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hat's mir gesagt und vorgehalten und gemeint, wenn's die Herrschaft am Ende nicht wüßte, so käme es auf das Pfarrhaus hinaus. Und die Beckin hat unser schönes Kleidchen kaum angesehen und spitze Redensarten dazu gemacht.«

      »Aber Lisa, wie konnten sie! Ist die Küferslotte nicht sehr arm?«

      »Freilich sind sie arm. Der Mann sitzt ja, weil die Jäger in seinem Gemüsegarten ein Reh in einer Schlinge gefunden haben, und die Frau ist blind, und die Lotte! Die ist von der leichten Kavallerie.«

      Rosmarie wird glührot. »Was haben die Jäger in des Mannes Garten zu steigen? Und gewiß hat der Fürst nicht gewollt, daß sie den Mann anzeigen.«

      »Die Jäger haben nichts angezeigt. Aber der Landjäger hat davon gehört, und der hat's berichtet.«

      »Was muß der Landjäger für ein schrecklicher Mensch sein,« denkt Rosmarie. »Ja, und ohne den Landjäger wäre gar nichts aufgekommen?«

      »Die Jäger sollen ihm das Reh, das schon tot war, in die Schlinge gehängt haben und gelauert, ob er es holt. Weil sie schon lang Verdacht haben und der Küfer ein ganz Schlauer ist.«

      »Ich werde dem Fürsten schreiben,« zürnt Rosmarie. »Und nun ist die blinde Frau allein?«

      »Die Lotte näht für die Bergheimer Schürzenfabrik. Und sie läuft schon wieder herum, putzt sich und prachtiert mit dem blauen Kleidchen.«

      Rosmarie klagt: »Und gerade, weil sie arm ist und die Mutter blind und der Vater im Gefängnis, darf man ihr nichts geben!«

      »Nein, Durchlaucht, weil es ein lediges Kind ist.«

      »Lisa, was kann man denn tun? Das Kind kann man doch nicht verderben lassen!«

      »Ja, aber wenn man denen den Kopf hält, dann denken andere, sie können auch tun, was sie mögen. Und Kerle, die darauf warten, gibt es immer!«

      »Worauf warten?«

      Daß man ihnen den Willen tut,« antwortet die mysteriöse Lisa, die heute so ganz anders ist als sonst, von Dingen spricht, die sie nie über die Lippen gebracht. Der Thorsteiner Weibersturm muß sie sehr erregt haben.

      »Die Lotte ist auch eine ganz Leichte und Abgeschlagene! Legt die guten Leintücher auf die Treppe, daß die Stufen nicht knarren und die Mutter es nicht hört, wenn der Bursch in ihre Kammer kommt.«

      »Lisa, das kannst du doch unmöglich wissen!«

      »Aber meine Base, die daneben wohnt und acht hat, hat's gehört, wie sie es ausgemacht haben. Kein Mädchen setzt sich mehr neben sie in der Kirche.«

      »Das arme Kind! Man soll ihm keine Liebe tun, und es ist doch unschuldig. Ach, sie wußte wohl gar nicht, was sie tat, sonst hätte sie...«

      »Nicht wissen, Durchlaucht! So dumm gibt es doch niemand! Und vorher daran denken! Die denken an nichts, wenn sie nur ihren Burschen bei sich haben in der Kammer.«

      Die Lisa erschrickt gewaltig über die Worte, die ihr entschlüpft, wird dunkelrot und entflieht eiligst. Rosmarie wirft ihre Arbeit hinweg, ihre grauen Augen blitzen: »O, wie man mich verdummt hat! Und mich hat blind durch die Welt gehen lassen! Und Harro hat gespielt mit mir wie mit einer Puppe. Und die Tanten auch.« Welch ein Gedankengewoge in ihrem Kopfe... Sie wandert auf und ab und wendet sich hin und her und sucht ihre Augen vor gewissen blendenden Blitzen zu verbergen.

      Endlich ertönen draußen Hufschläge. Es ist Harro, der heimkommt. Eine sehr weise, von ihrer eigenen Weisheit ganz geblendete und entsetzte Rosmarie kommt ihm entgegen.

      »O Harro, wie siehst du aus! Wie ein Ritter!«

      »Gefalle ich dir?« Er lacht sie an von seinem hohen Braunen herunter. »Die Eisenhaube für unsern Braunecker habe ich der Einfachheit halber auf dem Kopf transportiert. Ich wollte sehen, wie so ein Eisenkübel beim Reiten tut. – Die Dünsberger hielten mich für die Feuerwehr!«

      Wie schön sein gebräuntes Gesicht unter der Sturmhaube hervorsieht, die blitzenden Augen, der lachende Mund mit den festen Zähnen.

      »Und was hast du da, wie ein Mantelsack sieht es aus.« »Es ist auch einer, Rose.« Harro springt vom Pferde, eine uralte schwarzbraune Valise ist hinten auf das Pferd aufgeschnallt.

      »Ich habe Schätze gefunden! Dieser Domänenrat ist ein Juwel, und die Ordnung, heilige Himmelstochter, nicht zu verachten. Meine Liebe zu ihr ist zwar platonisch, – das soll sie auch bei Schiller gewesen sein.«

      Und Harro löst selbst mit liebevollster Vorsicht die Ledervalise ab und trägt sie in sein Atelier. Dann faßt er seine Rose an den Händen! »Und du, was hast du getan?«

      »Mich besonnen.«

      »Wie unnötig.«

      »Laß mich hören, was du gefunden hast!«

      »Berge, sag ich dir, Berge! Der Herr Rat tut nur einen Griff und hat es. Das Rezept will er aber wieder und bekommt es vielleicht auch. Hier – angefüllt bis oben mit der gleichen Handschrift. Wir haben sie nun endlich. Die Ahnfrau! Haus Thorstein hat seine so bitter schmerzlich vermißte Ahnfrau. Jede Kritik, die du bisher an uns Thorsteinern, unserem dilettantischen Wind, unsern nicht genügend stimmungsvoll knisternden Wänden geübt hast, hat zu verstummen!

      Hier ist die Ahnfrau: die Gräfin Gisela von Brauneck, geborene Gräfin von Thorstein.

      Du darfst sie bedichten, die Ahnfrau, Rose, aber wenn du sie nicht schön machst, so glaube ich es dir nicht. Ein Bild von ihr existiert nicht. Um so besser, wir können sie uns dann so schön vorstellen, wie wir wollen. Denke, wenn sie zu dieser Handschrift klein und dick, mit einer Kartoffelnase gewesen wäre, ich hätte es nicht so bald verwunden. Oder ein schlechter Maler hätte unser Phantasiebild verdorben.«

      »So viel hat sie geschrieben?« fragt die Rose bänglich, als Harro anfängt auszupacken. »Schrieb sie denn Romane?«

      »Das werden wir sehen. Und nun wollen wir essen. Und nachher machen wir uns auf die Entdeckungsreise ins siebzehnte Jahrhundert.«

      Die Lampen brennen schon, als sie um den großen Tisch im Atelier sitzen und die alten dicken Papiere wenden.

      Noten, Noten, wieder Noten. Nur im bezifferten Baß geschrieben, erklärt Harro gelehrt. Stimmen für Oboen, für Flöten, Harfe, Geige, Orgel, – ein Chorwerk. »Rosmarie, wie merkwürdig! Daß denen damals so freudig zumute war, sechzehnhundertachtundsiebenzig! ›Jauchzet dem Herrn alle Welt, lobt ihn mit Saitenspiel und Harfen. Kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken!‹

      Sieh die Handschrift. Wie ein Schwan gleitet sie dahin. Ach, daß wir so dumm davor sitzen, so analphabetenhaft dumm! Was meinst du, wenn ich mir meinen Berliner Trost, den Musiker, einlüde? Wir wollten ihn im nächsten Sommer bitten. Er schrieb mir zwar, er zücke schon lange einen Besuch nach mir, habe aber zu seinem Entsetzen gelesen, daß ich eine Prinzessin geheiratet hätte – mit sechzehn Ahnen –, er taxiert dich zu niedrig, Rosmarie, – und nun traute er sich nicht mehr.«

      »Ich bin doch nicht so schrecklich, Harro!«

      »O du, du hast eine Ahnung, wie du bist!«

      Rosmarie bekam nasse Augen: »Ja, ich ahne es doch ein wenig, Harro.«

      »Nicht tragisch werden, Rose. Aber sich, seine weiblichen Bekanntschaften bestanden im wesentlichen aus Konservatistinnen mit wild gelockten Haaren und hie und da schief getretenen Absätzen. Prinzessinnen kamen nicht in seinen Gesichtskreis. Von meinem Titel wußte er lange nicht, der stand sich zu schlecht mit meiner Wohnung neben der Glanzplätterei... Ach ja, die Plättfräulein interessierten ihn auch, er pflegte in ihnen ungemeine Seelenabgründe zu ahnen, übrigens gibt es ein Unglück, wenn er dich sieht. Er hat ein glühendes Herz für alles Schöne. Ein so großes Herz in seiner kleinen, zerdrückten Brust. Er ist ja ein wenig verwachsen. Und wenn er an seinem alten Klavier saß und seine langen Spinnenfinger darüber gleiten ließ und ich mich plötzlich aus meiner Berliner Hölle sänftlich in ein seliges Gefilde getragen fühlte, wo Palmenwälder rauschten, das ewige Meer blaute, und die Himmelstöchter herabstiegen auf goldenen Schuhen –«

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