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zu finden.

      Hinsichtlich möglicher Gefahren von Expositionen (die für eine Stabilisierung sprechen könnten) betont Neuner, dass

      »… nur Psychosen, organische Störung oder geistige Behinderung, Alkoholabhängigkeit, akute Suizidgefahr sowie fortgesetzte missbrauchende Beziehung als Ausschlusskriterien angewendet wurden.«

      Es liegt seines Erachtens für Kliniker auf der Hand,

      »dass bei den meisten dieser Bedingungen keine reguläre Psychotherapie, in welcher Form auch immer, möglich oder sinnvoll ist« (ebd., S. 113).

      Daraus ergibt sich die Frage, welche Art von Behandlung wir genau den Patientinnen und Patienten anbieten können, die aufgrund einer hohen Komorbidität sowie von weiteren somatischen, zwischenmenschlichen und sozialen Problemen hoch belastet und folglich äußerst instabil sind. Was verstehen wir unter »regulär« und was unter »möglich oder sinnvoll«? Hier wäre ein Austausch zwischen Praktikern und Forschern sehr wünschenswert. Im Abschnitt 8.8 wird ein ausführliches Beispiel einer traumafokussierten Behandlung einer geistig behinderten Patientin gegeben, das möglicherweise als Anregung für eine Diskussion dienen kann. Es handelt sich dabei um eine Patientin, für die es nach Neuner auf der Hand liegt, dass keine reguläre Psychotherapie möglich oder sinnvoll ist.

      Letztlich bleibt die Frage interessant, wie stabil eine Patientin oder ein Patient sein muss, um sich in einem sicheren Zustand, das heißt ohne zu dekompensieren und ohne zu dissoziieren, mit traumatischem Material konfrontieren zu können. Dazu gehören ebenfalls die Fähigkeiten, sich im Anschluss an eine Konfrontation wieder selbst beruhigen zu können (Affektregulation) und im Lebensalltag für sich sorgen zu können (Funktionalität/Stabilität im Alltag). Wir können auf beiden Seiten Schaden anrichten. Zu schnelles und unvorbereitetes Konfrontieren kann ebenso zum Scheitern der traumazentrierten Behandlung sowie zu einem massiven Symptomanstieg oder zu weiteren Störungen führen wie eine Verzögerung oder Vermeidung der Konfrontation aufgrund einer ausschließlichen oder verlängerten Stabilisierung. Der Patient aus Fallbeispiel 2, der von einem Hai angegriffen wurde, hätte sicher nicht von einer Stabilisierungsphase im Umfang von 80 Behandlungsstunden profitiert, ein solches Vorgehen hätte aus traumatherapeutischer Sicht einen Behandlungsfehler dargestellt. In seinem Fall fand der Beginn der Konfrontation bereits in der vierten Sitzung statt. Andere Behandlungen erfordern einen völlig anderen Verlauf. Wenn die Patientin beispielsweise tatsächlich kaum die Praxis findet, wenn sie durch ihre komplexe Symptomatik extrem beeinträchtigt ist, sich nicht an vergangene Sitzungen erinnern kann, kaum absprachefähig scheint, Täterkontakt sowie ein komplexes komorbides Störungsbild vorliegt und vieles mehr, dann sind in jedem Falle vor dem Beginn einer Konfrontation mit traumatischem Material noch einige Aufgaben zu erledigen. Ein Verzicht auf eine Stabilisierung würde ein hohes therapieinduziertes Risiko darstellen.

      Zahllose Beispiele ließen sich für die Indikation einer Stabilisierungsphase anführen. Sollten wir diesen Punkt quantitativ entscheiden, also demjenigen recht geben, der die meisten Fälle für seine Argumentation aufführt? Muss in dieser Diskussion jemand recht bekommen? Oder sollten wir sie qualitativ entscheiden und im Einzelfall gemeinsam mit unseren Patientinnen und Patienten überlegen, wie viel und welche Art von Stabilisierung notwendig ist? Lassen sich aus einer qualitativen Herangehensweise Empfehlungen für die Praxis ableiten? Welche Haltung gegenüber der Exposition haben wir? Wie können wir unsere eigenen Gefühle hinsichtlich bevorstehender Expositionen von Patientinnen reflektieren?

      Wir sollten nicht darüber streiten, ob eine Stabilisierung im Behandlungsplan enthalten ist oder nicht, sondern erstens überlegen, ab wann und unter welchen Umständen konfrontiert werden kann, und zweitens, wie sich Konfrontationen gestalten lassen, damit sie gut zu bewältigen sind.

      Grawe zählt die Ressourcenaktivierung, die in der Stabilisierungsphase einer phasenorientierten Traumatherapie angesiedelt ist, zu den empirisch validierten Hauptwirkfaktoren von Psychotherapie (Grawe 2005, S. 311). In integrativen Ansätzen zur Behandlung von Traumafolgestörungen, wie dem Ansatz der Schonenden Traumatherapie von Martin Sack, wird der Stabilisierungsphase ein hoher Stellenwert eingeräumt (Gromes 2013, S. 61 ff.). Aus den körperorientierten Ansätzen erhalten wir für diese Diskussionen und die entsprechenden Entscheidungen sehr interessante Anregungen, die darauf hinweisen, wie wichtig u. a. das Erleben von Sicherheit ist und welcher Bedeutung die Entwicklung eines von Sicherheit und Halt geprägten Zustands innerhalb der Traumatherapie zukommt (Levine 2011, S. 104). Auch aus der Hypnotherapie und der Ego-State-Therapie lassen sich konstruktive Interventionen zur Stabilisierung (Affektregulation und Erleben von Sicherheit) ableiten.

      Allein schon, um die Frage beantworten zu können, wann ein guter Zeitpunkt für den Beginn der Konfrontation sein könnte, also die Frage, wann von der Stabilisierungs- zur Konfrontationsphase gewechselt werden kann, liegen seitens der Hypnotherapie und Ego-State-Therapie spezifische Ansätze vor (Fritzsche 2018a, S. 81). Im Rahmen einer hypnotherapeutischen Behandlung lässt sich die Weisheit des Unbewussten nutzen, um den Schritt zur Konfrontation einschätzen zu können, in der Ego-State-Therapie werden verschiedene Ego-States, wie innere Beobachter, innere Helfer oder Ego-States der inneren Stärke, herangezogen, um die Entscheidung für den Beginn der Konfrontation treffen zu können.

      Bei einer Patientin, die unter den Folgen von lang anhaltendem sexuellem Missbrauch in der Kindheit und Jugend litt, arbeitete ich zur Beantwortung der Frage, ob wir mit der Konfrontation beginnen können, mit ideomotorischen Fingersignalen (Erickson 1998, S. 421 ff.; Fritzsche und Hartman 2019, S. 105), also einer klassischen hypnotherapeutischen Intervention, in der mit dem Unbewussten kommuniziert wird. Das Unbewusste wird veranlasst, über den Körper, in diesem Fall die Finger, drei Antwortmöglichkeiten geben: 1) Ja, 2) Nein und 3) Weiß ich nicht bzw. Kann ich nicht sagen. Die Patientin war bezüglich der Konfrontation sehr ungeduldig und drängelte mich, so schnell wie möglich damit anzufangen. Da ich nicht sicher war, ob sie stabil genug war, schlug ich ihr die Arbeit mit ideomotorischen Fingersignalen vor. Nachdem die drei Antwortmöglichkeiten drei Fingern zugeordnet waren, kam die Antwort auf die Frage unmittelbar. Ohne Zeitverzögerung schoss förmlich der Nein-Finger in die Höhe, man könnte fast sagen, schneller als die Patientin den Ja-Finger hätte willentlich bewegen können, was ihr lieber gewesen wäre. Wir waren beide sehr beeindruckt von dieser klaren Antwort des Unbewussten und suchten nach den Hintergründen, die offensichtlich noch gegen den Beginn der Konfrontation sprachen.

      Um zu der Diskussion der Rolle der Stabilisierung zurückzukommen, lässt sich zusammenfassend der Konsens in Form der deutschen Behandlungsleitlinien zitieren, in denen für die Behandlung von Traumafolgestörungen klar drei Therapiephasen empfohlen werden: 1) Sicherheit: Stabilisierung und Affektmodulation, 2) Traumaexposition (in verschiedenen Formen) und 3) Integration und Neuorientierung (Flatten et al. 2011, S. 202–210). Die Stabilisierungsphase in der Ego-State-Therapie wird in Kapitel 7 ausführlich erläutert.

      Phillips und Frederick konzipierten für das Konzept der Ego-State-Therapie ein vierphasiges Behandlungsmodell (Fritzsche 2018a, S. 182 ff.; Phillips u. Frederick 2003, S. 65 ff.). Das in der Traumabehandlung übliche dreiphasige Modell wurde um die Phase der Schaffung eines Zugangs zu traumatischem Material sowie zu den damit assoziierten Ego-States als zweite Phase ergänzt. Damit wurde dem Aspekt besondere Aufmerksamkeit geschenkt, auf welchem Weg sich die Patientinnen und Patienten mit traumatischem Material konfrontieren können und wie der Kontakt mit traumatisierten Ego-States gelingt bzw. sich gestalten lässt.

      Phase zwei vereint zwei Bereiche: (A) den Zugang zum Traumamaterial und (B) die Begegnung mit traumatisierten Ego-States.

      Damit weist sie bereits auf eines der zentralen Konzepte der Traumabehandlung mit dem Ego-State-Modell hin, die Unterscheidung von Traumamaterial und Ego-States (siehe Abschnitt 8.6). Für die Phase 2 werden verschiedene Fragen beantwortet:

      1)Ist die Patientin stabil genug und verfügt sie über ausreichend Ressourcen,

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