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Männern und Frauen nur mit Frauen im Reigen bewegen. Die Prüderie und Heuchelei der Kaiserzeit schlagen in das Gegenteil um; die berühmte Tänzerin Josefine Baker führt sie im eigenen Haus hüllenlos wie hemmungslos vor: »Man hat seit einiger Zeit seinen Hintern zu sehr im verborgenen gehalten«, schreibt sie geradezu in ihren Memoiren. »Und er ist doch da, der Popo. Ich weiß nicht, weshalb ich ihm Vorwürfe machen sollte. Allerdings gibt es Hinterteile, die so erbarmungswürdig sind, daß sie nur zum Sitzen taugen und zum – na, ja …«

      Hanussen zieht es schon lange nach Berlin, aber er wartet noch auf einen ganz großen Knüller als Einstiegsgag. »Vielleicht klappt es diesmal«, sagt er zu seinem Privatsekretär. »Wenn die Zeitungen wirklich ein Feuerwerk über meinen gestrigen Coup abschießen, werden wir schleunigst die Provinz verlassen und«, er nickt seinem Helfer zu, »dann werden wir dieses heiße Pflaster auf den Kopf stellen, verlaß dich drauf.«

      Hanussen hat große Pläne; er will eine Zeitschrift gründen, seine Biographie schreiben und ein ›Haus des Okkultismus‹ eröffnen, in dem er einer reichen Klientel den Blick in die Zukunft deuten möchte. Ungeduldig wartet der Illusionist darauf, sich an der Seite von Filmstars zu zeigen, als Freund von Boxchampions, Rennfahrern, Sechs-Tage-Siegern aufzutreten, von Adeligen, Wirtschaftsmagnaten und jeder Art von Prominenz. Er will Schönheitsköniginnen an sich ziehen und auf dem UFA-Gelände in Babelsberg ein und aus gehen. Berlin, der große Pfuhl, die Stadt mit den Ringvereinen, den Filmbällen, der gesunden Luft und den geldbringenden Skandalen, die aufregende Hauptstadt der Superlative. Das große Lotterbett, in dem sich die Moral suhlt. Tummelplatz der Spekulanten, denen die Geldscheine locker in den Brieftaschen sitzen. Auf diesen Schauplatz gehört ein Mann wie Hanussen; erst wenn er zu den Attraktionen der Stadt zählt, hat er den Ritterschlag der Gesellschaft erhalten und kann von der Hauptstadt des Amüsements aus zu Gastspielen in andere Weltstädte starten – als Nummer 1 in seinem Metier: Und das steht dann in allen Zeitungen und nicht nur auf Provinz-Plakaten.

      »Und jetzt möchte ich nicht mehr gestört werden«, ordnet der reale Träumer an.

      Dann ordert er eine Flasche Schampus beim Etagenkellner. »Sie erwarten Besuch?« fragt Juhn.

      »Vielleicht –«

      »Damenbesuch? Prophezeiung oder Verabredung?« fragt der Helfer mit der Trickkiste grinsend.

      »Vorahnung«, erwidert der Magier und gibt das faule Lächeln zurück.

      »Keine Kunst«, mault der Ex-Journalist beim Abgang: »Sie fliegen ja schließlich auf alles, was sich bewegt.«

      »Eine wird kommen«, prophezeit Hanussen mit einem anzüglichen Lächeln.

      Es ist Eva Pflügler aus Prag.

      Der Portier, der Anweisung hat, niemanden vorzulassen, fragt sicherheitshalber bei Hanussen zurück.

      »Lassen Sie die Dame zu einer Privatberatung herauf«, erwidert der Magier. »Ich hab’ ihr das gestern in der Vorstellung versprochen – aber sonst bitte keinen mehr.«

      Er steht auf, geht der Blondine entgegen, küßt ihr die Hand. »Ich wollte wirklich nicht kommen«, behauptet die Dreißigerin.

      »Ich weiß«, entgegnet Hanussen mit einem gewissen Lächeln. »Ich wußte aber auch, daß Sie kommen würden. Und ich bin sicher, daß wir uns gut verstehen werden.« Albernd setzt er hinzu: »Morgenstund’ hat Gold im Mund.« »Es ist nicht meine Zeit«, erwidert die Pragerin. »Aber ich möchte wissen, ob Sie gestern abend Ihre Vorhersage über mich ernst gemeint haben.«

      »Ich meine alles ernst, Gnädigste«, versichert der Mann, der die Zukunft deutet, gegen Geld und Beifall.

      »Sie werden vielleicht verstehen«, versetzt die gustiöse Witwe angriffslustig, »daß mir ein vier Jahre jüngerer Liebhaber lieber ist als ein Ehemann mit einem dicken Bauch.« »… und einem dicken Konto«, ergänzt Hanussen. »Vergessen Sie das bitte nicht.« Er gibt der Besucherin Feuer. »Aber so ist das nun mal im Leben, Gnädigste. Man bekommt nicht immer, was man will, und dann nimmt man eben, was man bekommt.«

      »Sie Philosoph«, erwidert die Besucherin. Der Spott kräuselt die Lippen in ihrem pikant-frivolen Gesicht. Männer, die etwas von ihrem Geschlecht verstehen, können es bei Eva zu etwas bringen, aber dann sollten sie freilich anders aussehen als dieser Dämon mit den dichten Brauen.

      Hanussen schenkt Champagner ein, drückt der Blondine ein Glas in die Hand. »Sehr zum Wohl! Auf die Stunde, auf uns, und auf Ihre Zukunft!« Gläser klingen. »Ex!« sagt Hanussen und schenkt sofort nach. Er schnalzt mit der Zunge, und diese Unart paßt durchaus zu dem aufdringlichen Parfüm, nach dem er duftet.

      Aber Eva Pflügler läßt sich gerne von ihm animieren, zumal mit einem Getränk, das pro Flasche vierzig Mark kostet.

      »Möchten Sie dazu einen kleinen Imbiß, Teuerste?« fragt der Gastgeber: »Kaviar oder …«

      »Nein, danke. Ich möchte etwas mehr wissen über das, was mir in meiner Zukunft bevorsteht«, erwidert die Besucherin und setzt hinzu: »Aber nur, wenn es erträglich ist.«

      Der Hellseher nimmt ihre Hand, sieht ihr in die Augen. »Es steht nicht schlecht um Sie«, behauptet er dann, »bei Ihnen brauche ich gar nicht viel schönen.«

      »Tun Sie das sonst?« fragt die Pragerin: »Wie haben Sie das nur geschafft – diese Tataufklärung?« will Eva Pflügler wissen.

      »Das weiß ich selbst nicht«, versetzt Hanussen. »Wissen Sie, Eva, der eine ist musikalisch, der andere farbenblind, und der dritte womöglich ein mathematisches Genie – und keiner kann etwas dafür.«

      »Und Sie sind hochmusikalisch und farbentüchtig und auch noch ein Adam Riese.«

      »Ich habe noch ganz andere Fähigkeiten«, prahlt Hanussen, »und die werde ich Ihnen beweisen, und zwar bald.«

      »Muß ich mich fürchten?«

      »Das würden Sie ohnedies nicht. Sie wissen doch, wo Gott wohnt.«

      »Und das sind Sie?«

      »Nein«, entgegnet Hanussen. »Gewiß nicht, aber vielleicht eines seiner privilegierten Geschöpfe.«

      »Am meisten bewundere ich Ihre Bescheidenheit«, versetzt die Blondine keß. Sie ist jetzt schon beim dritten Glas, und ein wenig beginnt sich der Raum bereits zu drehen. Sie möchte den Mann im Morgenrock anheizen und dann schleunigst verschwinden.

      Hanussen beugt sich über sie und zieht sie behutsam aus dem Sessel hoch, küßt ihre Wangen, ihre Hand, ihren Mund, er legt den Arm um Evas Schultern. »Komm«, sagt er, »wir vertrödeln nur die Zeit – an so einem wunderschönen Tag.«

      Sie will sich wehren, macht sich steif, aber es nützt ihr so wenig wie dem Kaninchen vis-à-vis der Schlange. EJH drängt sie einfach aus dem Salon in den nebenan liegenden Raum mit dem breiten französischen Bett.

      »Mit mir nicht«, wehrt sich Eva, als Hanussen beginnt, sie auch mit den Händen auszuziehen. »Genauso habe ich mir das vorgestellt«, protestiert sie.

      »Ich auch«, erwidert er keuchend. »Du bist eine schöne Frau, und schöne Frauen werden begehrt.«

      Die Vorhänge sind bereits zugezogen. Wie von selbst setzt Musik ein. Schlummerschmalz. Eva Pflügler stemmt sich noch immer gegen den ungeliebten Verführer. Vergeblich. Sie wird diesen dämonischen Kraftprotz genauso über sich ergehen lassen müssen wie andere Frauen und Mädchen vor ihr und nach ihr, die ganz andere Vorstellungen vom Mann ihrer Träume hatten und haben.

      5

      Am Morgen kann sich Kriminalkommissar Molitor nur noch mit Kannen voll starkem Kaffee auf den Beinen halten. Die Stunden der Nacht hängen wie Trimmgewichte an seinem korpulenten Körper. Er ist am Ende seiner Leistungsfähigkeit, aber lange noch nicht am Schluß seiner Ermittlungen. Er muß sich ein paar Stunden hinlegen und ausruhen, aber statt nach Hause zu gehen wird er erneut zu Staatsanwalt Swoboda gerufen.

      »Wie weit sind Sie?« empfängt ihn der lange Hagere ungeduldig.

      »Der

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