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      Rosentreter will aufgeben, Mias Leidensweg

      Danach besucht Rosentreters Trennung von seiner TraumfrauRosentreter Mia ein zweites Mal in der Haft – diesmal mit dem Vorsatz, ihre Verteidigung zu beenden (S. 228). Sie ahnt seinen Sinneswandel, spricht ihn darauf an und stimmt ihn um. Das höchste Methodengericht hat Rosentreters Klage abgewiesen und seinen Härtefallantrag endgültig abgelehnt, außerdem hat er sich von seiner Traumfrau getrennt. Mia bezeichnet nun Rosentreters Lage als schlimmer als ihre eigene, weil er mit seiner Partnerin zugleich den Grund für sein Aufbegehren gegen die METHODE verloren hat. Mia dagegen kann weiterhin an dem Gedanken festhalten, im Sinne ihres Bruders zu handeln. Zum Abschied reicht Rosentreter ihr eine Nadel, mit der sie Selbstmord begehen könnte.

      Mia wird gefoltert

      Als Kramer Mia zum zweiten Mal im Gefängnis gegenübersitzt, will sie ihm eine Stellungnahme zu seiner Fernsehrede diktieren, die er veröffentlichen soll. Er weigert sich und setzt ihr ein 24-Stunden-Ultimatum, ein von ihm formuliertes Geständnis zu unterschreiben. Mia lehnt ab und entscheidet sich für die Alternative: die Folter. Kramer erklärt ihr das Prozedere:

      »Man stellt Sie auf eine Kiste, nackt, versteht sich, und zieht Ihnen eine schwarze Kapuze über den Kopf. An Ihren Fingern, Zehen und primären Geschlechtsteilen werden Kontakte befestigt […]. Die Stromstärke wird stufenlos hochgefahren. Zwei gut ausgebildete Ärzte vom Universitätsklinikum sorgen dafür, dass Sie nicht … draufgehen.« (S. 235)

      Nach den Elektroschocks ist sie buchstäblich am Boden zerstört; Krämpfe schütteln sie (S. 237). Kramer kümmert sich um sie. Als sie wieder halbwegs bei Bewusstsein ist, kratzt sie sich mit der Nadel den Chip mit ihren gespeicherten Körperwerten aus ihrem Oberarm.

      Letzter Verhandlungstag

      Am letzten Verhandlungstag verzichtet Mias Verteidiger, Rosentreter, auf jede Verteidigung, um sich selbst zu schützen. Ihre Nachbarinnen und Kramer sagen gegen sie als Zeugen aus. Das Gericht verurteilt Mia Holl – vor großem Publikum – schnell zum Mias Verurteilung zum ScheintodScheintod durch Einfrieren. Gelassen liegt sie am Ende in der Kühltruhe, die – kaum geschlossen – wieder geöffnet wird, als Staatsanwalt Bell die Botschaft von der Begnadigung überbringt: »Der Präsident des Methodenrats […] entschließt sich auf Antrag der Verteidigung und nach Wunsch von höchster Stelle zu einer Begnadigung der Verurteilten.« (S. 263)

      Doch für Mia ist diese Begnadigung eine Niederlage, sie möchte getötet werden: »›Nein!‹, schreit Mia. ›Das könnt ihr nicht machen! Ihr müsst mich hierbehalten! Ihr schuldet mir das!‹« (S. 264) Aber Mia erhält am Ende, was man ihr bereits am Anfang angeboten hat: Keinen Märtyrertod, sondern eine Gehirnwäsche zur Wiedereingliederung in das System der METHODE: »Unterbringung in einer Resozialisierungsanstalt. Medizinische Überwachung. Alltagstraining.« (S. 264)

      3. Figuren

      Abb. 3: Figurenkonstellation

      Mia Holl

      Mia Holl hat ein historisches Vorbild: Maria Holl (1549–1634) wurde als Hexe in Nördlingen/Bayern angeklagt, gefoltert und freigesprochen.

      Die 34-jährige Biologin Mia Holl – helle Augen, große Nase, weicher Mund, ledig, kinderlos – wohnt mit »Idealbiographie« (S. 19) in einem Wächterhaus. Sie erforscht als Wissenschaftlerin Mikroben. Mia Systemkonforme Mia Hollakzeptiert zunächst die Diktatur, in der sie lebt. Sie agiert rational und wägt bei jedem Problem das Für und Wider ab. Auch die Körperfixierung des Staates ist für sie zwingend logisch:

      »›Die Naturwissenschaft‹, sagt Mia, ›hat die lange Ehe zwischen dem Menschen und dem Übermenschlichen geschieden. Die Seele, Spross dieser Verbindung, wurde zur Adoption freigegeben. Geblieben ist der Körper, den wir zum Zentrum aller Bemühungen machen. Der Körper ist uns Tempel und Altar, Götze und Opfer.‹« (S. 158)

      Im Wächterhaus meidet Mia den Kontakt zu ihren Nachbarinnen und lebt lieber Einzelgängerin Miazurückgezogen in ihrer Dachgeschosswohnung: »An manchen Tagen horcht sie ins Treppenhaus, ob alles still ist, bevor sie die Wohnung verlässt. Sie braucht Zeit und Raum für sich selbst und ihre Gedanken. Nach der Arbeit geht sie nach Hause statt zur Gemeinschaftsaktivität.« (S. 146)

      Als der wichtigste Mensch in ihrem Leben stirbt, ihr Bruder Moritz, verändert sie sich. Die eher durchschnittliche Frau trauert und versucht mitunter durch das TrauerarbeitSchreiben, den Suizid ihres Bruders Moritz zu verstehen: »Ich muss das aufschreiben. Ich muss ihn aufschreiben.« (S. 27) Ihr Lebenssinn besteht zunächst im Erinnern an den Verstorbenen: »Was wäre denn sonst meine Aufgabe in der Welt, wenn nicht, von ihm zu erzählen?« (S. 122) Zudem redet Mia mit ihrer imaginären Gesprächspartnerin, der idealen Geliebten. Dieses Phantasiewesen tröstet und provoziert sie, schließlich ist sie eine Stellvertreterin ihres Bruders, die den Auftrag hat, aus der Schwester eine gefühlsbetonte Frau zu machen, die sich obendrein gegen die METHODE wenden soll.

      In der Öffentlichkeit stößt ihr bewusster Rückzug ins Private auf Skepsis, die Behörden sind beunruhigt. Mia treibt eine Weile lang keinen Sport und vernachlässigt ihre Pflichtabgaben, d. h. Schlaf- und Ernährungsbericht, Blutdruckmessung und Urintest. Damit macht sie sich strafbar und wird zur Außenseiterin, was sich als fatal erweisen wird. Sie wird als Entwicklung zur FreiheitskämpferinStaatsfeindin aufgebaut: »Von Zeit zu Zeit braucht die Macht ein Exempel, um ihre Stärke unter Beweis zu stellen. Besonders, wenn im Inneren der Glaube wackelt. Außenseiter eignen sich, weil sie nicht wissen, was sie wollen.« (S. 144)

      Von den ersten Konsequenzen ihrer Straftaten unbeeindruckt, geht sie ihren eigenen Weg, um den Tod ihres Bruders zu verstehen. Vor Gericht entwickelt sich aus ihrem Bagatelldelikt eine Staatsangelegenheit. Von der »verbitterte[n], einsame[n] Rationalistin« (S. 114) entwickelt sie sich zu einer Freiheitskämpferin und Staatsfeindin – wie ihr Bruder es gewollt hätte.

      Mia Mia wird verurteiltwird »zum Einfrieren auf unbestimmte Zeit verurteilt« (S. 10). Kurz vor der Vollstreckung des Urteils wird sie aber begnadigt – so kann sie später nicht als Märtyrerin verehrt werden. Mia bittet aber um Vollstreckung: »Das könnt ihr nicht machen! Ihr müsst mich hierbehalten!« (S. 264) Sie soll nun einer Gehirnwäsche unterzogen werden: »Unterbringung in einer Resozialisierungsanstalt. Medizinische Überwachung. Alltagstraining.« (S. 264)

      Moritz Holl

      Als Sechsjähriger Krankheit als prägendes Erlebniserkrankt Moritz an Leukämie, aber der Staat rettet ihn: »Für Mia hat die METHODE ihre gute Seite bewiesen, weil sie den Bruder mithilfe riesiger Datenbanken und obligatorischer Spenden durch eine Knochenmarkstransplantation retten konnte.«3 Moritz aber verachtet die METHODE, weil sie seinem »Lebenshunger« im Weg steht, für ihn ist sie ein »Unterdrückungssystem« (S. 65).

      Krankheit, Heilung und die Erfahrung der »eigenen Sterblichkeit« (S. 95) prägen den Jungen früh, der sich schon mit zwölf Jahren für Philosophie interessiert und später dieses Fach studiert. Moritz ist »ein zugleich sanfter und hartnäckiger Mann, der von seinen Eltern ›Träumer‹, von Freunden ›Freidenker‹ und von seiner Schwester Mia meistens ›Spinner‹ genannt wurde« (S. 33). Mit ihr trifft sich der Lebenskünstler wöchentlich verbotenerweise in der Natur, im »Sperrgebiet« (S. 90), wo er gerne angelt und raucht. Sie sprechen über Gott und die Welt sowie über seine Frauengeschichten.

      In Moritz Holls »Immungruppe« gibt es viele Frauenheld und SuizidFrauen für ihn: »3,4 Millionen. Die Zentrale Partnerschaftsvermittlung ist die größte Puffmutter der Welt. Korrupte Hüterin am Tor des Paradieses.‹ […] ›Und wie heißt die nächste?‹ ›Kristine. Ein echtes Zaubermädchen.‹« (S. 61)

      Schließlich verabredet Moritz sich zu Blind Dates – und das letzte wird ihm zum Verhängnis. Bei der ersten Begegnung unter der Südbrücke findet Moritz die Leiche von Sibylle Meiler. Er ruft die Polizei, wird auf der Wache verhört und wieder nach Hause geschickt. Später kommt er wegen

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