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"Sicherlich habe ich niemals geleugnet, daß Frankreich seit den Tagen Ludwigs XIV. seine Bevölkerung verdoppelt und seinen Verbrauch vervielfältigt hat, wie er es mir entgegenhält; ich habe nur behauptet, daß die Vervielfältigung der Produkte ein Gut ist, wenn sie begehrt, bezahlt, gebraucht werden, daß sie dagegen ein Übel ist, wenn kein Begehren nach ihnen stattfindet und die ganze Hoffnung des Produzenten darauf beruht, den Produkten einer mit der seinigen in Wettbewerb stehenden Industrie die Verbraucher zu entziehen. Ich habe zu zeigen gesucht, daß der natürliche Lauf der Nationen in der fortschreitenden Vermehrung ihrer Glückseligkeit und infolgedessen der Vermehrung ihrer Nachfrage nach neuen Produkten und der Mittel, sie zu bezahlen, besteht. Aber die Folgen unserer Einrichtungen, unserer Gesetzgebung, die die arbeitende Klasse jedes Eigentums und jeder Garantie beraubt haben, haben zu gleicher Zeit zu einer ungeordneten Arbeit angespornt, die weder zu der Nachfrage noch zu der Kaufkraft im Verhältnis steht, die infolgedessen das Elend noch verschärft." Und er schließt die Debatte, indem er den satten Harmoniker einlädt, über die Zustände nachzudenken, "die die reichen Völker darbieten, bei denen das öffentliche Elend zugleich mit dem materiellen Reichtum unaufhörlich zunimmt und bei denen die Klasse, die alles produziert, täglich mehr in den Zustand versetzt wird, nichts genießen zu dürfen". In diese schrille Dissonanz der kapitalistischen Widersprüche klingt der erste Waffengang um das Problem der Kapitalakkumulation aus.

      Überblickt man den Verlauf und die Ergebnisse dieser ersten Kontroverse, so sind zwei Punkte festzustellen:

      1. Trotz aller Konfusion in der Analyse Sismondis kommt seine Überlegenheit gegenüber der Ricardoschule wie gegenüber dem angeblichen Chef der Smithschen Schule zum Ausdruck: Sismondi betrachtet die Dinge vom Standpunkte der Reproduktion, er sucht Wertbegriffe - Kapital und Einkommen - und sachliche Momente - Produktionsmittel und Konsummittel - so gut es geht in ihren Wechselbeziehungen im gesellschaftlichen Gesamtprozeß zu erfassen. Darin steht er Ad. Smith am nächsten. Nur daß er die Widersprüche des Gesamtprozesses, die bei Smith als dessen subjektive theoretische Widersprüche erscheinen, bewußt als den Grundton seiner Analyse hervorhebt und das Problem der Akkumulation des Kapitals als den Knotenpunkt und die Hauptschwierigkeit formuliert. Darin bedeutet Sismondi einen unzweifelhaften Fortschritt über Smith hinaus. Ricardo hingegen mit seinen Epigonen sowie Say stecken in der ganzen Debatte lediglich in den Begriffen der einfachen Warenzirkulation, für sie existiert nur die Formel W - G - W (Ware - Geld - Ware), wobei sie sie noch in einen direkten Warenaustausch verfälschen und mit dieser dürren Weisheit sämtliche Probleme des Reproduktions- und Akkumulationsprozesses erschöpft haben wollen. Das ist ein Rückschritt hinter Smith, und gegen diese Borniertheit ist Sismondi entschieden im Vorteil. Gerade als sozialer Kritiker zeigt er hier viel mehr Sinn für die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie als ihre eingeschworenen Apologeten, genauso wie später Marx als Sozialist unendlich schärferes Verständnis für die Differentia specifica des kapitalistischen Wirtschaftsmechanismus bis ins einzelne erwiesen hat als die gesamte bürgerliche Nationalökonomie. Wenn Sismondi (im Buch VII, Kapitel VII) gegen Ricardo ruft: "Was, der Reichtum ist alles, die Menschen nichts?", so kommt darin nicht bloß die "ethische" Schwäche seiner kleinbürgerlichen Auffassung im Vergleich mit der streng klassischen Objektivität Ricardos zum Ausdruck, sondern auch der durch soziales Empfinden geschärfte Blick des Kritikers für lebendige gesellschaftliche Zusammenhänge der Ökonomie, also auch für deren Widersprüche und Schwierigkeiten, dem die steife Borniertheit der abstrakten Auffassung Rirardos und seiner Schule entgegensteht. Die Kontroverse hat nur unterstrichen, daß Ricardo wie die Epigonen Smith' gleichermaßen nicht imstande waren, das ihnen von Sismondi aufgegebene Rätsel der Akkumulation auch nur zu erfassen, geschweige zu lösen.

      2. Die Auflösung des Rätsels wurde aber auch schon dadurch unmöglich gemacht, weil die ganze Diskussion auf ein Nebengeleise geschoben und um das Problem der Krisen konzentriert wurde. Der Ausbruch der ersten Krise beherrschte naturgemäß die Diskussion, verhinderte aber ebenso naturgemäß auf beiden Seiten die Einsicht in die Tatsache, daß Krisen überhaupt nicht das Problem der Akkumulation, sondern bloß deren spezifische äußere Form, bloß ein Moment in der zyklischen Figur der kapitalistischen Reproduktion darstellen. Daraus ergab sich, daß die Debatte schließlich in ein doppeltes Quiproquo auslaufen mußte: Die eine Seite deduzierte dabei direkt aus den Krisen die Unmöglichkeit der Akkumulation, die andere direkt aus dem Warenaustausch die Unmöglichkeit der Krisen. Der weitere Verlauf der kapitalistischen Entwicklung sollte beide Deduktionen gleichermaßen ad absurdum führen.

      Vierzehntes Kapitel.

       Malthus

       Inhaltsverzeichnis

      Gleichzeitig

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