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erlangte dieser nun schmerzhafte Bekanntheit. Nach dem Spiel platzte ein NKWD-General in den Umkleideraum und forderte, dass „dieser Idiot gefälligst aus der Mannschaft entfernt wird“.

      Dynamos Trainer beachteten den Mann nicht weiter, doch wirkte ihr Vertrauen in Jaschins Fähigkeiten irgendwie fehl am Platze, wenn man sich seinen dritten Einsatz noch im selben Herbst auswärts bei Dynamo Tiflis ansieht. Dynamo Moskau gewann zwar mit 5:4, Jaschin aber hatte bei seinem zehnminütigen Kurzeinsatz vier Bälle passieren lassen. Seine Karriere schien damit beendet. Einen weiteren Einsatz in der Saison bekam er nicht, ebenso wenig in der nächsten und übernächsten. Doch Jaschin übte sich in Geduld, trainierte beharrlich weiter und bereitete sich nach bestem Gewissen darauf vor, eine eventuelle vierte Chance auf jeden Fall zu nutzen. „Hätte ich ihnen in dieser Phase meinen Abschied angekündigt, glaube ich kaum, dass sie viel Zeit darauf verwendet hätten, mich vom Gegenteil zu überzeugen“, sagte er. „Aber ich konnte mir ein Leben ohne Fußball nicht vorstellen. Ich habe weiter hart gearbeitet, und zu meiner Überraschung haben sie mich nicht abgesägt.“

      Jaschin half dabei auch, dass er sich in der Eishockeyabteilung des Vereins als patenter Schlussmann zeigte. Dort stellte er hervorragende Reflexe unter Beweis und entwickelte sein Stellungsspiel weiter. Er war Teil der Dynamo-Mannschaft, die 1953 den sowjetischen Pokal holte, und wurde 1954 für das WM-Team der UdSSR nominiert. Diese Einladung schlug Jaschin jedoch aus. Seiner Meinung nach konnte man unmöglich zwei Sportarten gleichzeitig auf höchstem Niveau betreiben.

      Chomitsch, mittlerweile vermutlich zu alt, verließ 1953 den Verein und ging zunächst zu Spartak Minsk. Danach betätigte er sich als Sportfotograf und fuhr mit zu den Weltmeisterschaften 1970, 1974 und 1978. Auf einmal bekam Jaschin eine neue Chance. Dieses Mal nutzte er sie. Er absolvierte im Laufe der Saison 13 Ligaspiele und verhalf Dynamo zum Pokalsieg, auch wenn er im Finale wegen einer Verletzung in der zweiten Halbzeit nicht bis zum Ende auf dem Platz stand. Vor die Wahl zwischen Fußball und Eishockey gestellt, entschied er sich für den Fußball. Wäre Chomitsch noch ein Jahr länger geblieben, hätte die Entscheidung allerdings auch gut andersrum ausfallen können.

      Obwohl auch Chomitsch immerhin zwei Meisterschaften gewonnen hatte, fielen die goldenen Jahre von Dynamo in Jaschins erste glorreiche Phase. Zwischen 1954 und 1959 holte man viermal den sowjetischen Titel und wurde zweimal Vizemeister. Trotzdem blieb Jaschin zunächst noch umstritten. Auch wenn er später zu einem Musterbeispiel von Redlichkeit werden sollte, flog er im sowjetischen Pokalfinale 1955 nach einem Faustschlag gegen ZSKA-Stürmer Wladimir Agapow noch vom Platz. Jaschins Temperament köchelte jederzeit dicht unter der Oberfläche. Dynamo verlor mit 1:2, und für viele war Jaschin der Schuldige. Die Vereinszeitung von Dynamo druckte einen Cartoon, der den Torwart mit Boxhandschuhen zeigte, und untertitelte diesen mit: „Der Pokal hätte ganz sicher uns gehört … wäre Genosse Jaschin nicht gewesen.“

      Dennoch war Jaschin da bereits ein großer Star, der 1954 zu seinem ersten Länderspiel berufen worden war. Die Nationalmannschaft hatte damals zwei Jahre lang gar nicht gespielt. Nach einer politisch peinlichen Niederlage gegen Jugoslawien bei den Olympischen Spielen 1952 war das Team aufgelöst worden. Eine Niederlage im ersten Spiel nach der Reform durfte es also nicht geben, obwohl der Gegner Schweden hieß, 1950 immerhin WM-Dritter. Doch die UdSSR zeigte eine ihrer besten Vorstellungen überhaupt und fuhr einen lockeren 7:0-Sieg ein.

      Zum Jahresende war Jaschin die unumstrittene Nummer eins der UdSSR, und zwei Jahre später erlangte er auch weltweit Ruhm. Bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne präsentierte er sich in bestechender Form, ließ nur zwei Tore in vier Partien zu und wurde im Finale gegen Jugoslawien zum Matchwinner. Als die sowjetische Mannschaft die lange Zugreise zurück nach Moskau antrat, nachdem das Schiff in Wladiwostok festgemacht hatte, strömten überall die Fans zusammen, um Jaschin zu sehen. Die Partei verlieh ihm den Orden des Roten Banners der Arbeit, und im weiteren Verlauf des Jahres wurde er Fünfter bei der von France Football veranstalteten Wahl zu „Europas Fußballer des Jahres“.

      Bei der WM 1958 hinterließ Jaschin kaum weniger Eindruck, und 1960 sollte noch ein Titel hinzukommen, als die UdSSR die erste EM überhaupt gewann, die damals noch „Europapokal der Länder“ hieß. Der Bericht in France Football pries Jaschins „außerordentliche Präzision“ beim Halbfinalsieg gegen die Tschechoslowakei, während der Erfolg im Endspiel gegen Jugoslawien „dem Feuer Jaschins und dem Kopf Ponedelniks“ zu verdanken gewesen sei. Jaschin hätte „bewiesen, dass er auf jeden Fall der beste Torwart der Welt ist“.

      LÉquipe war ähnlich beeindruckt und lenkte besondere Aufmerksamkeit auf Jaschins „Klasse und Umsicht“ bei der Abwehr zweier Chancen durch Bora Kostić. Er sei nicht nur Meister seines Strafraumes, sondern bewies ebenso hervorragende Reflexe auf der Linie. Nur seine Ausflüge aus dem Tor hielt man für bedenklich. „Gleichwohl kam ihn seine Verwegenheit beinahe teuer zu stehen“, hieß es im Bericht. Es folgte eine detaillierte Schilderung, wie Jaschin in der zweiten Halbzeit von Dragoslav Šekularacs Heber fast kalt erwischt worden wäre und schnell den Rückzug antreten musste, um den Ball noch aus der Gefahrenzone zu bekommen. „Seine Abwehraktionen“, hielt eine Analyse von sowjetischer Seite fest, „waren sensationell.“

      

      Der einzige Wermutstropfen war, dass seine berühmte Mütze beim Platzsturm nach dem Abpfiff geklaut wurde. „Tausende von Leuten rannten auf den Platz“, sagte Walentina. „Damals gab es noch keine so guten Sicherheitsvorkehrungen wie heute. In dem Chaos nahm ein Fan die Mütze von Lews Kopf und lief weg. Die Menge war so riesig, dass man ihn unmöglich finden konnte. Lew hat gesagt, dass er sich umgeschaut habe, aber niemanden mit der Mütze sehen konnte. Die Zeitungen haben später geschrieben, dass die französische Polizei die Mütze nach dem Spiel gefunden und Lew zurückgegeben hätte, aber das ist gelogen. Sie war für immer verschwunden.“

      Später sollte Jaschin als einziger Fußballer überhaupt den Leninorden erhalten, die höchste Auszeichnung der Sowjetunion. Doch Jaschin war nicht einfach nur erfolgreich, sondern gehörte auch zu einer kleinen Gruppe von Spitzentorhütern, die mithalfen, die Rolle des Schlussmannes neu zu interpretieren. Sie erkannten, wie wichtig die Beherrschung des Sechzehners und des angrenzenden Raumes war. So verließ Jaschin regelmäßig für Befreiungsschläge seinen Strafraum, und sein mutiger Körpereinsatz und seine Kopfballstärke waren legendär. Inspiriert habe ihn, so sagte er, Apostol Sokolow, Torwart der Bulgaren bei einer Tour durch die UdSSR im Jahr 1952. „Dieser blonde Teufel spielte weit vorne und stellte jeden Stürmer, der es hinter die Verteidigung schaffte“, erklärte Jaschin. „Das war mir völlig neu, aber ich bin seinem Beispiel gefolgt.“ Was bei seinen ersten beiden Spielen noch als unbesonnenes Herausstürmen betrachtet wurde, wurde nun als vorausschauende Spielweise anerkannt. Mit wachsendem Selbstbewusstsein und steigender Autorität begann Jaschin zudem, seine Abwehr so zu dirigieren, wie man es von heutigen Torhütern kennt, damals aber unüblich war.

      In jeder Karriere, wie ruhmreich sie auch sein mag, gibt es dunkle Momente. Torhüter sind sicherlich besonders anfällig für Selbstvertrauenskrisen. Jaschins schwierigste Phase kam während der WM 1962. Zunächst hielt er seinen Kasten sauber, als die UdSSR in ihrer ersten Partie Jugoslawien mit 2:0 schlug. Auch im zweiten Spiel führten die Sowjets bereits 4:1 gegen Kolumbien, da traf Marcos Coll nach 68 Minuten direkt per Eckstoß, wobei Verteidiger Giwi Tschocheli den Ball beinahe selbst über die Linie gelenkt hätte. Er erklärte das damit, dass er Jaschins Ruf „Igraju!“ („Ich spiele!“) falsch verstanden habe. Das konnte den Torhüter allerdings kaum beruhigen, der ihm kräftig mit der Hand auf das Hinterteil schlug. Fortan waren die Sowjets verunsichert. Die Kolumbianer kamen wieder zurück ins Spiel, schossen noch zwei weitere Tore und erzwangen das nicht mehr für möglich gehaltene Unentschieden.

      Jaschin litt auch daran, dass er seine Mitspieler nicht gern kritisierte. „Er hasste Getratsche, gab nie jemandem die Schuld oder sagte gehässige Dinge und war auch sonst zurückhaltend“, sagte Walentina. „Manchmal fragte ich ihn: ‚Warum spielt dieser Spieler alle Pässe zum Gegner?’ Dann machte er eine ohnmächtige Geste: ‚Er kann es einfach nicht! Er kann den Platz nicht sehen!’ Das war sein Lieblingssatz: ‚Er kann den Platz nicht sehen.’ Den hat er auch vom Fußball auf das echte Leben übertragen.“

      Durch den Sieg über das verletzungsgeschwächte

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