ТОП просматриваемых книг сайта:
Kranichtod - Ein Fall für Julia Wagner: Band 5. Tanja Noy
Читать онлайн.Название Kranichtod - Ein Fall für Julia Wagner: Band 5
Год выпуска 0
isbn 9788726643107
Автор произведения Tanja Noy
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Julia Wagner
Издательство Bookwire
Das hatte sie wirklich nicht.
„Was wissen Sie sonst noch über sie?“, fragte Tech.
„Das, was die meisten wissen.“ Gläser war schon wieder mit der Leiche beschäftigt. „So gut wie nichts. Sie war eine gute Rechtsmedizinerin, eine verdammt gute sogar. Eine Ärztin, wie sie im Buche steht. Damit hört mein Wissen über sie aber auch schon auf. Wir waren Kollegen, keine guten Freunde. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Frau Doktor Strickner überhaupt Freunde hatte.“
„Ich mir auch nicht“, murmelte Tech.
Wiederholt blitzte das Blitzlicht des Polizeifotografen auf.
Ein paar Minuten später richtete Gläser sich auf. „Ich bin hier fertig. Was ich jetzt schon sagen konnte, habe ich Ihnen gesagt. Für alles Weitere müssen wir die Obduktion abwarten.“
„Wir brauchen das Ergebnis schnell, Herr Doktor“, sagte Tech. „Wirklich schnell.“
„Ich verspreche Ihnen, ich mache so schnell ich kann.“
„Und wie schnell ist das genau?“
Gläser holte tief Luft. „Bis morgen früh um 11:00 Uhr dürfte ich es geschafft haben.“
Tech nickte zufrieden. „In Ordnung. Ich komme zu Ihnen.“
„Das ist nicht nötig. Sie müssen sich den Weg nicht machen. Sie können anrufen oder ich rufe bei Ihnen an.“
„Danke, aber ich möchte kommen.“
„Wie Sie wollen.“ Gläser packte seine Tasche zusammen und ging zur Tür. Dort blieb er noch einmal stehen und drehte sich um. „Sie war eine großartige Ärztin. Wirklich großartig. Diesen Tod hat sie nicht verdient.“
„Nein“, sagte Tech. „Das hat sie nicht. Niemand hat das.“
Kaum war der Arzt gegangen, eilten zwei Männer herbei, die eine Bahre mit sich trugen. Auf ein Zeichen von Tech hin, hoben sie den toten Körper hoch, legten ihn darauf, deckten ihn mit einem Tuch zu und gingen mit ihm davon.
Die Polizisten an der Tür beobachteten mit Erleichterung, wie die grausige Last davongetragen wurde.
Tech holte sein Handy aus der Jackentasche, schaltete das Diktiergerät ein und begann nach einem Blick auf die Uhr ins Mikrofon: „Es ist 20:48 Uhr. Der 23. Dezember. Ich stehe im Haus von Frau Doktor Hannelore Strickner. Sie wurde erschossen, lag auf dem Boden auf dem Rücken.“ Er ließ das Mikrofon sinken und drehte sich zu einem Mann von der Spurensicherung um, der gerade an ihm vorbeiging und angespannt auf einem Kaugummi kaute. „Gibt es Einbruchsspuren?“, wollte er wissen.
„Nein, überhaupt keine“, antwortete der Kollege. „Die Tür ist heil, die Gläser aller Fenster ebenfalls. Auch an den Rahmen sind keine Spuren zu finden. So wie es aussieht, hat sie ihren Mörder freiwillig ins Haus gelassen.“
„Raubüberfall?“
Der Kaugummi wanderte von der linken auf die rechte Seite. „Hm, nein, sieht nicht so aus, als wurde etwas gestohlen.“
„Wurde das Tatwerkzeug, die Pistole, schon gefunden?“
„Nein. Noch nicht. Vermutlich hat der Mörder sie mitgebracht und wieder mitgenommen.“
Ein blonder Kollege von der Streife kam von draußen herein, ging auf Tech zu und sagte: „Wir haben den Vorgarten durchsucht, aber wie soll man bei dem vielen Schnee etwas finden? Die anderen sind gerade an der Auffahrt beschäftigt.“
„Danke“, sagte Tech. „Suchen Sie bitte weiter.“
Der Streifenbeamte nickte und verschwand wieder.
Tech sprach erneut in sein Diktiergerät: „Das Opfer wurde mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet, das Tatwerkzeug befindet sich offenbar nicht am Tatort.“ Er drehte sich einmal um die eigene Achse. „Der Raum ist sauber, keine Spuren eines Kampfes. Lediglich am Bücherregal sind dunkle Spritzer zu sehen, die wahrscheinlich von Kaffee stammen. Scherben einer kaputten Kaffeetasse liegen auf dem Boden. Vermutlich wurde das Opfer von hinten überrascht. Nirgendwo am Haus sind Spuren eines Einbruchs zu finden. Die Fenster sind unversehrt, ebenso die Eingangstür. Der Mörder scheint freiwillig hereingelassen worden zu sein.“ Er ließ das Diktiergerät wieder sinken und fragte laut in den Raum: „Wer hat sie gefunden?“
„Eine Nachbarin“, antwortete jemand. „Sie wollte einen Christstollen vorbeibringen. Als ihr niemand öffnete, obwohl Licht brannte, hatte sie ein komisches Gefühl und einen Blick durchs Wohnzimmerfenster geworfen. Sie hat gleich die Polizei gerufen.“
„Hat sie jemanden gesehen?“
„Nein.“
Tech seufzte leise. Das wäre auch zu einfach gewesen. „Wo ist die Frau jetzt?“, fragte er weiter.
„Wieder in ihrem Haus. Es wäre zu kalt gewesen, sie die ganze Zeit in einem der Polizeiwagen warten zu lassen.“
„In Ordnung.“ Tech bekam einen Hustenanfall und schob sich ein Mentholbonbon in den Mund. Dann machte er sich auf den Weg zur Nachbarin.
Mit dem sicheren Gefühl, in einen Albtraum geraten zu sein, stand Frieda Behnke an ihrem Küchenfenster und betrachtete das rot-weiße Absperrband, das die Polizei rund um das Nachbarhaus gespannt hatte. Sie konnte immer noch nicht glauben, was sie gesehen hatte, und ganz bestimmt würde sie es auch nie wieder vergessen. Ganz bestimmt würde sie … Frieda verharrte, richtete sich etwas auf, griff nach ihrer Brille und hielt die Gläser vor die Augen. Auf der anderen Straßenseite, hinter einem der Bäume, stand jemand. Vom Gesicht war nichts zu erkennen, aber die Gestalt trug eine auffällig hellgelbe Jacke.
Frieda spürte, wie ihr das Blut aus dem Kopf in die Füße schoss.
War das etwa der Mörder?
Im nächsten Moment drehte die Gestalt sich um und verschwand in der Dunkelheit. In derselben Sekunde, in der es an der Tür klingelte.
Die Polizei! Das war bestimmt die Polizei!
Frieda eilte durch den Flur, öffnete die Tür jedoch nur einen Spalt. „Michael Tech“, sagte der Mann, der davorstand. „Kriminalpolizei.“
„Ich glaube, ich habe ihn gerade gesehen“, sagte Frieda atemlos.
„Wen?“
„Den Mörder. Er stand auf der anderen Straßenseite und ich glaube, er hat Frau Strickners Haus beobachtet. Dann hat er sich umgedreht und ist weggelaufen.“
Tech zögerte keinen Moment. „Wohin ist er gelaufen?“
Frieda streckte den Arm in die Richtung, in die er verschwunden war, aus. „Er trägt eine helle gelbe Jacke.“
Sofort setzte Tech sich in Bewegung und rannte los. Um ein Haar wäre er ausgerutscht, fand aber noch rechtzeitig das Gleichgewicht wieder.
Na warte, dachte er, dich krieg ich.
Und er gab sich wirklich Mühe. Er rannte so schnell er konnte, aber er war leider kein Läufer. Er war noch nie in seinem ganzen Leben joggen gewesen. Das rächte sich jetzt. Dazu kam seine Erkältung. Er spürte förmlich, wie seine Lungen bereits nach wenigen Metern bebten und brannten. Er wollte nicht aufgeben, aber nach etwa dreihundert Metern tat er es doch. Er brach den Lauf ab und stützte keuchend die Hände auf die Knie.
Wer immer es gewesen war, die Person war verschwunden. Keine Chance mehr, sie einzuholen.
„Es war ein Mann“, sagte Frieda Behnke zehn Minuten später überzeugt.
„Sind Sie sicher?“ Völlig erschöpft saß Tech in ihrem Wohnzimmer. In seiner Jackentasche suchte er nach einem Taschentuch und putzte sich die Nase. Dann schob er sich ein weiteres Mentholbonbon in den Mund.
„Nein. Nicht hundertprozentig. Aber seine Bewegungen und seine Größe … Es muss ein Mann gewesen sein.“
Aber war eine helle