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zurückgetretenen Minister durch willfährige Kollaborateure. Der tschechoslowakische Staatspräsident Edvard Beneš wäre nun gefordert gewesen, er hätte die Anerkennung dieser Regierung verweigern können. Doch da mobilisierten die Kommunisten die Straße. Die Bevölkerung wurde zu Demonstrationen aufgerufen, der unter kommunistischem Befehl stehende sogenannte »Werkschutz« in den Fabriken war bewaffnet, wurde mobilisiert und beherrschte bald die Straßen. Beneš gab nach und erkannte die neue Regierung Gottwald an.

      Die Tschechoslowakei war der letzte Staat im sowjetischen Einflussbereich, in dem die Kommunisten die Macht ergriffen. Ein Schicksal, das ein Jahr später auch noch der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland blühen sollte. Aus Sorge, es könnten dort, wie in Österreich, die Kommunisten bei einer freien Wahl verlieren, wurden hier zunächst von den Sowjets die Sozialdemokraten gezwungen, sich mit den Kommunisten zu einer Partei zu vereinigen, der Sozialistischen Einheitspartei (SED). Echt oder gefälscht wurde sie bei den Wahlen zur stärksten Partei und stellte damit die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, der DDR.

      Es war diese mit List und Gewalt herbeigeführte Ausdehnung des sowjetischen Machtbereichs in Europa, die den Westen befürchten ließ, die Sowjets könnten es auch zu einer militärischen Konfrontation kommen lassen, etwa wenn auch in Italien und Frankreich die dort erstarkten Kommunisten die Macht ergreifen wollten und es zu Bürgerkriegen käme.

      Die österreichischen Kommunisten glaubten offenbar daran. Bei den nächsten Wahlen im Jahre 1949 sah ich diese Plakate selbst, auf denen die KPÖ die schon kommunistisch geführten Länder in roter Farbe, Frankreich und Italien bereits rot umrandet darstellte – demnächst in Europa! In ihren Reden und ihrer Zeitung »Volksstimme« forderten sie von der österreichischen Regierung, den westlich-demokratischen Kurs aufzugeben und dem Beispiel Jugoslawiens zu folgen, das unter Führung Titos als immer noch sowjettreuer, kommunistischer Staat galt.

      Auch in Wien hatten die Sowjets von Karl Renner gefordert, das Innenministerium mit einem geeichten Kommunisten zu besetzen, mit Franz Honner. Honner, noch 1934 im Exil in Moskau, während des Krieges von den Sowjets mit Flugzeug nach Jugoslawien gebracht, gründete innerhalb der Tito-Armee ein österreichisches Bataillon. Dieses Bataillon, das vorwiegend aus desertierten Soldaten und überzeugten Kommunisten bestand, wurde 1945 mit Zustimmung der Sowjets, wenn nicht auf deren Befehl, nach Wien gebracht und zog voll bewaffnet in die Stadt ein, begrüßt von Honner, auch er in Partisanenuniform mit dem Sowjetstern auf der Kappe.

      Als Innenminister setzte Honner einen weiteren Kommunisten als Chef der Staatspolizei ein, Heinrich Dürmayer. Auch er war nach 1934 im Moskauer Exil, kam aber dann nach Spanien und wurde in den Internationalen Brigaden, die gegen Franco kämpften, als Kommissar eingesetzt. Nach dem Sieg Francos floh Dürmayer nach Frankreich, wurde dort interniert, nach dem Einmarsch der Deutschen verhaftet und nach Mauthausen ins Konzentrationslager gebracht. Von dort gelangte er nach Auschwitz.

      Ich sage gelangte, weil, wie er mir erzählte, er sich als Lager-schreiber in Mauthausen selbst nach Auschwitz »versetzt« hatte. In dieses Vernichtungslager der Nazis, in dem über eine Million Juden mit Gas ermordet wurden, aber auch nicht-jüdische Häftlinge zur Arbeit in deutschen Industrieniederlassungen gezwungen waren. Dort gründete Dürmayer eine Widerstandsbewegung, die es immerhin zustande brachte, gefangene Sowjetkommissare aus dem Lager zu schmuggeln. Diese, so erzählte mir Dürmayer, wären von polnischen Widerstandskämpfern aufgenommen und von kleinen Sowjetflugzeugen abgeholt worden. Dürmayer schilderte mir das so im Detail, dass ich an der Wahrheit dieser Geschichte nicht zweifle. Er war für die Sowjets offenbar eine ganz spezielle Persönlichkeit, flog auch jetzt immer wieder nach Moskau, wo er sich – auch das stammt von ihm – in dem für die Sowjetführung reservierten Krankenhaus behandeln ließ.

      In Wien organisierte Dürmayer die Staatspolizei, die nun genauso unter kommunistischer Führung stand wie die Stasi in der DDR und die Staatspolizei in allen sowjetischen Satellitenstaaten. Nach der Wahl im November 1945 wurde in Wien zwar der kommunistische Innenminister abgelöst, aber auch der neue Innenminister, der Sozialdemokrat Oskar Helmer, wagte es zunächst nicht, Dürmayer von der Spitze der Staatspolizei zu entfernen. Man hatte Angst, die Sowjets könnten auf einen solchen Schritt mit einer ganzen Reihe von Gegenmaßnahmen reagieren. So bestand die Gefahr weiter, dass ein kommunistischer Putschversuch in Wien mithilfe der Staatspolizei und Duldung der Sowjetmacht durchgeführt werden könnte.

      Konfrontiert mit der Sowjetblockade in Berlin und den Blockadeängsten in Wien, entschloss sich Helmer nun doch, Dürmayer von seinem Posten abzuziehen. Helmer ernannte den verlässlich demokratischen Chef der Wiener Feuerwehr, Josef Holaubek, zum Polizeipräsidenten und beauftragte ihn, Dürmayer zur Polizei nach Salzburg zu versetzen. Als Chef der Staatspolizei war Dürmayer über diese Absicht natürlich schon längst unterrichtet, räumte seinen Tresor aus und begab sich mit den Akten in die sowjetische Kommandantur. Und nichts geschah, die Sowjets nahmen das hin. Bundespräsident Karl Renner, der sich auf Urlaub in Mürzsteg aufhielt, bedankte sich persönlich bei Bundeskanzler Figl mit einem Brief dafür, dass alle Mitglieder der Regierung diese Aktion Helmers und Holaubeks voll mitgetragen hatten. Für so außerordentlich und mutig schätzte Renner diesen Schritt ein.

      Doch so ungefährlich, wie ich dachte, war die Situation damals in Wien nicht. Amerikaner und Briten bereiteten sich durchaus darauf vor, dass die Sowjets auch die Westsektoren in Wien blockieren würden. Dafür fanden sich bei unseren späteren Recherchen für die TV-Dokumentationen drei Zeitzeugen. Halvor Ekern, amerikanischer Vertreter im Alliierten Rat, berichtete, es habe eine »Alarmstufe Rot« gegeben, als ein militärischer Konvoi der Amerikaner, der von Oberösterreich nach Wien fahren sollte, auf der Ennsbrücke von Sowjetsoldaten aufgehalten und an der Weiterfahrt gehindert wurde. Rasche Rückfrage in Washington, wie man sich verhalten soll. Anweisung an den amerikanischen Hochkommissar: Mit der sowjetischen Hochkommission Kontakt aufnehmen, protestieren und möglichst eine problemlose Weiterfahrt des Konvois erreichen.

      Ekern war einer der Offiziere, die diese Verhandlungen führten. Die Sowjets verwendeten mehrere Ausreden, um den »Zwischenfall«, wie sie es nannten, zu erklären. Aber letztlich entschuldigten sie sich und ließen den Konvoi passieren. Doch Amerikaner und Briten waren alarmiert. Ekern: »Ich wurde beauftragt, in Wien rasch einen Platz auszusuchen, auf dem wir eine Landepiste für große Flugzeuge anlegen konnten. Ich habe ihn gefunden – eine Menge Gärten in Grinzing wären da draufgegangen. Doch wir hätten die Piste gebaut, innerhalb von Tagen, um auch Wien aus der Luft versorgen zu können.« Ekern konnte die Stelle nicht genau nennen, an der die Amerikaner Platz für die Piste schaffen wollten. So haben wir uns Grinzing angesehen und kamen zu dem Schluss, dass es in diesem hügeligen Gebiet schwer gewesen wäre, eine lange Landebahn anzulegen. Aber dann fanden wir in Wien doch einen Kronzeugen dieses geplanten Unternehmens: Egon Rothblum, gebürtiger Österreicher, amerikanischer Staatsbürger und nach 1945 Mitglied der amerikanischen Verwaltung in Wien.

      Rothblum konnte sich an jene kritischen Tage sehr gut erinnern: »Dann kam eine Überraschung. Eine Abendsitzung wurde angesetzt. Das war recht ungewöhnlich für uns. Normalerweise waren auch unsere österreichischen Mitarbeiter bei den Besprechungen dabei. Diesmal wurde uns strenge Geheimhaltung befohlen. Daher wurden wir auch am Abend zusammengerufen, es sollte niemand merken. Es ging darum, dass für den Fall einer sowjetischen Blockade von Wien eine Luftbrücke errichtet werden sollte. Und der einzige Ort, der für den raschen Bau eines Flugplatzes infrage käme, das wäre die Heiligenstädter Straße.«

      Nach dieser Aussage Rothblums haben wir uns die Heiligenstädter Straße angesehen. Zwischen dem Karl-Marx-Hof und der Hohen Warte gibt es in der Tat ein ebenes Stück, das sich für die Anlage einer Piste für die damaligen propellerbetriebenen Flugzeuge geeignet hätte. Allerdings nur für eine einzige Piste. Diese hätte wahrscheinlich ausgereicht, um Flugzeuge landen zu lassen, nicht aber, um die entladenen Flugzeuge gleich wieder zum Start zu bringen. Rothblum erinnerte sich: »Ja, es hätte einer zweiten Piste bedurft, aber da dachten wir an den Ausbau des schon existierenden Landestreifens entlang des Donaukanals.«

      Rothblum berichtete, wie es in der Nachtsitzung der Amerikaner weiterging: »Ich gehörte zur Industriesektion der Militärverwaltung. Und so sollte ich noch in der gleichen Nacht berechnen, was zur Anlegung der Piste notwendig wäre. Ich bin die ganze Nacht gesessen, habe jede Position ausgerechnet. Also was brauchen

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