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über Waldeseinsamkeit emporragen. Diesen Einfall hat der liebenswürdige Graf vor dem lieben Gott voraus, er legte diese hängenden Gärten an; das waren die Blocksberge seiner Phantasie. Hier pflegte er als Knabe, wenn ein Gewitter heraufzog, und im Schlosse alles ängstlich durcheinanderlief, vor der unermeßlichen Aussicht zu sitzen, mit den Beinen über dem Abgrunde baumelnd, bis ihm die ersten dicken Regentropfen an die seidenen Strümpfe klatschten.“ „Es freut mich“, erwiderte Fortunat, der, ganz in den Anblick des wunderbaren Grundes versunken, die letzten Worte fast überhört hatte, „es freut mich recht, daß Sie Victors poetische Erscheinung so hoch halten.“

      Der Begleiter sah ihn aus den schönen Augen scharf und zweifelhaft an. „Ich bedaure ihn aufrichtig“, sagte er dann, „denn ich halte die Anstellung als Genie für eine der epinösesten in der Welt. Ein anderer stopft sich seine Pfeife, zieht seinen Schlafrock an, setzt sich auf dem Schreibesel zurecht und macht seine Arbeiten ab und geht dann zufrieden in die Ressource, wo er wieder ganz Mensch sein kann. Aber so ein Genie, zumal ein Dichter, kann das Genie gar nicht loswerden; wie ein Spaziergänger, der im Herbst über Feld gegangen, schleppt er die Sonnenfäden seiner Träume an Hut und Ärmeln bis auf die Ressource nach. Ist dort gar das Fenster offen, so sind die Nachtigallen und Lerchen draußen recht wie versessen auf ihn und rufen ihn ordentlich bei Namen, ja zuweilen spielt ihm seine kaum halbfertig gedichtete Geliebte den fatalen Streich und blickt ihn plötzlich aus den Augen irgendeiner albernen Dame an.“ Sie waren in das Felsental hinabgestiegen und an einen einsamen Weiher gelangt, in dessen Mitte sich eine, wie es schien, unzugängliche Insel im frischen Schmuck des Morgentaues spiegelte. „Das war sonst Victors Lieblingsplatz“, sagte der Fremde, „hier hat er den Namen seines ersten Liebchens in die Bäume geschnitten. Das Mädchen ist tot, der Nachen zu der Insel lange zertrümmert und versenkt.“ Fortunat bat den Unbekannten, der ihm wohlbehagte, zu wechselseitiger näherer Bekanntschaft sogleich mit zum Amtmanne hinaufzukommen. Der Fremde entschuldigte sich, er habe zu lange am Brunnen geschlafen und müsse nun schnell wieder weiter. „Sind Sie denn nicht hier aus dem Hause?“ fragte Fortunat erstaunt. Aber jener eilte schon fort, winkte noch einmal mit dem Hute und war bald zwischen den Bäumen verschwunden.

      Drittes Kapitel

      Als Fortunat wieder die Anhöhe erreichte, traute er seinen Augen kaum. Der schönste Morgenglanz blitzte jetzt über die gezirkelten Rasenfiguren und Tulpenbeete, an den Statuen hingen Mieder, Poschen und Schleier umher, ein frischer Wind ging

      epinös: stachlig, kitzlig. I Schreibesel: Schreibstuhl (rittlings!).

      Ressource: Erholung, Klub. I Poschen: Taschen

      durch den Garten und ließ, die Zweige teilend, bald ein Paar bloße Mädchenarme, bald ein ganzes zierliches Bildchen flüchtig erblicken. Und so glich der Garten mit den bunten Tüchern, die wie Frühlingsfahnen von den Büschen flatterten, mit den funkelnden Strahlen der Wasserkünste und dem heiteren Sonnenhimmel darüber, auf einmal jenen alten Landschaften, wo alle Hecken von schwärmenden Nymphen wunderbar belebt sind. Erstaunt drang er weiter vor, da sah er eine junge Dame in wunderlichem Schmuck, mit Reifrock, Mieder und gesticktem Fächer, vor einem Springbrunnen stehen, sie bespiegelte sich, fröhlich plaudernd, im Wasser, schüttelte lachend die schweren blitzenden Ohrgehänge und sah wieder hinein. Auf einmal wandte sie sich, er glaubte in dem frischen Gesichtchen Florentine, die Amtmannstochter, zu erkennen, die er vorhin am Fenster gesehen. Aber nun erschallte ein lauter Schrei, und aus allen Hecken, in Taffet und Seide rauschend, fuhren erschrocken fliehende Mädchengestalten durchs Grüne, als hätte der Wind Aprikosenblüten umhergestreut.

      Fortunat folgte ihnen zu der Amtmannswohnung, wo sie verschlüpft waren. Aber hier hielt ihn neue Verwirrung fest, er fand auch dort alles in lebhafter Bewegung. Aus dem Mörserstampfen im Hause und dem ernstwichtigen Durcheinanderrennen der Mägde, zwischen dem man von Zeit zu Zeit die Kommandostimme der Amtmännin vernahm, schloß er sogleich auf ein großes Kuchenbacken im Innern. Draußen aber auf dem Rasen sah man große Teppiche ausbreiten, Sofas und Polsterstühle ausklopfen, überall wurden die verdunkelnden Doppelfenster ausgehoben, die Morgensonne schien lustig durch das ganze Haus, und einzelne Schwalben kreuzten jauchzend über dem Platze.

      Ein langer, hagerer Mann mit dünnem Hals und hervorstehenden Augen schien besonders selig in dem Rumor, man sah ihn überall im dicksten Haufen schreiend, helfend und anordnend. Von diesem erfuhr Fortunat endlich, nicht ohne Müh und wiederholte Fragen, daß die Pachterstöchter aus der Nachbarschaft angekommen und mit Florentinen im Garten den alten gräflichen Hofstaat anprobiert hätten, und daß alle diese Anstalten auf den feierlichen Empfang des heute erwarteten Studenten Otto zielten. Der Mann aber war der Förster des Orts, der früher selbst das Gymnasium frequentiert und seitdem eine wütende Vorliebe für Studenten hatte. Fortunat mischte sich ohne Verzug in das bunte Getümmel, um den Lärm womöglich noch größer zu machen. Dem Förster stellte er vor, wie unerläßlich es sei, den Gefeierten durch ein Triumphtor einzuführen, worauf beide sogleich voll Eifer forteilten, um die nötigen Materialien zu dem neuen Werke herbeizuschaffen. Unterwegs begegneten sie Walter, der soeben mit einem Buche in den Garten ging. „Ich muß mich ein wenig sammeln“, sagte er flüchtig zu Fortunat, „ich freute mich so auf den stillen Tag im Freien, und nun bricht aller Plunder herein.“

      Im Garten wurden die Vögel schon still, Florentine und ihre jungen Freundinnen, wieder bequem in ihren gewöhnlichen Kleidern, flüchteten vor der steigenden Sonne aus einem Schatten zum andern, die immer kürzer wurden; jede hatte ein Stück frischen Kuchen in der Hand, sie wußten nicht, was sie in der Hitze anfangen sollten mit der langen Zeit.

      Plötzlich versetzte der Knall eines Böllers alles in die größte Verwirrung, aus allen Hecken und Türen stürzten die Erwartenden nach der Richtung hin, wo die Explosion erfolgt war. Dort gewahrten sie schon von fern den Förster am Abhange des Gartenberges, wie er soeben durch ein altes Perspektiv, das er wütend immer länger und länger hervorschob, in die Gegend hinausblickte. Als die andern endlich atemlos und fragend anlangten, warf er auf einmal das Fernrohr fort, ergriff eine neben ihm stehende Lunte und löste zum Schrecken der lautschreienden Damen einen zweiten Böller. Und in der Tat, in demselben Augenblick wurde durch den sich teilenden Pulverdampf zwischen den Kornfeldern am blaugewundenen Strom im Tal ein Reiter in bunter studentischer Tracht sichtbar, der nun auch seinerseits die Harrenden auf dem Berge erblickte und, freudig seinen Hut schwenkend, die Sporen einsetzte. „Otto! Otto!“ rief alles fröhlich durcheinander und winkte ihm mit den Schnupftüchern entgegen. Der Reiter hatte unterdes den Fuß des Berges erreicht, schwang sich vom Pferde, und auf dem nächsten Wege zwischen den grünen Rebengeländern aufsteigend, erschien ein schöner Jüngling von etwas kleiner, zierlich schlanker Gestalt mit einem feinen Gesicht und fast träumerischen Augen.

      Aber am Eingange zur ersten Allee wurde er plötzlich durch eine seltsame Erscheinung aufgehalten. Ein schöner Tannenbaum stand dort am Abhang von alters her, wie ein dunkler Ritter auf der Wacht, und ragte mit dem Wipfel bis über die Anhöhe hinauf. Auf einmal rauschte er mit den grünen Kronen und zeigte sein Riesenhaupt mit rotbraunem Gesicht und langem Schilfbart, das Haar phantastisch von wilden Blumen und Eichenlaub umkränzt. „Salve!“ redete das Haupt, die Augen sichtbar bewegend, den erstaunten Studenten an:

      Salve! Herr Doktor oder Magister!

      Bin ein alter Bursch und haß die Philister,

      Bin der Waldmann aus dem Gebirge hier,

      Darf nicht näher treten zu dir,

      Kann nicht zu dir kommen in Haus und Zimmer,

      Trät dort alle den Plunder in Trümmer,

      Drum schau ich über die Wipfel hier hinaus;

      Und bist du der Alte noch immer,

      So lad ich dich wieder in mein grünes Haus!

      Da gehn, wie damals, noch mit Gefunkel

      Die Quellen verworren durchs kühle Dunkel,

      Waldhornklänge und Vögelschall,

      Von fern dazwischen der Wasserfall,

      Und über uns rauschend die Buchen und Fichten

      Erzählen dir wieder die alten

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