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daß ich noch einen Strauß habe, den habe ich dem Fürsten versprochen.« Und sie bringt ihm die Veilchen.

      »Ich habe mir eine, nein zwei, nein drei Freuden gekauft.«

      »Hast du, Rosmarie! So bin ich recht befriedigt von meiner Tochter. Geh nun zu Mama, ach, wenn man ihr auch Freuden kaufen könnte!«

      Am Weihnachtsabend steht Rosmarie unter dem großen herrlichen Baum, der auf dem niederen Tischchen steht. Die Kerzen sind schon ausgelöscht. Der Fürst betrachtet ein neues Prachtwerk über alte Schlösser, das ihm Rosmarie herausgesucht hat. Die Fürstin blättert am Klavier neue Noten um, von denen sie hie und da einen Akkord anschlägt. Rosmarie nimmt von ihrem Platz das Etui, worin auf köstlichem Samt ihr Perlenkollier geruht hat. Sie trägt es schon, Perlen muß man ja immer tragen ... ihr Vater hat es ihr um den Hals gelegt.

      An dem untersten Zweige der schönsten Weißtanne aus den Braunecker Wäldern – ach das einzige diesmal von dem geliebten Brauneck, – Mama hat es durchgesetzt, daß man hier blieb, – da hängt tiefverborgen über Rosmaries Platz ein schwarzer Pflaumenkerl. Den schneidet sie vorsichtig ab mit spitzem Scherchen und legt ihn auf den weißen Samt des Etuis. Er paßt gerade hinein und nimmt sich wunderlich genug aus in dem feinen Bett. Dann klappt sie das Etui wieder zu und setzt sich auf einen der tiefen Stühle unter dem Baum und legt ihren Kopf auf die Lehne, die Hände verschränkt sie darunter; Mama dürfte sie nicht so sitzen sehen, aber sie ist ja beschäftigt. Schon seit dem Thomastage, seit sie von Harro gegangen, hat sie einen wunderlichen Druck auf dem Herzen verspürt. Das wird heute stärker, schmerzhaft ist es nicht, nur sonderbar, so daß sie eigentlich immer ein wenig daran denken muß. »Wenn es noch stärker wird, – ja dann – dann flieg ich davon, wie ich es so oft als Kind geträumt habe,« denkt sie. – »Immer vom Fliegen träumte es mir, und heute nacht fliege ich gewiß wieder im Traum mit langen weichen Flügeln. Nun wird Harro wohl das Paket bekommen, ja er hat es schon, es ist so wunderlich, ich meine, ich sehe ihn ... O Gott, ich lerne noch das Fliegen ... Harro, so sitzest du da und starrst in die Schale, und die Veilchen sind noch frisch und, nein ... ich möchte doch nicht fliegen lernen, es bedrängt ...«

      Der Fürst sitzt über dem Prachtwerk, er ist gerade an einem seiner eigenen Schlösser, er hört etwas wie einen leichten Fall, aber nichts mehr, und blättert weiter. Die Fürstin hat nun endlich ein Motiv gefunden, das ihr behagt, und beginnt es etwas zaghaft noch durchzuspielen. Es ist irgend eine Walzermelodie, sentimental, ein wenig banal, und ein gewisser Schwung darin, so wie sie es liebt, und das erklingt nun etwas fremdartig in den hohen, schönen Räumen mit dem ernsten Baum, den Rosmarie nach ihren Ideen geschmückt hat. – – –

      In seiner alten Stube sitzt der Ruinengraf. Vor einer halben Stunde hat ihm durch den tiefen Schnee der Bote das Paket aus Berlin gebracht. Mit großer Sorgfalt und einigem Staunen über den ungenannten Absender hat er geöffnet. Da, aus der letzten Hülle schlägt ihm Veilchenduft entgegen, der bringt ihm ein leises Herzklopfen, – es kann doch nicht sein, da – die herrliche Schale auf dem Silberfuß, der so schön in seinen Verästelungen das blanke Kristall umspinnt. Schon aus der Form, die unter hundert anderen vielleicht dem Meister so vollkommen geglückt ist, daß sie wie ein Naturerzeugnis wirkt, – schon daran allein kann er die Hand erkennen, die das ausgewählt hat. Und da liegt im Grunde der Schale der Veilchenstrauß, umwunden von dem blassen Goldfaden ... Und da sitzt er davor und starrt und starrt, und es ist, als brennten sich ihm die feinen Formen ein. –

      »Seelchen – so erwiderst du den grausamen Schlag, den grausamsten für dein warmes Herz, – damit, daß du mir noch Liebes tust. O Seelchen, wenn du noch irgendwo zu finden wärest, ich liefe bis ans Ende der Welt, bis ich dir gedankt hätte. Aber du bist nicht mehr zu finden, in deine seligen Gärten bist du gegangen, es ist eine fremde junge Fee, die deine Augen trägt und sagt, sie habe dein Herz. O du Königin von Thule! – O Gott, was hat der Ruinengraf mit dir zu schaffen? Fremde, junge, blasse Königin mit deiner goldenen Krone.« –

      Horch, klang da nicht die Schale, ein Ton, fein und stark und süß, entschwebte er nicht dem geheimnisvollen Rund, und hebt sie sich nicht leise vom Tisch, als hübe sie wer in die Höhe – steht da nicht eine weiße, schlanke hohe Gestalt mit der goldenen Krone, und sehen ihn nicht über den Rand der Schale große, graue sanfte Augen an. – Und noch einmal klingt das Glas, fremder noch und feiner, ferner ... – Der Ruinengraf springt auf, daß sein Stuhl umstürzt, »Seelchen, o Königin.« Er ist allein in der großen düsteren Stube mit seiner Kristallschale und seinen Veilchen. »Was war das – habe ich geschlafen, fang ich an, Hirngespinste zu bekommen? Königin von Thule, oh, was kann ich dir denn sein? Was rufst du mich ... Oh, nur dein Narr kann ich sein, – dein Narr,« und der Thorsteiner legt seinen Kopf auf die Tischplatte neben seiner Schale und seine Schultern zucken so heftig, daß nun die Schale wohl tönen mag ...

      »Was ist denn mit Rosmarie, ich glaube, sie ist unterm Baum eingeschlafen, sieh doch nach ihr! Wenn sie müde ist, soll sie zu Bett gehen,« ruft die Fürstin über den Flügel herüber.

      Der Fürst legt seinen Band beiseite. Das ist wirklich hochinteressant ... »Das hast du gut gemacht, Rosmarie,« – er geht in das andere Zimmer. Rosmarie sitzt nicht auf ihrem Stuhl, nein ... da liegt sie, wie sie heruntergeglitten ist, schneeweiß mit halboffenen Augen unter dem Christbaum.

      »Charlotte ... o Gott. Rosmarie – sie ist ohnmächtig – o komm doch.«

      Die Fürstin kommt herein, dann kreischt sie auf: »Tot ist sie ... ich kann das nicht sehen – die Augen, – decke sie zu, die schrecklichen Augen ...« Der Vater hat sein Kind schon in den Armen.

      »Unsinn, ich fühle das Herz, wie es schlägt, so hilf doch! Rufe den Leuten!« Die Fürstin geht rückwärts an die Türe und drückt auf die elektrische Leitung, dann sinkt sie auf den Diwan und verbirgt ihr Gesicht in die Kissen. »Ich kann das nicht mit ansehen, sie ist tot ... Oh, tragt sie fort – tragt sie fort.«

      Es stürzt alles zusammen, man trägt Rosmarie auf ihr Bett. Dort liegt sie, nun hat sie die Augen geschlossen. Der Fürst hält ihre Hand. Gott sei Dank, man hört das schwache, aber regelmäßige Schlagen des Herzens. Weil seine zitternden Finger den Puls nicht mehr halten können, drückt er seine Lippen auf das blasse Handgelenk, so fühlt er den leisesten Schlag. Da kommt der Arzt, und Rosmarie schlägt wieder die Augen auf und flüstert:

      »Heute bin ich geflogen, weit – aber es ist schwer, das Fliegen – es macht müde – es bedrängt.«

      Rosmarie hat doch ein recht schwaches Herz. Man muß sie sehr schonen, sie ist viel zu schnell gewachsen, und es wird gut sein, wenn sie einen recht ruhigen Sommer auf dem Lande mit möglichst viel frischer Luft und möglichst wenig seelischen Erregungen, nicht zu viel Vergnügen oder Sport verbringt.

      Siebzehntes Kapitel.

       Der ruhige Sommer auf dem Lande

       Inhaltsverzeichnis

      Schon im Februar, als noch Schnee und Regen auf der Hochebene miteinander kämpfen, flattert auf dem Ecktürmchen von Schloß Brauneck die weißblaue Fahne. Finster liegt das Schloß mit seinen vier dicken Türmen unter den niedrigen jagenden Wolken. Die alten Tannen auf der Nordseite peitschen die Mauern mit ihren langen Armen. Rabenschwärme ziehen über den Park, und aus den Wäldern tönt das rauhe Bellen der Rehe. Ist das eine Jahreszeit, um in einem weitläufigen alten Bau zu wohnen, wo die Winde sich in den Galerien verfangen und nächtelang heulen und pochen und rasen, wo die Gänge finstere Rheumatismus-Gespenster entlassen, die sich auf den harmlos Dahinwandelnden stürzen? – Wo Kammerfrauen sich täglich über schlecht schließende Fenster, eisige Alkoven beklagen und bitteren Herzens sich erinnern, daß es in der großen Stadt Zentralheizungen, glänzende Läden, abendliche Theatervergnügen gibt? Der französischen Kammerfrau bemächtigt sich die Überzeugung, daß in dem Alkoven, in dem ihr Bett steht, quelqu'un s'est donné la mort, und verschwindet am achten Tag aus Brauneck. Auf der armen Fräulein Bergmann lastet die ganze Verantwortung, die Fürstin in den Stand zu setzen, in welchem sie sich der Welt zu zeigen wünscht. Schon beim zweiten Frühstück hat sie rote Augen, sie hat sehr nahe am Wasser gebaut, – aber

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