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Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben. Hanne-Vibeke Holst
Читать онлайн.Название Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben
Год выпуска 0
isbn 9788726569575
Автор произведения Hanne-Vibeke Holst
Жанр Языкознание
Серия Therese-Trilogie
Издательство Bookwire
Denn das Kind war natürlich der Himmelskörper, um den wir uns die ganze Zeit drehten. Unser Lieblingsthema, auf das wir immer wieder zurückkamen. Dort in diesem übersichtlichen Idyll, das Paul als medienfreie Zone bestimmte, erschien es so einfach und selbstverständlich, sich zu reproduzieren. No problem! Wir hatten Ferien, der Preis für Windeln und der Mangel an Krippenplätzen segelten wie Schäfchenwolken an dem ewig blauen Himmel an uns vorbei. Und meine Angst, mich selbst zu verlieren, meine Verteidigung der heiligen Integrität und mein professionelles Über-Ich kamen mir ehrlich gesagt ein wenig übertrieben vor. Warum alles so komplizieren? Paul war ja auch da, ich würde nie im Stich gelassen werden. Ganz im Gegenteil, versicherte er mir. Jeden Tag. Mehrmals am Tag. Zum Schluß fühlte ich mich so apathisch oder wie nach einer Gehirnwäsche, daß ich mein Mißtrauen gegenüber seinem wirklichen commitment zusammen mit den Wolkenformationen wegwehen ließ. Auf den Sand hinaus, wo sich der Zweifel auflöste und zu Luft wurde.
»Es ist ja nun ganz klar, daß das hier nicht das wirkliche Leben ist«, sinnierte ich eines Mittags, während die Hummeln in den Heckenrosen summten und Paul eine Wassermelone zerteilte.
»Wer sagt das?« bemerkte er und legte vier Stücke rotgrüne Melone auf einen angeschlagenen Tonteller. »Du bist jedenfalls nie zuvor so wirklich für mich gewesen, Tes! So nahe, so fruchtbar, liebenswert ohne Abstand ...«
»Oh, wie lyrisch!« richtete ich mich auf, immer empfänglich für jeden Anflug manierierter Gefühlsduselei.
Er reichte mir den Teller.
»Tes, hast du jemals überlegt, wieviel Lärm um uns herum ist? In der Stadt, jeden Tag? Bevor wir hierhergekommen sind, waren wir nie zusammen einfach nur still! In all dem Lärm habe ich dich faktisch gar nicht hören können! Wenn wir nicht hierhergekommen wären, hätten wir nie die Ruhe gehabt, uns kennenzulernen! Ich habe dich gespürt, aber es könnte doch sein, daß ich mich geirrt habe ...«
»You win some, you lose some!« lächelte ich.
Paul biß in die Melone, daß der Saft ihm das Kinn herunterrann. Dann bestand er ernsthaft darauf, sich vor mir in die Hocke zu setzen.
»Du warst ganz genau so schön, wie ich es mir erträumt hatte: Ich liebe dich. Laß uns hierbleiben!«
»Hierbleiben?« fragte ich und gab ihm seine kleinen, bekräftigenden Küsse zurück.
»Hier in diesem Leben. Laß uns aussteigen, bevor es richtig angefangen hat, laß uns einfach und gut leben, das Kind aufziehen, ordentliche Kartoffeln anpflanzen, hier und da ein bißchen schreiben ...«
»Nullwachstumsromantiker!« spottete ich, die selbst einmal davon geträumt hatte, spartanisch in einem südamerikanischen Landwirtschaftskollektiv zu leben. »Wir werden unruhig werden, im Winter einschneien und einander auf die Nerven gehen! Das Kleine wird Bronchitis kriegen und wir in Thermoklamotten herumrennen und meckern, warum kein Geld für Heizöl da ist.«
»Ich bin kein Romantiker, ich bin Realist. Das läßt sich problemlos machen. Wir verkaufen die Wohnung. Du wirst Freelancer, und ich werde Schriftsteller. Wenn du willst ...«
»Das will ich vielleicht in dreißig Jahren! Ich habe keine Lust, mich pensionieren zu lassen, Paul!« sagte ich ärgerlich über das Idyll, das von dieser trivialen Unterhaltung zerstört wurde, die doch im Endeffekt von dem ewig zwischen uns gärenden Konflikt handelte: meinem Verhältnis zu meiner Arbeit.
»Ich finde es schön auf dem Land, aber ich freue mich auch, wieder zurück in die Stadt zu kommen! Denn ganz gleich, was du hoffst oder glaubst, werde ich nie diejenige werden, der es reicht, Rhabarber einzukochen!«
»Okay, du hast recht. Wir gehen zurück und leben unser Surrogatleben in der Metropole. Meine geliebte, geliebte Tes! Aber sage nie, daß es meine Schuld ist!«
Das versprach ich.
»Ich werde schon die Verantwortung für meine Handlungen übernehmen. Und zwar zu jeder Zeit!«
Kurz darauf gingen wir zu einer Telefonzelle und riefen daheim an, um Pauls Anrufbeantworter abzuhören. Auf ihm war ein Anruf von einer Sekretärin von TV 2. Betreffend die Bewerbung, die er vor ein paar Monaten eingesandt hatte. Am nächsten Tag rief er zurück und wurde gebeten, am gleichen Nachmittag zu einem Gespräch nach Kopenhagen zu kommen. Am Abend hatte er das Angebot bekommen, zu Weihnachten als Allroundreporter bei der Kopenhagen-Redaktion eingestellt zu werden.
»Erster Dezember wahrscheinlich. Also haben wir nur ein paar Monate zusammen mit dem Baby«, überlegte Paul, als er aus der Stadt zurückgekommen war und wir mit Weißwein an unserem Lieblingsplatz im Garten anstießen. Es war schwül, der süße Duft von Kamille und herbstreifem Getreide hing schwer in meinen angeschwollenen Nasenlöchern.
»Wir können das Geld gut gebrauchen«, sagte ich vernünftig. »Und wenn du als Freier einen anständigen Monatslohn nach Hause bringen willst, wird es sowieso verdammt hart!«
Paul wippte mit seinem Glas in meine Richtung.
»Sag es nur, Tes. Wenn’s soweit ist, willst du mich sowieso am liebsten aus dem Haus haben.«
»Aber das wäre doch nur schön!« wich ich aus, und mir fiel ein, daß der Sommer im nächsten Moment vorbei sein würde. Dann fielen die ersten Regentropfen seit drei Monaten. Paul runzelte die Stirn, und mehr war nicht notwendig, damit auch mein Launebarometer drastisch sank. So leicht gebaut war mein innerer Deich gegen die seit Monaten aufgestaute Angst, daß er in der gleichen Nacht brach, in der ich mit weit aufgerissenen Augen schlaflos dalag und die Unruhe in mir aufsteigen fühlte, Meter um Meter, um mich schließlich mit eiskaltem Grauen zu überspülen.
»Aber, mein Schatz, wovor hast du denn Angst?« fragte Paul, als ich ihn weckte, um in seiner Armbeuge Trost zu suchen.
»Vor