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nicht einfallen, Sie mit einem Vergißmeinnichtstrauß zu malen!«

      »Nun, das beruhigt mich – auch nicht mit einem Lilienstengel?«

      »Auch das nicht ... Durchlaucht gestatten, die Blumen duften herrlich, es sind Gewächse aus einem Märchenwald, die die Sinne betäuben, Becher, aus denen ein bezaubernder Trank quellen könnte.«

      »Graf Thorstein, Sie werden poetisch, geschieht Ihnen das öfter?«

      »Nur ungern und nicht mit Willen.« –

      Harro steht neben Mama, und Mama hat sehr weiße Schultern und ein Leuchten in ihren braunen Augen, und die Blumen duften sehr stark. Und Harro muß ja auf die Schultern sehen, und wenn Mama sich vorbeugt, so sieht man die weichen Linien ihrer Brust unter der glühenden Seide. Harro braucht ziemlich lange, bis er die Blumen studiert hat und zu seiner Staffelei zurückkehrt. Und wieder hat die eingesperrte Biene das Wort, und man hört ihr wehklagendes und zorniges Summen durch den Saal. Und die gemalten Augen an den Wänden starren. wie der späte Nachmittagschein über sie hinflutet. Das Seelchen ergreift eine unsägliche Traurigkeit. Von irgend woher muß sie herabgekommen sein und sich wie feines Spinnweb auf ihr Herz gesenkt haben. Lautlos sitzt sie da und sieht nach dem auf- und abfliegenden und wieder ruhenden Pinsel ... da, der Gong ... Die Fürstin erhebt sich, achtlos läßt sie die herrlichen Orchideen zu Boden gleiten. Sie lächelt und neigt ihren hübschen Kopf ein wenig, ein gnädiges Nicken – eine junge schöne Dame, die sich ausgezeichnet amüsiert hat. So rauscht sie davon. An der Türe wendet sie sich, lächelt noch einmal, es bückt sich eben der lange Thorsteiner nach den Blumen, das Lächeln sieht er nicht. Aber das Kind hat's gesehen.

      »Geh, Seelchen, hol den Blumen eine Vase,« sagt Harro abwesend. Das Kind geht lautlos hinaus mit ihren leichten schwebenden Schritten, als fürchte es sich, jemand zu wecken. Als sie wieder zurückkehrt, steht Harro an der Staffelei und malt in tiefer Versunkenheit, als bewegten sich seine Hände von selbst. Wohl eine halbe Stunde malt er so, und still steht das Kind neben ihm, die Händchen auf den Rücken gelegt. Plötzlich zieht sie ihn am Ärmel.

      »Du mußt aufhören, Harro, es wird ganz dunkel.«

      »Laß mich, du weißt doch, daß man nicht stören darf.«

      »Aber du mußt aufhören! Mein armer, armer Papa! Es ist genug.«

      »Seelchen, was wandelt dich an? Was verdirbst du mir meine schönste Malfreude! Ist das auch erlaubt?«

      »Aber sieh doch, was du gemalt hast! Warum hast du meinem armen Papa eine solche Frau gemalt? Sieh, das Kleid wie Blut, und die fremden Giftblumen, und wie sie lächelt in den Mundwinkeln und weiß, daß, wem sie die Blumen gibt, sterben muß.«

      »Du redest baren Unsinn heute, ›Giftblumen‹, Orchideen. Es sind gar keine Giftblumen... die Orchideen,« murmelt er ... Harro legt seine Palette hin und setzt sich auf den tiefen Stuhl, in dem die Fürstin saß. Fast mit einem Schlage – es zieht vielleicht eine Wolke über den Himmel – ist es dunkel geworden. Harro greift nach den Orchideenstengeln und hält sie in der Hand ...

      »Tu sie weg, die Giftblumen,« sie will sie ihm aus der Hand reißen.

      »Rosmarie, du bist heute eine unartige, gewalttätige kleine Dame und hast mir die schönste Malfreude verdorben. Wenn du mich nicht gestört hättest, heute wäre mir etwas gelungen. Eine solche Stimmung, und die kommt nicht wieder, es ist schwer genug gewesen, sie herbei zu bringen, sonst hätte ich nicht so lange an dem Kleid gepinselt.«

      »Es ist doch fertig, dein Bild.«

      »Fertig! Es war im besten Werden, und da ist eine Minute mehr wert als sonst eine Stunde.«

      »Dann sieh selbst, daß es fertig ist.«

      Und Seelchen läuft zu der Nische, wo die elektrische Leitung ist. Ein leises Knacksen, aus dem Halbdämmer strömt plötzlich goldiges Licht von dem großen Kronleuchter an der Decke. Sie gleitet den Saal entlang, da glühen die Birnen auf in den alten venezianischen Wandleuchtern, alle – bis der große Saal in ein Lichtmeer getaucht ist.

      »Laß doch, Rosmarie,« aber sie ruht nicht, bis auch der letzte Schatten, der sich hinter einem der Pilaster oder Nischen bergen könnte, vertrieben ist. Der große Saal erstrahlt im Festglanz. Die Ritter und Damen stehen in dem Glast wie scheue Schemen, so viel Licht sind sie nicht gewöhnt. Aber das große Bild in der Mitte, das kann das Licht vertragen. Die Frau mit den Zauberblumen, an der die glühende Seide herabfließt, wie ein Gewand von schlimmen Feen gewoben und mit dem Blute Erschlagener gefärbt. Die Frau mit dem leisen Lächeln, halb verborgen ist es noch, es steigt erst herauf, von ihm wissen die Braunaugen noch nichts ... das grausame Lächeln der Mona Lisa ... Harro steht davor, so plötzlich aus dem halben Dämmer in das grellste Licht gerissen und starrt – und schlägt sich plötzlich die Faust vor die Stirne. »Seelchen, ums Himmelswillen, was habe ich da gemacht, aus welchem Abgrund kommt das herauf!«

      Seelchen legt ihm plötzlich ein kühles Händchen auf seine Hand, wortlos, da faßt er sie um die schlanken Schultern, einen Augenblick hält er sie umschlungen: »Seelchen ... Du, Seelchen ...« Dann steht er auf: »Seelchen, sollen wir mit dem Terpentinlappen darüberfahren und den Greuel vertilgen?«

      »O Harro, laß – laß, es ist dein schönstes Bild ...« – – –

      Am andern Morgen begleitet das Seelchen ihren Vater in den Saal, wo er das Bild sehen will. Wenn der Vater es beachtete, so konnte er fast hören, wie das kleine Herz flattert. Was wird geschehen ... wird er furchtbar zornig sein und Harro nie mehr sehen wollen, weil er ihm ein solches Bild gemalt? Ihre Hände sind eiskalt und ihre Augen dunkel. Aber nichts geschieht. Papa ist erstaunt. Er sagt:

      »Verrate es niemand, Rosmarie: ich habe gar nicht gewußt, daß Mama so schön ist. Und es ahnt mir, daß es ein großartiges Bild ist. Das kannst du Harro sagen. Aber es ist mir doch lieb, daß es nicht für den großen Saal ist. Es macht die andern Bilder so fahl. Harro hatte doch vielleicht recht, wenn er vom Stilisieren sprach. Er kann offenbar nicht recht stilisieren, so wie es sich für ein Porträt in einer Sammlung gehört.«

      Die Fürstin ist sehr erstaunt, daß die Sitzungen nun plötzlich ein Ende haben sollen, eben wie sie anfing sich zu amüsieren. Und das Bild gefällt ihr unsäglich. Sie kann lange davor stehen und es bewundern. So gemalt zu werden, das ist doch die schönste Huldigung, die man darbringen kann. Dieser Thorsteiner ist ein stilles Wasser.

      Nach einigen Tagen fragt das Seelchen ihren Vater: »Darf Harro Mamas Porträt nach München in die Ausstellung schicken? Er hat Frau von Hardenstein erzählt, sie hätten ihn aufgefordert, und es wäre eine Ehre für ihn, er habe aber nichts, was ihm genüge.«

      Der Fürst hat nicht die mindeste Lust dazu, die Fürstin ist aber Feuer und Flamme dafür. Als schöne Frau sich einer bewundernden Welt zu zeigen, dies überträfe ihre kühnsten Träume. Der Thorsteiner soll oben rechts ein kleines Wappen malen mit dem Fürstenhut, dann kann es ausgestellt werden: Porträt Ihrer Durchlaucht der Fürstin B. Und was für eine Reklame gibt das für den armen Kavalier von einem Thorsteiner! Man muß ihm doch auch etwas voran helfen. Die Fürstin wird ganz mildtätig, und sie bekommt auch ihren Willen, und das Bild tritt seine Reise an. Vor ihrer Abreise reiten Fürst und Fürstin noch nach dem Thorstein hinüber und lassen den Hausherrn herausbitten, die Pferde wollen nicht halten ... Die Fürstin sagt lächelnd:

      »Sie dürfen den Winter nicht in der Einsamkeit verbringen, Sie müssen nach Berlin kommen, wo Sie doch auch Anregung haben. Alle Künstler müssen nach Berlin, sonst gelten sie nichts, habe ich mir sagen lassen. Und wie viel schöne Damen werden sich von Ihnen porträtieren lassen wollen! Sie dürfen nicht abwehren. Lassen Sie mich nur machen. Ich sage auf Wiedersehen in Berlin!«

      Und nun hält der feurige Goldfuchs wirklich nicht mehr, und sie stiebt davon, der Fürst ihr nach. Der wendet sich noch im Sattel ... »Es soll mich sehr freuen!« –

      Elftes Kapitel.

       Der Herr Stiftsprediger

       Inhaltsverzeichnis

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