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200 zu kommen. Denn eine kurze Lebenszeit ist lang genug zu einem guten und rechtschaffenen Leben. Ist man aber weiter vorgeschritten, so ist es eben so wenig zu beklagen, als es die Landleute beklagen, wenn nach vergangener Anmuth der Frühlingszeit der Sommer und Herbst kommt. Denn der Frühling bezeichnet gleichsam das Jünglingsalter und zeigt die künftigen Früchte; die übrigen Jahreszeiten aber sind zum Einärnten und Genießen der Früchte geeignet. 71. Die Frucht des Greisenalters aber besteht, wie ich schon oft gesagt habe, in der reichen Erinnerung der vorher erworbenen Güter. Alles aber, was naturgemäß geschieht, muß man für ein Gut halten. Was ist aber so naturgemäß, als daß die Greise sterben? Dieß widerfährt aber auch jungen Leuten mit Widerstand und Widerstreben der Natur. Daher scheinen mir junge Leute so zu sterben, wie wenn die Gewalt der Flamme durch eine Menge Wasser erstickt wird, Greise hingegen so, wie wenn ein von selbst, ohne Anwendung von Gewalt, sich verzehrendes Feuer erlischt. Und gleichwie das Obst, wenn es noch unreif ist, sich nur mit Mühe von den Bäumen abreißen läßt, wenn es aber reif und durch die Sonne gezeitigt ist, abfällt; so nimmt jungen Leuten die Gewalt, alten die Reife das Leben. Und diese ist mir wenigstens so erfreulich, daß, je näher ich dem Tode rücke, ich gleichsam Land zu sehen und nach einer langen Seefahrt endlich einmal in den Hafen zu kommen glaube.

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      Μηδέ μοι άκλαυστος θάνατος μόλοι, αλλὰ φίλοισι

       Καλλείποιμι θανὼν άλγεα καὶ στοναχάς.

      Cicero hat dasselbe Tuscul. I. 49, 117 so übersetzt:

      Mors mea ne careat lacrimis; linquamus amicis

       Moerorem, ut celebrent funera cum gemitu.

      Nemo me lacrumis decoret nec funera fletu

       Fexit. Cur? Volito vivus per ora virum.

      Niemand möge mit Thränen mich ehren noch klagend bestatten!

      Er urtheilt, der Tod sei nicht zu betrauern, auf den die Unsterblichkeit folge.

      74. Nun kann beim Sterben wol einige Empfindung stattfinden, doch nur auf kurze Zeit, zumal bei einem Greise. Nach dem Tode aber ist die Empfindung wünschenswerth, oder es ist keine vorhanden. Aber man muß sich von Jugend auf durch Nachdenken darauf vorbereiten, daß man sich um den Tod nicht kümmere. Denn ohne diese Vorbereitung kann Niemand ruhigen Gemüthes sein. Sterben muß man ja gewiß; nur das ist ungewiß, ob nicht noch an demselben Tage. Wer nun den zu allen Stunden bevorstehenden Tod fürchtet, wie kann der eine feste Stimmung behaupten?

      76. Ueberhaupt verursacht, wie es mir wenigstens scheint, die Sättigung aller Lieblingsbeschäftigungen auch Sättigung des Lebens. Die Kindheit hat ihre bestimmten Lieblingsbeschäftigungen. Haben nun wol die Jünglinge Verlangen nach diesen? Auch das angehende Jünglingsalter hat solche. Sehnt sich wol nach ihnen das schon gesetzte Alter, das wir das mittlere nennen, nach ihnen zurück? Auch dieses Alter hat solche; aber auch nach diesen fragt das Greisenalter nicht. Zuletzt gibt es auch gewisse Lieblingsbeschäftigungen des Greisenalters. Sowie also die Beschäftigungen des früheren Lebensalters absterben, so sterben auch die des Greisenalters ab. Und erfolgt dieß, so bringt die Sättigung des Lebens den Zeitpunkt herbei, der uns zum Tode reif macht.

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