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eroberte, infolge des Neides, den seine Tüchtigkeit erweckte, und der Unverschämtheit der Volkstribunen in den Anklagestand versetzt und ihn den Undank des Staates, den er befreit hatte, in einem Maße fühlen lassen, daß er, da ihm die Verbannung sicher bevorstand, freiwillig ins Exil ging und dann noch in seiner Abwesenheit zu einer Geldstrafe von 10.000 Aß verurteilt wurde, er, der bald darauf abermals sein undankbares Vaterland, diesmal vor den Galliern, retten sollte[101] . Schon genug! Ich habe keine Lust, die vielen abscheulichen und ungerechten Machenschaften aufzuzählen, durch die der römische Staat beunruhigt wurde, als die Mächtigen das Volk sich zu unterwerfen suchten und dieses sich wider die Unterwerfung sträubte und die Vertreter beider Teile mehr die Parteiinteressen aus Rechthaberei verfochten, als sich dabei von irgend welchen Rücksichten auf Billigkeit und Sittlichkeit leiten ließen.

      

       18. Sallusts Ausführungen über die gegenteilige Beeinflussung der Sitten der Römer durch Furcht und durch Sicherheit.

      

      Ich will daher zurückhalten und lieber Sallust als Zeugen aufrufen. Kaum hat er zum Ruhme seines Volkes den Ausspruch getan, an den diese Erörterung anknüpfte, nämlich: „Der Sinn für Recht und Sittlichkeit war bei ihnen von Natur aus ebenso stark wie infolge von Gesetzen“, voll des Lobes über die Zeit, da der Staat nach Vertreibung der Könige binnen kurzer Frist mächtig anwuchs, so vernimmt man von ihm im ersten Buch seines Geschichtswerkes, und zwar gleich am Anfang das Eingeständnis, daß es auch damals als die Regierungsgewalt von den Königen an die Konsuln überging, schon sehr bald zu Ungerechtigkeiten der Mächtigeren und in deren Gefolge zur Lostrennung der Plebejer von den Patriziern und zu anderen Mißhelligkeiten unter der Bürgerschaft gekommen sei. Nachdem er nämlich erwähnt hat, daß im römischen Volk zwischen dem zweiten und dem letzten punischen Krieg der beste sittliche Zustand und die größte Eintracht geherrscht habe, wie er sagt, nicht aus Liebe zur Gerechtigkeit, sondern aus Furcht wegen der fortwährenden Gefährdung des Friedens, solang Karthago stand [in demselben Sinne wollte ja auch Nasica[102] zur Abwehr der Sittenlosigkeit und zur Erhaltung jenes vortrefflichen Sittenzustandes, bei dem durch Furcht die Laster in Schranken gehalten wurden, von der Zerstörung Karthagos nichts wissen], fährt er unmittelbar darauf fort mit den Worten[103] : „Allein Zwietracht, Habsucht, Gunstbuhlerei und die sonstigen Übelstände, die im Wohlergehen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entstehen, haben nach dem Untergang Karthagos mächtig Überhand genommen“; er gibt uns damit zu verstehen, daß solche Übelstände auch vorher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entstanden und Überhand nahmen. Deshalb fügt er zur Begründung dieser Worte bei: „Denn zu Unbilden der Mächtigeren und in deren Gefolge zur Trennung der Plebejer von den Patriziern und zu anderen Mißhelligkeiten unter den Bürgern kam es schon von Anfang an und nur nach Vertreibung der Könige, so lange, bis die Furcht vor Tarquinius und der gefährliche Krieg mit Etrurien ein Ende nahm, herrschte Recht und Billigkeit“. Er gibt also offenbar selbst für diese kurze Zeit, in der nach Verbannung das heißt Verjagung der Könige Recht und Billigkeit herrschte, die Furcht als Grund dieser Erscheinung an; die Furcht bezog sich auf den Krieg, den König Tarquinius, von Reich und Stadt vertrieben, im Bunde mit den Etruskern wider die Römer führte[104] . Nun beachte man, was er gleich daranschließt: „Hernach plagten die Patrizier das Volk durch herrisches Wesen, verfügten über Leib und Leben geradeso wie die Könige, vertrieben die Leute von ihrer Scholle und führten allein unter Ausschluß der übrigen das Regiment. Da sich das Volk durch diese Grausamkeiten und vorab durch Wucher schwer bedrückt fühlte, während es doch bei den beständigen Kriegen die Last der Steuern und. des Kriegsdienstes mitzutragen hatte, griff es zu den Waffen und besetzte den heiligen Berg und den Aventin; damals erwarb es sich den Volkstribunat und andere Rechte. Erst der zweite punische Krieg setzte den Zwistigkeiten und dem Kampfe ein Ziel.“ Man sieht daraus, in welcher Verfassung sich schon von diesem Zeitpunkte ab, nämlich kurz nach Vertreibung der Könige, die Römer befanden, von denen er sagt: „Der Sinn für Recht und Sittlichkeit war bei ihnen ebenso stark von Natur aus als infolge von Gesetzen“,

       Wenn sich nun aber schon diese Zeiten, in denen es um den römischen Staat gar herrlich und gut stand nach seinen Lobrednern, in solchem Lichte zeigen, wie haben wir dann wohl über den folgenden Zeitabschnitt zu urteilen, da „sich allmählich“, um mich der Worte desselben Geschichtsschreibers[105] zu bedienen, „der Wandel vom herrlichsten und besten Staate zum schlechtesten und sittenlosesten vollzog“, nämlich nach der Zerstörung Karthagos, wie er erwähnt hat? Sallust schildert diese Zeiten in knapper Übersicht in seinem Geschichtswerk; dort kann man auch seinen Nachweis lesen, welch schrecklicher Sittenverfall einriß infolge des Wohlergehens und wie er schließlich zu Bürgerkriegen führte. „Seit dieser Zeit“, sagt er[106] , „ging es mit den Sitten der Vorfahren nicht allmählich, wie vorher, sondern in jähem Sturze wie bei einem Gießbach abwärts; der junge Nachwuchs sank durch Ausschweifung und Habsucht so tief, daß man von ihm mit Recht sagen konnte, er sei nur dazu geboren, um weder selbst ein Vermögen besitzen noch ein solches andern in Ruhe lassen zu können.“ Danach erzählt Sallust allerlei von den Lastern des Sulla und den sonstigen schrecklichen Zuständen im Staate, und andere Schriftsteller sagen das gleiche, wenn auch nicht in gleicher sprachlicher Meisterschaft.

       Du siehst daraus jedoch, wie ich glaube, und jeder, der die Augen aufmacht, erkennt ohne Mühe und vollkommen klar, in welchen Sumpf der gräulichsten Sittenlosigkeit jener Staat vor der Ankunft unseres himmlischen Königs versunken war. Denn das hat sich zugetragen, nicht allein bevor Christus, im Fleische unter uns weilend, sein Lehramt aufnahm, sondern schon bevor er von der Jungfrau geboren ward. Da nun unsere Gegner die entsetzlichen Übelstände von damals, die früher noch einigermaßen erträglich waren, nach der Zerstörung Karthagos aber unerträglich und schauderhaft wurden, ihren Göttern nicht beizumessen wagen, die doch den Seelen der Menschen jene Meinungen, aus denen solche Laster emporwuchern konnten, mit böswilliger Schlauheit einimpften, warum messen sie das Unheil der Gegenwart unserm Christus bei, der mit heilsamster Lehre auf der einen Seite die Verehrung der falschen und trügerischen Götter verbietet, auf der andern Seite die verderblichen und schandbaren Begierden der Menschen mit der Kraft göttlicher Autorität verpönt und verdammt und der an diesen Übeln krankenden und dahinsiechenden Welt allenthalben die Seinigen nach und nach entzieht, um mit ihnen einen ewigen Staat zu gründen, der überaus glorreich ist nach dem Richtspruch der Wahrheit, nicht nach dem billigen Beifall der Torheit.

      

       19. Die Sittenverderbnis im römischen Staate, ehe Christus mit den Göttern aufräumte.

      

      Siehst du, der römische Staat [nicht erst ich sage das, sondern ihre Schriftsteller, aus denen wir es um Geld erlernt haben, sprachen es schon so lange vor der Ankunft Christi aus] „hat sich allmählich geändert und wurde aus dem herrlichsten und besten zum schlechtesten und sittenlosesten“. Siehst du, wie vor der Ankunft Christi, nach der Zerstörung Karthagos, „es mit den Sitten der Vorfahren nicht allmählich, wie vorher, sondern in jähem Sturze wie bei einem Gießbach abwärts ging; so sehr sank die Jugend durch Ausschweifung und Habsucht“. Man verlese uns doch die Gebote wider Ausschweifung und Habsucht, die die Götter dem römischen Volke gaben; ja hätten sie ihm wenigstens von Keuschheit und Bescheidenheit bloß geschwiegen und nicht sogar Unzucht und Schändlichkeiten von ihm verlangt und diesen Dingen unter dem Scheine, als stehe die Gottheit dahinter, ein verhängnisvolles Ansehen verschafft! Dagegen lese man unsere Schriften, wie sie in Propheten und Evangelium, in der Apostelgeschichte und in den Briefen soviele Mahnungen wider Habsucht und Ausschweifung allenthalben den zur Anhörung versammelten Scharen so herrlich, so göttlich — nicht wie aus den Disputationen der Philosophen, entgegengellen, sondern — wie aus Orakeln und aus Wolken des Himmels entgegendonnern. Und gleichwohl schreiben die Gegner es nicht ihren Göttern zu, daß der Staat durch Ausschweifung und Habsucht und durch häßliche und schandbare Sitten „zum schlechtesten und sittenlosesten wurde“; wohl aber klagen sie ob seiner Heimsuchung, unter der zur Zeit irgendwie ihr Hochmut und ihre Genußsucht gelitten hat, mit vorwurfsvollen Mienen die christliche Religion an. Und doch, würden „die Könige der Erde und alle Völker, die Vornehmen

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