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ihm: ›Soeben einen großen Fund getan: Chorwerk aus dem siebzehnten Jahrhundert entdeckt. Bitten dich Pate zu stehen. Familie sehr dafür interessiert, wird die Kosten tragen.‹ – Das tust du doch, Rosmarie,– ich bin ein ausgebrannter Vulkan.«

      »O Harro, Liebster!«

      »Halt. Da drüben sitzen bleiben, wo du bist!« kommandiert Harro.

      »Nun noch: ›Der Wagen wird dich in Kupferberg abholen.‹

      So, das ist schön. Wenn die alte Musik auch keinen Wert mehr hat. Hans Friedrichs Musik hat Wert. Und der stumme Flügel, was wird er sich freuen! Und wir sitzen abends und hören zu. Sieh, was uns die Ahnfrau verschafft.«

      »Glaubst du, daß sie die Musik komponiert hat?«

      »Nein. Sieh – zuweilen ist etwas hineinkorrigiert mit Rotstift. Eine ziemlich nachlässige Männerhand. Sie hat wohl kopiert. Sieh, das ist köstlich. Mit Rotstift: ›O Holdseligste, nimm blau, nimm blau. Betrübe deinen Ehrfürchtigsten nicht durch ein Rot, das dreimal durch den Regen geloffen!‹ Ob das nicht auch eine Anweisung für die Sängerin ist? Eigentlich hätte ich doch lieber etwas mehr von ihr erfahren als nur die Abschriften.«

      »Ist die Valise leer?«

      »Ein Pack noch und verschiedene Dinge. Ein grünes, seidenes Kissen, ein Steckenpferd, ein angemalter Holzvogel mit einem Pfeifchen im Leib und ein seidener Beutel.«

      »Was enthält er denn?«

      »Ein Schreibzeug. Von Bernstein wie ein großer Apfel mit feinem silbernen Beschlag.«

      »Das will ich, das muß man mir lassen,« ruft Rosmarie.

      »Und ein Buch. Nun haben wir's, geschrieben, Bekenntnisse einer schönen Seele.«

      Die beiden Köpfe der Enkel beugen sich über das alte Buch. Ein Name steht nicht darin. Aber wieder eine Enttäuschung. Das Buch ist nur auf sehr wenigen Seiten beschrieben und enthält nur scheinbar ganz wahllos Bibelstellen.

      »Ein Wort hätte sie wohl dazwischen schreiben können,« brummt Harro.

      »Sieh!« Rosmarie deutet auf ein Blatt, auf dem als einziges steht: Liebet eure Feinde.

      »Hat sie sich auch mit dem Wort herumgeschlagen, wie einmal du, Rosmarie?« »Bei mir ist es bei einem ärmlichen Anlauf geblieben, Harro. Es war zu schwer für mich. Ich bin nur auf die allerunterste Stufe gekommen.«

      »Und die wäre?«

      »Vom blauen Männlein.«

      »Sei nicht gar so mysteriös, bitte!«

      »Sieh es doch an, ich mag wirklich nicht darüber reden, es ist so jämmerlich wenig.«

      »Schweigen?«

      »Glaubst du, daß sie wohl mehr davon verstand?« fragt Rosmarie.

      »Hier in dem Einband steckt noch etwas.«

      Zwischen dem Einband des Deckels und dem Deckel selbst war etwas hineingeschoben. Ein zusammengefaltetes Papier.

      Sie legten es sorgfältig auseinander. Eine dunkle, weiche Locke quoll heraus, oben mit einem Silberfaden gebunden, an dem ein Täfelchen hing. Darauf stand mit der Handschrift jenes Korrektors aus dem Chorwerk:

      »Der Holdseligsten von dem Herrgottsnarren.«

      »Der Herrgottsnarr! Hast du das Wort je gehört?«

      »Ja, man kann's hie und da einmal hören, hier oder in Brauneck. Als Fluch, oder wenn sie jemand recht Einfältiges bezeichnen wollen. Und auch darunter sind Noten. Das würde nun Hans Friedrich ein Motiv nennen. Zwei Motive. Wohl eins für ihn und die Holdseligste... Oh, nun sind wir wieder dumm, Rosmarie! – Ach, nun endlich, das ist wohl von ihr. Rose, kannst du's lesen, aber glatt, – so lies es mir vor.«

      »Das obere ist gewiß auch ein Motiv,« sagt Rosmarie, und sie liest. Die klare Handschrift ist ja so leicht zu lesen...

      »Das Motiv, Harro:

      Ein leidender Grund,

       Ein schweigender Mund,

       Ein Herz voll Minne,

       Da ist Gott allzeit inne.

      Siehst du, daß sie davon gewußt hat, Harro!«

      »Es gehet die Seele durch den Garten, wo der Rasen feucht ist von Tränen, und wo die schwarzen hohen Bäume das Licht der Sonne hinweg trinken. Wo die vielen Vöglein grau und schweigend auf den Zweigen sitzen, die herabhängen. Wo die Büsche und das Gras und jede Blume, die darin blühet, ihre Perlen tragen. Darin gleitet ein dunkles Wasser, das nicht plätschert und murmelt, und beweget bei seinem stillen Ziehen das Schilfrohr, das am Ufer steht.

      Und hält die Seele ihre Schleier um sich und senkt ihr Haupt und verhüllet die Wunden, die die giftigen Pfeile derer, die draußen sind, ihr angetan haben. Also gehet die Seele durch den Garten, bei den grauen Vögeln, die nicht singen, bei dem Bache, der nicht plätschert, und bei den Lilien, die an ihren goldenen Fäden den Tau der Schmerzen tragen. Und im letzten Grund des Gartens, wo die Bäume am höchsten stehen und am tiefsten ihr Leidesschatten fällt, da steht ein Rosenbaum und trägt oben eine blasse Knospe.

      Da umfaßet die Seele den Rosenbaum und spricht zu ihm: O du Rose meiner Liebe, wie bist du so blaß und stehest im Düster, wo kein Strahl dich finden kann, und sollte doch auf dich fallen der Morgenglanz und die Mittagspracht und das Abendgold. Und müßte dein Duft herrlicher sein, denn aller der Blumen, die im Garten sind.

      Da neiget sich die Seele über den Strauch und drückt die scharfen Dornen in ihre Brust, daß der Stamm trinkt von dem roten Blut und die warmen Wellen aufsteigen durch das Geäder und sich der blasse Kelch der Rose davon rötet.

      Wenn es aber Abend wird und der Herr des Gartens kommt, so wird er fragen:

      ›Seele, wie fährt dein Garten, den ich dir gegeben habe, daß du die schönen Blumen darin hegest?

      Und blüht dein Rosenbaum, den der Hauch meines Odems dir erweckt aus dem tiefen Grund?‹

      Da spricht die Seele in großer Traurigkeit:

      ›Herr, mein Rasen ist feucht von Tränen, meine grauen Vögel sind ohne Lieder, meine Lilien sind zerknickt und zerbrochen von den Steinen und Pfeilen, die sie mir in den Garten geworfen haben. Und die Rose meiner Liebe stehet im Dickicht, wo die Schatten am schwärzesten liegen.‹

      Und der Herr wird mit seinen goldenen Augen durch den Garten der Seele blicken.

      Da fliegt das Leuchten an den dunkeln Stämmen hernieder da tropft es von jedem Ast und Gezweig herab, da blitzet der feuchte Rasen von Demanten. Da haben die grauen Vögel ihre Stimmen gefunden und sind Nachtigallen worden mit Liedern des Dankes. Da stehen die zerknickten Lilien wieder aufrecht. Da öffnet die Rose der Liebe, die von dem Blute der Seele getrunken hat, ihren Kelch und glüht in purpurner Pracht, und ihr Duft erfüllt den Garten. Und das dunkle Wasser, das zum Thron der Ewigkeit geht, hebt zu rauschen an.

      Und alsdann wird die Seele genesen.

      Schweigen, im Oktobre sechzehnhundertzweiundsiebenzig, da ich zwanzig Jahr bin alt worden, im vierten Monat meiner Trübsal.«

      Harro faßte mit behutsamen Händen alles zusammen und trug das Buch und die andern Dinge in seinen Kasten und verschloß sie dort.

      Rosmarie nahm er bei der Hand und führte sie in den Schmollwinkel. Dort saßen sie eine Weile stumm beieinander. Dann sagte er freundlich:

      »Kehren wir ins zwanzigste Jahrhundert zurück. Vielleicht sollte man doch alte Sachen nicht anrühren. Das Geisterbeschwören ist zu keiner Zeit bekömmlich gewesen, übrigens steht auch deine Beichte noch aus. Was hast du alles ersonnen?«

      »Ich habe so viel gedacht heute, Harro – und ich muß ja noch mit dir reden!«

      »Das klingt gefährlich – eine Einleitung, die gewöhnlich wenig angenehmen Erörterungen vorauszugehen pflegt. Nun, ich sitze schon auf dem Armsünderstühlchen, laß hören!«

      »Ach,

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