Скачать книгу

Hübsches natürlich“, seufzte Freddy. „Aber auch elegant, du bist ja keine Vierzehnjährige, die durch ihre Bikinifotos erst noch Selbstbewusstsein sammeln muss. Trotzdem muss das Bild auch Natürlichkeit ausstrahlen, sonst traut sich am Ende keiner ran. Hast du nicht was mit Busen?“

      Nein, das hatte ich nicht. Habe ich schon erzählt, dass meine Figur eher birnenförmig ist? Diese Birne steht richtig herum. Das dicke Stück ist unten. Nicht so wie bei Freddy, deren dickes Stück sich eher oben herum befindet. Oder besser: Die dicken Stücke. Mit ihren – pardon – Riesenmöpsen, die sie immer so aussehen ließen, als würde sie beim Laufen gleich nach vorne umfallen, hatte sie in der Östrogenlotterie das Riesenlos gezogen. Musste ich neidlos anerkennen.

      Sie selbst sah das natürlich anders und behauptete im Gegenzug sogar, sie würde mich beneiden. Weil man von A-Körbchen keine Rückenschmerzen bekäme und von den Männern zuerst einmal als Mensch und nicht ausschließlich als Wichsvorlage betrachtet würde.

      Aber genau das ist der springende Punkt. Oft hat es doch nur Vorteile, von Männern als Wichsvorlage gesehen zu werden. Jedenfalls so lange man nicht dringend eine ernsthafte Karriere in Wissenschaft und Forschung, einer Konzernleitung oder der Bundeswehr plant.

      Freddy muss nie irgendwo anstehen oder einen Tisch reservieren. Meistens muss sie noch nicht einmal Eintritt zahlen. Selbst in die überfüllteste Promi-Loge des Oktoberfestes wurde sie schon hinein gewinkt, nachdem der Türsteher in ihrem Ausschnitt beinahe das Bewusstsein verloren hatte. Im Dirndl sah Freddys Anatomie noch einmal mindestens doppelt so beeindruckend aus. Davon profitierte ich wie bislang von Max auch. An ihrer Seite kam ich einfach überall hinein. Nicht etwa, weil die Veranstalter, Kassenkräfte oder Securitykerle gern zwei scharfe Hasen statt nur einen rein ließen – sondern weil mich neben den Brüsten des Universums einfach keiner bemerkte. Ich war da mehr so die Fliege, die halt auch noch so um den Rieseneisbecher herumschwirrt. Nicht eben gut fürs weibliche Selbstbewusstsein. Wenn ich mit Freddy nicht schon befreundet gewesen wäre, bevor wir sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickelten, wäre das mit uns wohl eher nichts geworden.

      Also kurz und gut – ich hatte nichts mit Brüsten. Wir entschieden uns für das Bild, mit dem ich mich vor über sechs Jahren bei der orthopädischen Klinik beworben hatte. Das konnte so falsch nicht sein, mit der Bewerbung damals hatte es ja auch geklappt. Es zeigte mich professionell geschminkt und ausgeleuchtet vor hellblaugrauem Hintergrund, mit hochgestecktem Haar und gewinnendem Lächeln. Ich trug kleine Perlenohrstecker und eine weiße Bluse mit grünen Nadelstreifen. Die Frau auf dem Foto hatte vielleicht nicht allzu viel mit der realen Alltags-Icki zu tun, dafür wirkte sie aber so, als könnte sie jederzeit gut gelaunt aus dem Bild springen und energisch einen Rollstuhl zusammen klappen. Frisch und zupackend sah ich aus. Das sollte doch der ein oder andere Kerl auch anregend finden.

      Der Name kostete mich wieder längeres Nachdenken. Cool oder lustig, mysteriös oder einfach nur möglichst Aufsehen erregend? Ein Zitat aus einem Lieblingslied oder vielleicht den Rollennamen einer Hitchcock-Blondine? Das einzige, was ich garantiert nicht wollte, war mein realer Name. Fräulein „Angélique Krüger“ hatte mit dieser ganzen Dating-Geschichte nichts am Hut, die sollte ihre ziemlich jungfräulich weiße Weste bewahren dürfen. Freddy konnte mir in dieser Hinsicht nicht gerade mit leuchtendem Beispiel vorangehen – sie hieß bei luvjah seit Jahr und Tag schlicht und ergreifend Freddy.

      „Nenn dich doch einfach Ficki“, empfahl Freddy. „Oder gleich Ficki69.“

      Ich war selbstredend sehr empört. „He! Was soll man sich denn da denken?“

      „Na ja, im besten Fall finden die Kerle das super selbstironisch und sind erleichtert, dass sie nicht lange um den heißen Brei herumreden müssen.“

      „Und im schlechtesten Fall?“

      „Nehmen sie es ernst und packen gleich ihren Schniedelwutz aus. Dann weißt du aber wenigstens sofort, woran du bist.“

      Wir klickten uns zu Inspirationszwecken durch fremde Profile und stießen auf ein paar Regelmäßigkeiten. Erstens: Englisch fanden die meisten ziemlich gut, auch die, die es noch weniger konnten als ich. Zweitens: Zahlen gingen auch immer, ob als Geburtsjahrgang, satanische Anspielung, Körpermaße oder Liebesstellung. Davon wollte ich mir ein Scheibchen abschneiden, und glücklicherweise kam mir ein passender Geistesblitz.

      Einen Teil von Freddys Namensvorschlag beherzigte ich letztendlich doch. Ab sofort beglückte ich die unendlichen Weiten des Internets als

       TheHamsterette69.

      Das viele Herumdoktern an meinem neuen luvjah-Profil hatte so viel Akku gekostet, dass sich Schorschi nach dem Hochladen des Bewerbungsbildes in den Dämmerschlaf verabschiedete. Ich steckte ihn zuhause in die Aufladestation und hatte es am nächsten Morgen vor Arbeitsbeginn so eilig, dass ich ihn dort vergaß.

      Als ich von der Schicht nach Hause kam, spielte ich eine Weile mit meinem Hamster. Er absolvierte zuerst einen Halbmarathon in den Ärmeln meines Wohlfühl-Sweaters, dann knabberte er an meinem Fingernagel wie an einem riesigen Keks, den er mit seinen winzigen rosa Pfötchen kaum festhalten konnte. Er schaffte es, ein winziges Stück Klarlack abzusplittern. Natürlich schmeckte ihm der nicht besonders. Sein flauschiges weißes Fell sträubte sich vor Ärger, und seinen runden Knopfaugen war anzusehen, wie wenig Verständnis er für so eine Verarsche übrig hatte. So ein dummes, süßes Tier! Doof wie Brot, aber unwiderstehlich niedlich. Ich ging in die Küche, um ihm eine Karotte zu schälen.

      Ich hatte den Hamster noch in der Kapuze meines Sweaters sitzen, als mein Blick beim Karottenschälen auf den vergessenen Schorschi fiel. Ganz unschuldig steckte er da in seinem Ladegerät. Das Lämpchen blinkte unternehmungslustig. Ob inzwischen wohl schon eine Nachricht eingegangen war? Höchste Zeit nachzusehen! Ich brauchte eine Weile, bis ich das Ding wieder angeschaltet und die richtige PIN-Nummer eingegeben hatte. Dann kam der Schock: Nach Aufrufen der luvjah-Seite ergoss sich eine Kaskade an Kussgeräuschen über mich. Ein Kuss für jede eingegangene Nachricht. Nicht nur der ein oder andere Kerl fand zupackend-energische Frauen mit Perlenohrringen anregend – sondern genau einundvierzig. Einundvierzig! Ich ließ mich auf einen Küchenstuhl sinken, wobei ich fast den Hamster zerquetschte.

      Irre. Gleich die erste Nachricht bestand aus nichts anderem als der Zeile Ich mach’s dir, Herrin und einem Schwanzfoto. Einem ziemlich beeindruckenden Schwanz, aber schlecht ausgeleuchtet. Steif und rot wie eine Säufernase. Zur besseren Darstellung der Größenverhältnisse hatte der Besitzer eine leere Beck’s-Flasche daneben gehalten. Der Schwanz verdeckte aber geschickt das Etikett, so dass man nicht erkennen konnte, ob es eine 0,33- oder 0,5-Liter-Flasche sein sollte. Perfide! Danke, ich mag kein Pils, schrieb ich mit spitzen Fingern zurück.

      Ich las die nächsten zehn Mails und hörte bald auf, sie zu beantworten. Manchmal gab es mehr, manchmal weniger Text, aber die Grundaussage blieb immer gleich: Ich sollte irgendwelche Unterwerfungsfantasien befriedigen. Bist du die dominante Dame, die ich suche? oder Gerne würde ich Ihnen dienen… Das waren noch die Harmlosen. Die meisten schrieben eher so etwas wie Stopfen Sie mein Loch, ich möchte Ihren köstlichen Blasensaft kosten und Ihre strenge Hand spüren. Bei immerhin sieben von einundvierzig Nachrichten waren explizite Bilder angehängt. Fünf mit Schwänzen in verschiedenen Zuständen und sogar zwei Ganzkörperaufnahmen von knieenden Männern, einer gefesselt, geknebelt und mit verbundenen Augen, der andere im schwarzen Gummianzug, der nur seinen Schritt freiließ.

      Ich wusste nicht, ob ich schockiert oder amüsiert sein sollte. Dann trank ich den letzten verbliebenen Schluck Geburtstagsprosecco und entschied mich für Letzteres. Es stimmte also tatsächlich, die Leute kauften sich Smartphones, um sich gegenseitig Schwanzfotos zu schicken! Aber ich wollte ja keinen Sklaven, und wenn er noch so gut bestückt war. Die Idee mit dem energischen Bewerbungsfoto musste dringend überdacht werden. Soo zupackend war ich schließlich auch wieder nicht.

      Ein Gedanke stieg in mir auf. Wozu hatte mein neues Telefon eine eingebaute Kamera? Ich schnappte mir das Ding und knipste ein paar Mal mein Haustier, wie es auf mir herumkrabbelte. Einen Schnappschuss

Скачать книгу