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eher von Lobanowskyjs Dynamo Kiew oder Fabio Capellos AC Mailand inspiriert. Auf dem Platz jedoch, als ich an der Universität zwei Jahre lang für die Unimannschaft – oder zumindest für deren zweite und dritte Mannschaft – gegen den Ball trat, spielten wir hochgradigen Zweckfußball. Wir waren nicht besonders gut und holten aus dem verfügbaren Spielermaterial wahrscheinlich das Beste heraus. Ich vermute zwar, dass wir einen ästhetisch ansprechenderen Fußball hätten spielen können. Allerdings glaube ich nicht wirklich, dass dies während der bierseligen Titelfeierlichkeiten, die jedes Jahr stattfanden, irgendjemanden besonders störte.

      Man kann das Ganze aber auch nicht darauf reduzieren, dass die „richtige“ Spielweise diejenige ist, die die meisten Spiele gewinnt. Schließlich würde nur der Langweiligste aller Utilitaristen behaupten wollen, dass Erfolg lediglich in Punkten und Pokalen gemessen werden kann. Für Romantik muss ebenfalls Platz sein. Dieses Spannungsfeld zwischen dem, was die Brasilianer futebol d’arte und futebol de resultados, Fußballkunst und Ergebnisfußball, nennen, gehört zu den fußballerischen Konstanten überhaupt. Das liegt vielleicht daran, dass es eine nicht nur im Sport, sondern im Leben an sich grundsätzliche Frage berührt: Will man lieber gewinnen oder lieber schön spielen?

      

      Ruhm lässt sich nicht in Zahlen messen, und seine Voraussetzungen ändern sich mit den Umständen und dem Zeitgeist. In Großbritannien sind die Zuschauer von bedächtigem Spielaufbau schnell gelangweilt, während beispielsweise das Publikum zur Zeit von Fabio Capellos erstem Engagement bei Real Madrid buhte, wenn Fernando Hierro lange Pässe in den Lauf von Roberto Carlos schlug. Kaum mehr vorstellbar ist heute, dass Passspiel unter den frühen Amateurfußballern als unmännlich galt. Wer weiß, vielleicht erscheint den Briten eines Tages ihre heutige Abneigung gegen Schwalben als naiv – so wie dies in bestimmten Kulturen ja schon heute der Fall ist?

      Doch selbst wenn man einräumt, dass es beim Fußball um mehr als um das reine Gewinnen geht, wäre es albern, die Bedeutung des Sieges in Abrede zu stellen. Arsène Wenger kann manchmal unglaublich weltfremd sein. Wie seine zermürbende Taktik beim englischen FA-Pokalfinale 2005 jedoch zeigte, unterliegt auch er mitunter dem Zwang zum Ergebnisfußball. Und Alf Ramsey zu unterstellen, dass er den englischen Fußball ruiniert hätte, statt seinen taktischen Scharfsinn zu würdigen, wäre einfach Blödsinn, hat er England doch den einzigen internationalen Titel beschert.

      Dennoch sollte man nicht zu viel in die Leistungen, die bei großen internationalen Turnieren gezeigt werden, hineininterpretieren. Nur selten gibt es eine weltweit wirklich herausragende Mannschaft, und noch seltener wird diese dann auch noch Weltmeister – Spanien bildet da die große Ausnahme. Die Brasilianer räumten bei der WM 2002 ihre Gegner zwar geradezu beiläufig aus dem Weg. Angesichts ihres lethargischen Auftritts in der Qualifikation erscheint es aber fast, als wäre Brasiliens damalige Überlegenheit vor allem der Schwäche der anderen Mannschaften geschuldet, die unter Verletzungspech, Erschöpfung und mangelnder Disziplin litten und vor der Hitze kapitulierten. Frankreich stellte zwar bei der WM 1998 die vermutlich beste Mannschaft, doch lieferte es dafür eigentlich nur im Finale den Beweis. Zwei Jahre später schickte es dann bei der EM 2000 die mit Abstand beste Mannschaft ins Rennen, und dennoch hätte Frankreich im Finale fast gegen Italien verloren.

      Im Gegensatz dazu verloren zwei der besten Mannschaften aller Zeiten, die Ungarn von 1954 und die Niederländer von 1974, ihre Endspiele tatsächlich – beide gegen die Bundesrepublik Deutschland, was Zufall sein mag oder auch nicht. Ein drittes Team, die Brasilianer von 1982, kam noch nicht einmal bis dorthin. Abgesehen von 1966, lieferte England seine beste Leistung bei der WM 1990 ab. Es war ein Turnier, das man wegen Gazzas Tränen und Englands Aus im Elfmeterschießen in guter Erinnerung hat – Bilder, die einem bald auf die Nerven gehen sollten, damals jedoch den Eindruck tragischen Scheiterns hinterließen und den Boom der 1990er Jahre mit auslösten.

      Darüber war dann auch schnell vergessen, dass Englands Vorbereitung auf das Turnier einem Alptraum geglichen hatte: Man war mit Ach und Krach durch die Qualifikation gestolpert, Trainer Bobby Robson wurde von der Presse beinahe täglich an den Pranger gestellt, und nachdem Kontakte zwischen einigen Spielern und einem einheimischen PR-Agenten bekannt geworden waren, verbannte man überdies die Medien aus dem Trainingslager. All das wurde noch von den Problemen mit Hooligans überschattet. Gegen Irland und Ägypten spielten die Engländer grausam, gegen Belgien und Kamerun hatten sie Glück. Nur gegen die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland spielten sie gut, konnten aber beide Spiele nicht gewinnen. Tatsächlich wurde nur das Spiel gegen Ägypten in der regulären Spielzeit gewonnen.

      Im Verlauf einer Saison gleichen sich Glück, Verletzungen und Fehler von Spielern und Schiedsrichtern stets aus – zwar nicht absolut, aber doch eher als bei sieben Spielen während eines Sommers. Es mag ärgerlich sein, dass England seit über 50 Jahren keinen Titel mehr gewonnen hat. Die Verantwortung dafür mag auch zu einem gewissen Grad den Trainern, Spielern, Unparteiischen und Gegnern zugeschoben werden. Dennoch kommt dies keinem tiefgreifenden Niedergang gleich. Es ist möglich, dass es grundlegende Schwächen in der englischen Spielweise gibt, und eine gewisse Fortschrittsfeindlichkeit hat da bestimmt nicht weitergeholfen. Dennoch wäre es höchst zweifelhaft, lediglich auf Basis des Abschneidens bei den großen Turnieren ernsthaft eine Totalsanierung des englischen Fußballs zu fordern.

      Wenngleich die Globalisierung nationale Stile immer mehr verwischt, sind sie doch aufgrund der jeweiligen Tradition eines Landes, wie sie von Trainern, Spielern, Experten und Fans aufrechterhalten wird, noch immer unterscheidbar. Beim Schreiben dieses Buches fiel auf, dass jede Nation sich zwar durchaus ihrer eigenen Stärken bewusst ist, aber auch, dass keine dieser Nationen ihnen wirklich zu trauen scheint. Im brasilianischen Fußball geht es vor allem um Gespür und Improvisation, dennoch schaut man dort sehnsüchtig auf die Defensivorganisation der Italiener. Italienischer Fußball wiederum ist Anti-Fußball und lebt von taktischer Intelligenz, gleichzeitig bewundert und fürchtet man aber den körperlichen Einsatz der Engländer. Beim englischen Fußball spielen Zähigkeit und Kampfkraft eine große Rolle, trotzdem glaubt man, die technischen Fähigkeiten der Brasilianer imitieren zu müssen.

      Die Geschichte der Fußballtaktik scheint die Geschichte zweier miteinander verbundener Spannungsfelder zu sein, nämlich Ästhetik vs. Ergebnisse auf der einen und Technik vs. Physis auf der anderen Seite. Verwirrend ist dabei, dass diejenigen, die in einer von Technik geprägten Kultur aufgewachsen sind, tendenziell eher einen körperbetonten Ansatz als zielführend ansehen, während die Mitglieder einer körperbetonten Kultur die Technik für erfolgversprechender halten.

      Schönheit liegt dabei vor allem im Auge des Betrachters. Es mag sein, dass die britischen Fans ein ausgeklügeltes Duell wie im Champions-League-Finale 2003 zwischen dem AC Mailand und Juventus Turin bewundern – obwohl es den meisten offenbar nicht so ging. Eigentlich aber wollen sie lieber den Hau-drauf-Fußball der Premier League sehen. Natürlich stimmt das so nicht ganz, da der Fußball in der Premier League mittlerweile viel raffinierter ist als noch vor zehn Jahren. Er ist jedoch nach wie vor schneller und weniger von Ballbesitz geprägt als in jeder anderen großen Liga. Den Summen für die Fernsehübertragungsrechte im Ausland nach zu urteilen, glaubt auch der Rest der Welt, dass man in der Premier League die perfekte Mischung gefunden hat.

      Mitte der 1950er Jahre erschienen zahlreiche Bücher, die sich mit Englands sinkendem Stern befassten. Das Buch von Glanville war wahrscheinlich das wütendste, genauso tief blicken lässt indessen auch Soccer Revolution von Willy Meisl, dem jüngeren Bruder des großen österreichischen Trainers Hugo Meisl. Geschrieben aus einer Liebe zu England, wie sie wohl nur Einwanderer entwickeln können, ähnelt sein Buch eher einem Klagelied. Für beide war es nur folgerichtig, den ungerührten Konservatismus der englischen Spielweise dafür verantwortlich zu machen. Im Nachhinein kann man dieses Urteil im Kontext einer allgemeinen Kritik an den gesellschaftlichen Eliten sehen, die zwar den Untergang des Empire abgewickelt, ihre neue Rolle jedoch noch nicht gefunden hatten. Selbstverständlich war Englands Engstirnigkeit ursächlich für den Verlust der Überlegenheit im Fußball. Allerdings wäre man auch sonst wohl irgendwann vom Rest der Welt eingeholt worden. Wie Glanville resigniert bemerkte, haben Schüler nun einmal die Angewohnheit, irgendwann besser zu sein als ihre Meister. In diesem Fall jedoch war der Meister aufgrund seiner Arroganz und Borniertheit an seinem eigenen Untergang nicht unschuldig.

      All

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