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Bodenluke in der Sattelkammer gemalt. Petra kletterte die Leiter hinauf und klopfte.

      „Herein!“ erscholl es von innen.

      Sie klappte die Luke hoch und stieg durch die Öffnung. Hier oben auf dem Heuboden hatte Mick, der jüngste Pferdepfleger der Reitschule, sich ein Zimmer eingerichtet. Es war einfach, mit einer Matratze auf dem Boden und einigen großen Holzkisten als Küchenbank und Vorratsbehälter für Lebensmittel; abends aß Mick bei der Reitlehrerin mit. Über dem Tisch hing eine knallrote Lampe mit Troddeln, die Sitzbank war hellblau angestrichen. Über dem Bett hing ein Bild von Micks geliebtem Pferd Saga.

      Mick saß am Tisch. Er hatte glänzendes, dunkelbraunes Haar und nußbraune Augen, fand Petra.

      „Hallo, Petra!“ rief er.

      „Hallo, Mick. Was machst du gerade?“

      „Ich schreibe einen Weihnachtsbrief an meine Schwester. Aber du störst mich nicht.“

      Petra setzte sich neben ihn. Sie hätte selbst gern eine Schwester gehabt, aber sie hatte keine Geschwister.

      „Du weißt doch, dieses Bild, das ich dir versprochen habe …“, begann Mick plötzlich.

      Petra nickte. Sie hatte lange darauf gewartet und wartete immer noch. Mick konnte gut zeichnen, und Petra wußte, daß er gern Maler werden und auf eine Kunstakademie gehen würde.

      „Hast du schon mal ein Bild gemalt und dann versucht, es noch einmal zu malen?“ fragte er.

      „Nein.“

      „Ich hab’s früher auch nie versucht“, sagte Mick, ohne den Blick von seinem Weihnachtsbrief zu heben. „Als ich damit einverstanden war, mein Bild Mädchen unter der Eberesche zu verkaufen, dachte ich, ich könnte es für dich noch einmal genauso malen.“ Er schwieg einen Augenblick und fuhr dann rasch fort: „Ich dachte, es wäre ganz leicht, aber das ist es nicht. Ich hab’s versucht, doch es wird einfach nichts Rechtes. Wärst du sehr enttäuscht, wenn du statt dessen ein anderes Bild von mir bekommen würdest?“

      „Dann hätte ich gern die kleine Skizze, die du vorher gemacht hast …“, platzte Petra heraus. Sie fand, daß das Bild Mädchen unter der Eberesche das schönste Bild war, das Mick je gemacht hatte. Doch es war bei einer Kunstausstellung verkauft worden, in der Micks Bilder gewesen waren.

      „Das hingeworfene Blatt?“ stieß Mick überrascht hervor. „Ich wußte gar nicht mehr, daß ich es dir mal gezeigt habe.“

      „Na ja, ich hab’s im letzten Sommer flüchtig gesehen, als du mir etwas anderes zeigen wolltest.“

      „Das war doch bloß so hingekritzelt!“ wandte Mick ein. „Du hast es doch hoffentlich nicht weggeworfen?“ fragte Petra rasch.

      „Nein, aber … Du solltest doch ein richtiges Bild von mir kriegen, nicht bloß eine Übungsskizze!“

      „Mir hat es jedenfalls gefallen“, sagte Petra. Dann warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Ich glaube, ich sollte nach Hause reiten. Es dauert ja jetzt länger, weil es schon zu dunkel ist, um die Abkürzung durch den Wald zu nehmen. Hast du übrigens ein Stück Heftpflaster da?“

      „Ja. Warum?“

      Petra zeigte ihm die zerbrochene Lampe und erzählte, daß sie mit Riegel im Straßengraben gelandet war.

      „Ein Glück, daß ihr nicht gestürzt seid“, sagte Mick und gab ihr die Heftpflasterpackung.

      „Und daß Riegel sich nicht verletzt hat“, fügte Petra hinzu, während sie das zerbrochene Glas der Lampe sorgfältig zusammenklebte.

      Als sie wieder in den Stall kam, stand Lena in Svalas Box und striegelte das Pony, wie sie es immer nach der Reitstunde tat.

      „Tag, Petra!“

      „Hallo, Lena!“

      Petra blieb stehen und streichelte schnell das schwarze Pony. Die kleine, gutmütige Svala war ihr erstes Pferd gewesen, Natürlich war Riegel großartig, aber Petra würde Svala trotzdem nie vergessen. Sie sah auf den runden Ponybauch unter dem dichten Winterfell. In drei Monaten war es soweit; dann würde sie Svalas Fohlen endlich sehen …, wenn alles gutging.

      Während Petra losritt, wurde Lena von ihrer Mutter abgeholt. Als Lena nach Hause kam, fand sie ihre Schwester Astrid schlafend auf dem Schreibtischstuhl. Der Kassettenrecorder lief noch.

      Am Samstag nach dem Lucia-Tag feierte der Reitclub sein Lucia-Fest. Es war klar und kalt, als Petra aufbrach. Der Himmel war bedeckt. In der Nacht hatte es geschneit. Riegel schnaubte eifrig und trabte rasch über die dünne, unberührte Schneedecke. Er wirkte ein bißchen überdreht, und Petra wünschte, sie hätte ihm während der vergangenen Tage etwas mehr Bewegung verschaffen können. Doch sie hatte viel für die Schule arbeiten müssen, und die Abende waren dunkel und kalt gewesen. Jetzt, wo es geschneit hatte, war es wenigstens etwas heller.

      Vor dem Reitstall stieg sie vom Pferd; ein bißchen unbeholfen, denn sie trug über ihrer gewöhnlichen Kleidung ein langes weißes Lucia-Hemd. In der Stallgasse traf sie Karin, die Reitlehrerin.

      „Hat es Sinn, Riegel in eine leere Box zu bringen, oder brechen wir gleich auf?“ fragte Petra.

      „Anna-Lena ist noch nicht gekommen“, erwiderte Karin besorgt. „Es ist also besser, du bringst ihn herein.“

      „Wo ist sie eigentlich?“ fragte Charlotte Verelius von der Tür zum Stallbüro her. „Alle anderen sind schon fertig!“

      Petra ließ Riegel mit hochgezogenen Steigbügeln und verschlungenen Zügeln in der Box neben Svala zurück. Dann ging sie ins Stallbüro, wo alle warteten, die beim Lucia-Zug mitmachen sollten. Sie hatte einen ruhigen Ritt geplant. Auch Svala sollte dabeisein, mit Lena im Sattel. Astrid wollte auf dem Reitschulpony Jeppe mitreiten.

      „Hört mal“, sagte Astrid, „wißt ihr jemanden, der ruhig und zuverlässig ist und Lust hätte, ein Pferd zu pflegen? Ich habe einfach nicht mehr genug Zeit für Svala.“

      In diesem Augenblick klingelte das Telefon, Charlottes Zwillingsschwester Agneta nahm ab.

      „Ja … wie schade … Ich werd’s ausrichten … Nein, das regeln wir schon … In Ordnung, ist schon recht … Wiedersehen!“

      Sie legte den Hörer auf.

      „Hört mal“, stieß sie hervor, „Anna-Lena kann nicht kommen! Sie hat Angina!“

      „Angina! Na, das ist ja eine schöne Bescherung“, sagte Karin. „Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als schnell eine neue Lucia zu wählen!“

      „Ich rufe zu Hause an und bitte meinen Vater, sofort mit unserer Lucia-Krone herzukommen“, sagte Agneta und griff wieder nach dem Telefon.

      „Na, habt ihr einen Vorschlag, wer die Lucia sein soll?“ fragte Karin. „Wir müssen das sofort entscheiden, damit wir noch rechtzeitig loskommen.“

      „Sirkka würde gut für die Rolle passen“, schlug Charlotte vor.

      „Aber sie ist ja nicht hier“, wandte Karin ein.

      Das ist ja gerade der Grund, weshalb Charlotte sie vorgeschlagen hat! dachte Petra. Sie weiß sehr gut, daß wir keine Zeit haben, auf Sirkka zu warten. Jetzt hofft sie, jemand könnte auf die Idee kommen, daß sie genauso blond und geeignet ist wie Sirkka und Anna-Lena. Charlotte hätte wohl ihre Schwester Agneta vorgeschlagen, wenn sie nicht selbst gern die Lucia sein würde. Aber sie, Petra, würde jedenfalls keines der anderen Mädchen vorschlagen!

      „Warum müssen wir denn unbedingt immer eine blonde Lucia haben?“ fragte Rosemarie. „Warum nicht auch mal eine dunkelhaarige?“

      „Denkst du vielleicht an dich selbst?“ fragte Charlotte spitz.

      „Sei nicht albern“, sagte Arne, der nicht an dem Zug teilnehmen sollte. „Rosemarie hat recht. Wir könnten zur Abwechslung auch mal eine dunkelhaarige Lucia nehmen. Ich schlage Astrid vor.“ Er errötete. Arne war in Astrid verliebt, seit er

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