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sagte Rhodan. »Da wir davon reden – wie geht es Protektor Bull? Ich hätte erwartet, dass er sich ebenfalls meldet.« Er hoffte, Bull hatte auf seiner neuen Position nicht zu viele Scherben aufkehren müssen. Er war seinem Freund wirklich zu Dank verpflichtet.

      »Der Protektor ist zurzeit in den Kolonien unterwegs, um ein paar wichtige Termine zu absolvieren«, sagte Michelsen. »Wir erwarten ihn nicht vor nächster Woche zurück.«

      Diese Nachricht schmerzte Rhodan mehr, als er erwartet hatte. Das hieß, er würde Bull wahrscheinlich versäumen. Auf einmal wurde ihm bewusst, wie sehr er ihn vermisst hatte: als Stütze, als Ratgeber, als Freund.

      »Ich verstehe«, sagte er.

      »Wann erreichen Sie die Erde?«

      »Wir fliegen erst Mimas, dann den Mond an«, sagte Gabrielle Montoya. »In einer guten Stunde sind wir da.«

      »Dann treffen wir uns in zwei Stunden im Government Garden«, sagte die Administratorin. »Michelsen Ende.«

      Das Hologramm erlosch. Thora, die noch zugeschaltet blieb, tauschte einen langen Blick mit ihrem Mann. Sie wusste, wie wenig Lust er auf die kommenden Stunden hatte, konnte ihm aber nicht helfen.

      »Möchtest du, dass ich bei der Pressekonferenz dabei bin?«, fragte sie nur.

      »Was, damit die Medien mit ›Rhodan rettete seine Frau‹ titeln können?«

      Sie verzog säuerlich das Gesicht. »Meine Anwesenheit wäre nur logisch. Schließlich wollen wir ihnen das neue Bündnis zwischen Arkon und Erde verkaufen, oder nicht? Wir wären ein Symbol.«

      »Wir wären eine Zielscheibe«, widersprach Rhodan. »Menschen denken und handeln nicht logisch. Versuch die nächste Zeit vielleicht ein wenig öfter daran zu denken!«

      Sie schnaubte. »Logisch betrachtet, seid ihr alle Barbaren. Daran hat sich die letzten vierundfünfzig Jahre nichts geändert.«

      »So kenne ich dich.«

      Thora verzog einen Mundwinkel, und selbst auf Montoyas Lippen spielte ein seltenes Lächeln. »CREST II Ende.« Das zweite Hologramm erlosch, und das abgetönte Feld hellte sich auf.

      »Sir, wir empfangen weitere Rufe«, meldete Nykyta Lomatschenko. »Unter anderem von einem Botschafter der Vollversammlung, von PUMA und diversen Nachrichtenkanälen.«

      Rhodan seufzte. »Von was für einem Botschafter denn?«

      »Shalmon Dabrifa.«

      Rhodan seufzte abermals. Der junge Israeli war, was man wohl einen Bewunderer nannte. Potenziell eine wertvolle Hilfe im politischen Ränkespiel, aber nicht in Rhodans gegenwärtiger Situation.

      »Bitte sagen Sie ihm, wir reden später. Und was will PUMA von uns?«

      »Es ist eine aufgezeichnete Botschaft. Absender ein gewisser Ace Coltsmith. Soll ich abspielen?«

      Rhodan stimmte ungeduldig zu. Vor ihm entstand das Holo eines gepflegt wirkenden Manns, dessen Augen wie die eines Kinds im Zirkus zu strahlen schienen. Er quasselte los, als wüsste er genau, wie wenig Zeit ihm blieb.

      »Ich grüße Sie, Perry Rhodan!«, sprudelte es aus ihm heraus. »Bitte lassen Sie mich Ihnen versichern, was für eine besondere Ehre es mir ist, Sie als Erster im heimischen Sonnensystem willkommen zu heißen. Sicher kommen Sie gerade von einer Mission voller Gefahren zurück. Sie ahnen es wohl nicht. Aber auch wir auf Pluto halten Tag und Nacht die Augen offen, um Bedrohungen von der Menschheit fernzuhalten und unseren bescheidenen Beitrag für das größere Wohl zu leisten, ein Leuchtfeuer für tapfere Sternenfahrer wie Sie zu sein. Somit halte ich es nicht für übertrieben, wenn ich Ihnen im Namen meiner Besatzung, von Helden zu Helden gesprochen ...«

      »Ich bin auf der Krankenstation«, verkündete Perry Rhodan und ließ die verdutzte Zentralebesatzung mit dem unbeirrt weiterquasselnden Hologramm allein.

      2.

      Ein Sessel am See

      Reginald Bull saß auf der hinteren Veranda seines Bungalows am Goshunsee und trank Whisky. Genau genommen saß er nicht nur, er schaute aufs Wasser hinaus, auf dem es immer etwas zu sehen gab, und er trank nicht irgendeinen Whisky, sondern einen zwölf Jahre alten Scotch. Solche Details waren ihm zurzeit wichtig. Vielleicht lag es daran, dass er sich tagsüber sehr viele Details merken musste und abends nicht mehr richtig abschalten konnte.

      Ohnehin waren seine Abende sehr kurz geworden, überlegte er und griff nach dem Zellaktivator, der zusammen mit dem Scotch und seiner Dienstwaffe auf dem Glastisch neben ihm lag, sodass er ihn bequem erreichen konnte. Ohne dieses Ding wäre er längst zusammengeklappt. Vielleicht klammerte er sich aber auch an Einzelheiten, weil sein Leben sonst nicht mehr viel Sinn ergab.

      Der Bungalow war der zweitgrößte an diesem Abschnitt des Sees. Weiter im Osten gab es größere Privatvillen. Aber die gehörten irgendwelchen Neureichen, die in den Siebzigerjahren eine Gesetzeslücke ausgenutzt hatten, und Reginald Bull kannte sie nicht. Sein Bungalow war zudem der zweitälteste in diesem Abschnitt. Er war das zweitbeliebteste Ziel für Touristen – zumindest jene Art von Touristen, die sich für die Bungalows von Prominenten interessierten –, und wurde am zweitbesten vor genau solchen Leuten bewacht.

      Selbstverständlich gehörte der größere, ältere, beliebtere, besser bewachte Bungalow Perry Rhodan. Aber der war gerade nicht da, womit Reginald Bull und sein Bungalow wohl als die Nummer eins gelten durften. Uninteressant für Touristen, aber relevanter für ihn als Eigentümer war, dass er seinen Bungalow mehr mochte. Die Veranda zum Beispiel – er hatte sie vor fünfzehn Jahren erneuert. Bedachte man den Zustand der vorigen Veranda, musste man eigentlich sagen, dass er sie erbaut hatte. Eigenhändig, nur mithilfe eines alten Zimmermanns, der an einem Wochenende gemeinsam mit Bull den Unterbau stabilisiert hatte.

      Bull hatte Autum etwas beweisen wollen. Das hatte er damals zwar nicht geglaubt, als sie ihn damit aufgezogen hatte, hatte was von Geld und Wucherpreisen der Handwerker erzählt; aber fünfzehn Jahre später musste er ihr recht geben. Zum Glück war das Ergebnis sehr ansehnlich geworden, und zum Schluss hatte Autum Legacy ihren Spott aufgegeben und ihm geholfen. Sie hatte die Geländerpfosten geschliffen und lackiert. Er sah noch genau die tiefe Kerbe am dritten Pfosten, wo ihr der Winkelschleifer ausgerutscht war. Sie hatten den Pfosten nicht mehr ersetzen können und versucht, die Kerbe mit einer Extraschicht Lack zu überdecken. Es hatte eine Weile gut funktioniert. Nach fünfzehn Jahren sah er sie wieder.

      Es war nicht die einzige Kerbe, die sie einander geschlagen und eine Weile erfolgreich verdeckt hatten.

      Draußen auf dem See fuhren zwei Idioten im Sonnenuntergang mit ihren Jetskis herum. Bull kannte sie nicht. Wahrscheinlich gehörten sie zu den Villen im Osten. Sie hielten sich an die Sperrzone, die seinen Uferabschnitt beschützte. Aber der Lärm ihrer Maschinen störte die abendliche Ruhe.

      Er saß auf einem alten Rattansessel, den Autum kurz nach Fertigstellung der Veranda gekauft hatte. Wahrscheinlich war es ein sehr teurer Versand gewesen, obgleich der Sessel aussah, als hätte sie ihn auf einem Flohmarkt entdeckt. Auf ihre alten Tage hatte Autum diese seltsame Macke für Kunsthandwerk entwickelt, die viele wohlsituierte Frauen befiel. Reginald Bull beklagte sich nicht. Er mochte den Sessel und war überrascht gewesen, dass Autum ihn nicht mitgenommen hatte, als sie ausgezogen war. Genau wie der Scotch war der Sessel mit den Jahren besser geworden und hatte eine Geschichte zu erzählen.

      So etwas respektierte Bull. Menschen und Gegenstände ohne Charakter machten ihn dagegen rasend – das war wahrscheinlich seine Macke.

      Er betrachtete die Gegenstände auf dem Glastisch. Der Scotch war mit seinen zwölf Jahren noch nicht so charaktervoll, wie er sein könnte. Aber die Richtung stimmte in jedem Fall, und Bull mochte das bisschen mehr an Biss, das er verglichen mit seinem sechzehnjährigen, weicheren Cousin noch hatte. Die goldene Farbe der Flüssigkeit im Glas sah im Sonnenuntergang aus wie dunkler Honig.

      Er griff nach dem Glas. Er trank Scotch gern aus dem Tumbler, wenngleich natürlich ohne Eis, obwohl es sehr warm war. Der Tumbler gehörte zu einem

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