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die Fürstin an jenem Abend sah, der mochte wohl erschrocken sein, so scharf und unnatürlich standen die Farben auf ihrem Gesicht. Das ewig gleiche umzirkelte Rot und das gefällige Weiß, und die unruhigen flackernden Augen.

      Dem Fürsten, der ja nicht Harros Maleraugen hat, fällt doch etwas auf und auch ihre seltsam sprunghafte Lebendigkeit.

      Rosmarie spricht fast kein Wort bei dem einsamen Mahl. Von Harro hatte man sich an der Schloßpforte verabschiedet. Rosmarie hatte ihm zugeflüstert: »Geh, Harro – auf morgen!«

      Und so war er fortgefahren, zum größten Erstaunen des Fürsten. Sollten die zwei schon etwas miteinander haben?

      Harro schien ihm selbst ja ein wenig verstimmt. Und hatte doch wahrhaftig keinen Grund. Nicht einmal die Fürstin war ungnädig gewesen. Aber Rosmarie zu fragen ging nicht an. Verliebte haben ja so häufig Differenzen, wenn alle Gefühle so gesteigert sind. Noch hätte er Rosmarie gerne allein gehabt, aber die Fürstin klebte förmlich an ihm, und Rosmarie sah mit einem Male so erschreckend müde aus, daß er sie schnell zu Bett schickte. Bis sie zum Zimmer hinaus war, sie hatte sich nur stumm von ihrer Mutter verabschiedet, hingen die Augen der Fürstin an ihr, und erst dann verlor der Diamantstern auf ihrer Brust sein siebenfaches Leuchten und Zittern.

      Rosmarie hatte geschwiegen. Hielt sie mit ihrer Rache zurück, oder wollte sie diesen geheimen Vorteil über sie behalten? Aber dann hätte sie wenigstens gestehen können, daß sie verletzt war.

      Die Fürstin ist plötzlich auch müde und erklärt, daß es eine große Befriedigung sei, daß wenigstens dieser Tag vorüber. Das Langweiligste auf Erden, ein Brautpaar!

      Dann geht auch sie. Dort, wo früher die Tür zum Gang war, steht jetzt ein hohes Zierschränkchen von Messing und Kristall. Die Fürstin trat vor den dreifachen Spiegel, eigentlich drei Spiegelwände, die ihre Gestalt von vorne und im Profil zeigten, und erschrak.

      War sie denn das wirklich? Die Farbe saß ja falsch, entsetzlich falsch. – Warum hatte sie das nicht zuvor gesehen? Hat Denise es wirklich gewagt, sie so lächerlich zu machen? Ihre Hand, die schon nach der Klingel gegriffen, sank zurück.

      Nein, nicht diese Person mehr sehen heute!

      Schrecklich, wie das Spiegelbild die Bewegung ihr zeigte –

      War sie denn das, – die Unheimliche dort? –

      »War ich denn immer so: war ich nicht einmal schön und weich...

      Alles, was ich nur ersehnt hätte, das trägt sie vor meinen Augen davon. Und nun habe ich mich, nur weil sie mich reizte, so unsäglich reizte, in einer Sekunde in ihre Hand gegeben...

      Daß ich schwieg, das sieht nicht gut aus. Ich hätte eine große Szene machen müssen, abstreiten...

      O Gott, was habe ich in diesem Haus schon alles ausgestanden! Es muß ein verfluchtes Haus sein. Und es wird immer fürchterlicher, das Haus. Es verändert die Menschen und macht sie schrecklich. Oh, hätte ich's nie gesehen!

      Und diese Rosmarie ist mein böser Dämon.«

      Die Fürstin zerrt mit ungeduldigen Händen an ihrer Spitzentaille, sie muß dieser Kammerfrau doch läuten.

      »Wenn sie nur mit den Augen lächelt, so schicke ich sie fort.«

      Aber die Französin mit den kunstvoll aufgetürmten Haaren, der Wespentaille und den hohen Stöckelschuhen kam so unschuldig, das heißt, so unschuldig wie die Denise Dubourg eben aussehen kann, herein.

      Und die Fürstin, die sich eigentlich vor diesem Faktotum fast ein wenig fürchtet, läßt sie gewähren.

      Bald haben die geschickten Hände sie ihrer Pracht entledigt, sie läßt sich ein weites Négligé überwerfen und alle Flammen bis auf die neben ihrem Bett ausdrehen. Dann versinkt sie in den tiefen Stuhl neben ihrem Bett.

      Läuft da nicht ein ferner Lichtschimmer am Horizont? Es wetterleuchtet. Nun, dann kann sie sich auf eine schlaflose Nacht gefaßt machen. Die Braunecker Gewitter! Wie sie die haßt! All der böse Braunecker Zauber faßt sich darin zusammen. An Schlafen ist nun nicht zu denken. Sie starrt vor sich hin und zuckt zusammen. Zwei schneeweiße Arme, über die ein dunkelrotes Band läuft, sieht sie vor sich.

      Sie geht im Zimmer auf und ab. Die Spiegelwände zeigen ihre Gestalt ... ihre gehetzten Augen, ihre zuckenden Lippen. Ruhelos wie ein Geist geht sie und ihr Bild wandert mit ihr. Nie wieder wird die blanke Fläche das verlorene Antlitz wieder spiegeln.

      »Ich muß mich fürchten ... Vor dieser Rosmarie fürchten! Hat sie es dem Thorsteiner gesagt? Nein, sie tat es nicht. Er küßte mir die Hand, als er ging ... Er hätte es doch nicht getan, er hat einen steifen Nacken.

      Sie wird es morgen tun. Ich muß sie fürchten, die Rosmarie. Ich werde es an seinen Augen sehen.

      Wie er sie ansieht! Nie hat mich ein Mensch so angesehen. Wenn er gewollt hätte ... Habe ich nicht auch das Recht auf Liebe und Genuß wie all die andern? Ewig eingeschnürt in alte, steife Formen, in Geisterhäusern, zwischen Wänden, die sich plötzlich öffnen, leben müssen ... Einen Skandal. Oh, sie hätten schon gesorgt, daß es keinen gibt – diese Braunecker mit ihrem Familiengötzen. Einmal hätte ich doch gelebt ... Und nun das mit ansehen müssen ... Tag für Tag. Daß ich so unglücklich werden mußte! Und dabei gibt's Menschen, die einen beneiden! Soll ich allein zum Leiden auf der Welt sein? Und für die andern alle Freuden?

      Wir wollen teilen, Rosmarie, wir wollen teilen!«

      Und der Spiegel, an dem sie eben vorüber eilt, zeigt ein Bild so schlimm, wie es die Räume noch nicht oft gesehen haben. Sie ständen sonst nicht mehr. Sie wären offene, ausgebrannte Höhlen, die alten Mauern, in die die Stürme hereinschauten und in deren tiefen Fensternischen Eulen und Käuze wohnten.

      Siebenundzwanzigstes Kapitel.

       Schwanenjungfrau

       Inhaltsverzeichnis

      Ein seidig blauer Herbsthimmel mit fliegenden Wolken, goldrote Wälder, braune Ackerbreiten, über die schon der grüne Hauch läuft für des nächsten Jahres Ernte, wehende weißblaue Fahnen in dem alten Städtchen auf dem Berge, und Hochzeitsglockengeläute. Das alte Schloß gibt seine treu bewahrten Schätze und Kleinodien heraus, dem Tag zu Ehren und seinem letzten Kinde. Was für alte Pracht, die sonst nur dem Domänenrat bekannt ist, kommt zum Vorschein.

      Gobelins von unschätzbarem Werte sind aus dem Schloß Eichenkronen geborgt worden, Hunderte von alten Silbertellern entsteigen den eisernen Schränken. Venetianische Spiegel mit ihrem wundervollen Goldton, die das große Braunecker Wappen eingeschliffen tragen, schmücken die Wände und Aufgänge. Die Gewächshäuser und Gärten geben ihre Blumenkinder her, die großen Palmen sind herausgewandert in den Torbogen, der die Pforte des Waffenganges mit der Schloßkapelle im Eckturm verbindet.

      Dort in der kleinen runden Kapelle sind die Wände mit lebendigem Grün bezogen, schlingen sich Kränze von weißen Rosen um die Säulen, hängen Teppiche und Brokatdecken herunter von den Emporen, die dreifach die Höhe des Turmes begleiten.

      Dort ist Rosmarie einst getauft worden, dort stand der Sarg ihrer Mutter und Brüder vor dem Altar, an der Stelle, wo in den Boden das große messingne Kreuz eingelassen ist. Da kommen sie alle einmal zusammen, die Braunecker, seit vielen Jahrhunderten schon. Heute bedeckt das Kreuz ein bunter Teppich, aber die Braunecker wissen doch, daß es darunter ist, und sie vergessen es alle nicht.

      Der rote Turm hat alle seine Betten hergegeben, und zur Nacht glänzen die Lichter aus allen Fenstern ins Tal, und die Lichter in den Türmen, so hoch über dem dunklen Massiv des Schlosses, sind wie treue Wächter, die nach allen Seiten hinausblicken. Kammerfrauen rennen hin und her, und die Schokoladefarbigen sind heute feuerrot wie Krebse und tragen weiße Strümpfe und Schnallenschuhe. Auch die alten silbernen Schnallen haben des Herrn Domänenrats eiserne Kästen bewahrt. Equipagen rollen zu dem kleinen Bahnhofe hinter dem Berge, offene Breaks folgen mit Ladungen von Koffern und kronenverzierten

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