert. »Ich bin ein hilfloser Krüppel, der es gerade noch geschafft hat, seinen Koffer ins Haus zu bringen. Zu mehr bin ich nicht mehr fähig.«

      »So dürfen Sie nicht reden.«

      »Es stimmt aber«, widersprach er beinahe gleichgültig. »Aber kommen Sie ruhig herein. Sie werden staunen, wie schnell ein Haus verwahrlost, wenn die Hand der Hausfrau fehlt.«

      Mandy überhörte absichtlich seine bitteren Worte. »Wenn Sie nichts dagegen haben, dann werde ich erst einmal saubermachen und Ihnen etwas zum Mittagessen richten. Einverstanden?«

      Der Mann nickte. »Hier ist die Küche. Im Gefrierschrank ist sicher alles, was Sie dazu brauchen. Iris war eine vorbildliche Hausfrau.«

      Schon kurze Zeit später zog verführerischer Duft nach Braten durch das Haus, und die unteren Räume erstrahlten wieder in ihrer gewohnten Sauberkeit. Mit Feuereifer hatte sich Mandy daran gemacht, Staub zu wischen und den Teppichboden zu saugen.

      Inzwischen hatte es sich Klaus im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Vor ihm auf dem Tisch lag ein riesiger Stapel Zeitungen, und daneben ein etwas kleinerer Stapel mit der Post, die sich in den vergangenen Monaten angesammelt hatte.

      »Wir können gleich essen«, rief die Frau ins Zimmer hinein, aber Klaus reagierte nicht. Er hatte sich in die Berichte über seinen Unfall vertieft. Die Bilder zeigten in Farbe die Unfallstelle mit den demolierten Autos.

      »Hören Sie doch auf, sich selbst zu quälen. Wenn erst Ihr Sohn wieder hier ist, dann werden Sie diesen Schicksalsschlag bestimmt leichter überwinden.« Die Krankenschwester nahm ihm die Zeitung aus der Hand, was er widerspruchslos geschehen ließ.

      »Ich kann Ulli nicht zu mir nehmen«, sagte Klaus leise. »Wer sollte denn für den Jungen sorgen? Vorläufig kann ich mich noch kaum bewegen, so daß ich froh bin, wenn ich mir selbst das Nötigste machen kann. Und dann, wenn es mir wieder bessergeht, muß ich arbeiten.«

      Amanda Veil überlegte eine Weile. War das nicht der Ausweg für sie, den sie so verzweifelt gesucht hatte? Sie wußte, daß sie nicht im Krankenhaus bleiben konnte, solange Gerd Schönau dort arbeitete. Er machte ihr das Leben und die Arbeit dort zur Hölle, daß es ihr jeden Morgen graute, wenn sie ihren Dienst antrat.

      »Vielleicht hätte ich eine Lösung für Sie, das heißt, wenn Sie das wollen. Sie können ruhig ehrlich sein, ich bin Ihnen nicht böse, wenn Sie meinen Vorschlag ablehnen«, beeilte sie sich zu versichern.

      »Nun reden Sie schon, Schwester Mandy«, sagte Klaus ungeduldig und lächelte gequält.

      Die junge Frau spürte die Mauer fast körperlich, die der Mann bewußt zwischen ihnen beiden errichtet hatte. Fürchtete er etwa eine Annäherung von ihrer Seite?

      Verlegene Röte schoß ihr ins Gesicht. Plötzlich kam sie sich dumm und unbeholfen vor. »Ach… eigentlich… ich weiß auch nicht…« Unsicher brach sie ab, weil sie nicht mehr weiterwußte.

      Erst jetzt merkte Klaus, daß er ihr wehgetan hatte. »Sie wollen mir helfen, ich weiß. Bitte, entschuldigen Sie mein ruppiges Benehmen. Es war nicht so gemeint.«

      »Ist schon in Ordnung. Wahrscheinlich hätte ich mich nicht so in Ihr Leben drängen dürfen. Es war mein Fehler. Aber ich wollte Ihnen wirklich nur helfen, Ihnen und Ulli. Ich… ich hatte keine Hintergedanken, wenn Sie das meinen.« Jetzt liefen ihr doch die Tränen über die Wangen.

      Die ganze Situation war Mandy so peinlich, daß sie am liebsten davongelaufen wäre. »Ich… ich habe in der Küche gedeckt. Sie müssen mich jetzt entschuldigen, weil ich ins Krankenhaus zurück muß.«

      »Das stimmt doch nicht, Mandy. Jetzt seien Sie nicht albern. Vorhin haben Sie mir doch versprochen, daß Sie mit mir essen werden. Allein schmeckt es mir nämlich nicht.« Er bemühte sich um ein freundliches Lächeln, was ihm wider Erwarten sogar gelang. »Nun kommen Sie schon, sonst wird Ihr gutes Essen kalt. Und dann erzählen Sie mir, was Sie vorhin vorschlagen wollten. Ich werde ganz Ohr sein.« Mühsam erhob er sich und hängte sich bei der Krankenschwester ein, die vor Verlegenheit noch immer nicht wußte, was sie sagen sollte. Mandy konnte ausgezeichnet kochen, aber trotzdem wurde nur sehr wenig gegessen. Klaus hing seinen Gedanken nach, und der jungen Frau war der Appetit vergangen, nachdem sie sich so blamiert hatte.

      Aber sie wollte wirklich nur helfen. Doch mit diesem Mißtrauen hatte sie nicht gerechnet. Oder hatte er es nicht mißverstanden? Sah er am Ende klarer als sie selbst?

      Zugegeben, sie mochte Klaus Meinradt, aber ob es mehr war, vermochte sie nicht zu sagen. Oder wollte sie es sich nur nicht eingestehen?

      »Ich kann beim besten Willen nichts mehr essen.« Entschlossen schob der Mann seinen Teller zurück. »Und jetzt will ich wissen, was Sie mir vorhin sagen wollten. Es betrifft doch Ulli, oder täusche ich mich da?«

      »Ja, auch«, gab Mandy zögernd zu und spürte entsetzt, daß ihr schon wieder die Röte ins Gesicht schoß. Und das machte sie noch verlegener. Trotzdem mußte sie es ihm jetzt sagen, das war ihr klar.

      »Ich habe mir etwas überlegt. Es gibt vielleicht doch eine Möglichkeit für Sie, daß Sie Ihren Sohn zu sich nehmen könnten.«

      »Ach. Und die wäre?«

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