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Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд
Читать онлайн.Название Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt
Год выпуска 0
isbn 9788711449448
Автор произведения Хэлли Рубенхолд
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Das Wissen, dass Harris’ Damen von Covent Garden weitestgehend jeder Laune ausgeliefert waren, die es ihren Zuhälter an ihnen auszulassen gelüstete, könnte sehr gut der Anlass zur Gründung des Whore’s Club gewesen sein. Selbst für den Fall, dass diese Gesellschaft womöglich nur eine augenzwinkernde Erfindung des Autors von Fanny Murrays Memoirs ist – unter den gegebenen Umständen ist es doch sehr zu vermuten, dass sich die Prostituierten der Liste zum gegenseitigen Beistand und Schutz zusammentaten, so wie das auch ihre weniger privilegierten Kolleginnen, die Winkeldirnen auf der Gasse, machten. Die Satzungstafeln des Clubs scheinen, wenig überraschend, nahezulegen, dass die unmittelbare Funktion der Gesellschaft die Berauschung ihrer Mitglieder war, doch bestand ihre dauerhaftere Bestimmung darin, der Schwesternschaft stärkeren Rückhalt zu geben.
Erklärtermaßen waren die zur Mitgliedschaft alleinig qualifizierten Frauen diejenigen, die »auf des Vermittlers Harris’ Liste stehen und nie die Strafe verwirkt haben, von dieser Liste ausgetilgt zu werden, weil sie kein Pfundgeld zahlten – und so den billigen Preis für ihre Gesundheit zu entrichten verabsäumten – oder aus welchem Grunde immer«. Des Weiteren wurde zur Bedingung gemacht, dass »keine Mitschwester dieser Gesellschaft mehr als einmal im Bridewell-Zuchthaus [dem Prostituiertengefängnis im Londoner Stadtteil Clerkenwell] gesessen haben darf« und dass »keiner Mitschwester, die irgendeines Verbrechens wegen – Taschendiebstahl ausgenommen – am Old Bailey vor Gericht gestellt worden, nach einem Freispruch die Wiederaufnahme verweigert werden soll, wofern sie keine Schwangerschaft vorschützte, um ihren Hals zu retten«.
Man kann sich den Sonntagabend im Shakespear’s Head – womöglich der einzige ruhige Abend der Woche – lebhaft vorstellen. Nun können Harris’ Damen einigermaßen freie Stunden verbringen und sich zumindest ein wenig von ihrer sonstigen Plackerei erholen. Manche treffen in einer Portechaise ein, die von den Sänftenträgern würdevoll zu Boden herabgelassen wird; andere kommen bereits halb trunken und von einer Ginfahne umweht. Wenn sie einander aufgeregt schwatzend begrüßen, sich umarmen oder auch aneinandergeraten, heben die wenigen Zecher im Raum neugierig die Augen und beobachten das Flattern von billiger Seide und Spitzenhauben, wie es die Treppen hinauf nach oben entschwindet. Bevor dann die Sauferei so richtig losgeht, werden erst einmal die anstehenden ernsten Angelegenheiten zur Sprache gebracht. Vorrangig wird es da darum gegangen sein, finanzielle Unterstützung für diejenigen aus dem Kreis aufzubringen, die gerade im Gefängnis waren oder sich die »Spanischen Pocken«, also die Syphilis, zugezogen hatten. Diese Mittel setzten sich aus Clubbeiträgen sowie aus den namentlichen Spenden solcher Mitschwestern zusammen, die als Mätressen in den Händen fester Liebhaber »züchtig« geworden waren. Der Whore’s Club erwartete in diesem Fall Großzügigkeit und bestand darauf, dass die milde Gabe der entsprechenden Dame zu der ihr von ihrem Entreteneur »zubedungenen Vergütung im rechten Verhältnis« stand. Sobald das Geschäftliche erledigt war, konnte der angenehme Teil des Abends beginnen.
Wenn sie auch allesamt unflätige, dem Becher zugetane Huren waren, so erkannten ihre Clubstatuten doch an, dass ein bestimmter Grad von Anstand und Schicklichkeit gewahrt bleiben müsse. Offensichtlich arteten diese Zusammenkünfte, ganz wie die der Herrenclubs, gegen Ende mitunter ein wenig aus. Doch gab es klare Regeln für alle möglichen alkoholindizierten Pannen. So wurde etwa festgehalten, dass »jede Mitschwester, die, da sie des Trunkes im Übermaße genossen, ihren Magen entleert und dabei Kleidung einer anderen Mitschwester besudelt, verpflichtet ist, diese von ihr entgegenzunehmen und sie mit neuen Kleidern auszustatten oder auf eine andere Weise für den erlittenen Schaden aufzukommen«. Strafen wurden auch jenen auferlegt, die »Gläser, Flaschen etc.« zerbrachen, die »ein wildes, zügelloses Gebaren« an den Tag legten oder die am Ende des Abends »des Gehens nicht mehr mächtig« waren. Die ganze Zeit über wird Harris auf die Vorgänge im Zimmer ein Auge gehabt und immer mal wieder die eine oder andere am Ärmel gezupft haben, deren Name von unten heraufgerufen worden war.
Während sich sein Ruhm mehrte und mehrte, mag Jack Harris die Tatsache aus den Augen verloren haben, dass nicht nur er die Bekanntschaft einer Unzahl von Namen und Gesichtern gemacht hatte – auch ihn hatte eine Unzahl von Namen und Gesichtern kennengelernt. Je mehr Menschen seinen Namen im Munde führten, umso exponierter wurde seine Stellung, und mit der Größe seiner Macht wuchs auch die Fülle an Klatschgeschichten über ihn, die unter den Kunden von Covent Garden die Runde machten. In breiten Kreisen der Bevölkerung, von der niedrigsten Bettelhure bis zum adligen Erben, erzählte man sich Berichte von seinen alten und neuen Großtaten weiter. Wie alle Namen, die eine mehr oder minder traurige Berühmtheit erlangen, wurde so auch der Name Harris unweigerlich von immer hartnäckigeren Legenden umrankt.
Harris glaubte, dass er im Wesentlichen nichts zu befürchten hatte. Obwohl das Shakespear vom Sitz des lokalen Friedensrichters in der Bow Street kaum eine Rufweite entfernt lag, kamen weder Packington Tomkins noch sein Oberkellner je mit dem Gesetz in Konflikt. Das Shakespear und die dortigen Umtriebe waren im ganzen Viertel wohlbekannt, dennoch wurden erstaunlicherweise nie irgendwelche konzertierte Anstrengungen unternommen, um diesen illegalen Geschäften ein Ende zu setzen. Was das Gesetz betraf, war die Sache im 18. Jahrhundert eindeutig: Von 1752 an war sowohl das offene Anbieten sexueller Dienstleistungen als auch das Unterhalten von Hurenhäusern illegal, jedoch wurde die Durchsetzung dieser Erlasse völlig willkürlich betrieben. Die Nachtwache – das Polizeiähnlichste, was London bis zur Einrichtung der Proto-Polizeitruppe der »Bow Street Runners« zu bieten hatte – war eher daran interessiert, im turbulenten Chaos der Straßen die Ruhe zu wahren, als dem Gesetz auf eigene Initiative Geltung zu verschaffen. Während schmuddelige Gassendirnen, die aus den Türeingängen heraus Unzüchtigkeiten riefen und Männer angrabschten, für andere zur Belästigung werden konnten, waren diejenigen, die ihren Geschäften ohne Lärm und hinter den Türen nachgingen, so unauffällig, dass es fast unmöglich war, gerichtlich gegen sie vorzugehen. Dies galt besonders für all jene, die in den höheren Etagen des Geschäfts mit dem Sex tätig waren: Kuppelkellner, Edelprostituierte, Bordellwirte. Vor allem dank ihrer Diskretion, dem gehobenen Stand ihrer Klientel und dem Anschein der Vornehmheit, in den sie sich zu hüllen wussten, bekam der lange Arm des Gesetzes diese Leute nur selten einmal zu fassen. Ihr scheinbares Geschütztsein vor strafrechtlicher Verfolgung verlieh ihnen ein Gefühl von Sicherheit, und auf dieses Fundament bauten sie ihr Glück und Gedeihen.
Als das Jahr 1758 kam, glaubte Harris, als oberster Herrscher über das Rotlichtmilieu von Covent Garden unangreifbar zu sein. Auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt, brüstete er sich, allein durch Kuppelei »in ungefähr einem halben Dutzend Jahren« ein Vermögen von »vier- oder fünftausend Pfund« angehäuft zu haben, eine Summe, die dem Salär des Premierministers oder »First Lord of the Treasury« entsprach. Man munkelte, dass sich seine Liste auf vierhundert Namen ausgeweitet hatte und Frauen aus allen Teilen Londons, von Southwark bis Shoreditch, Bloomsbury und Chelsea, verzeichnete. Außerdem beschäftigte er einen Stab von »Unterkupplern«, junge Lehrlinge, eingestellt, um das Gewerbe zu erlernen und die Außenposten seines Imperiums zu verwalten.
Leider wuchs mit der Größe seines Reichs auch Harris’ Überheblichkeit. Wo John Harrison einst mit umsichtiger Diskretion aufgetreten war, präsentierte sich Jack Harris mit herausfordernder Großspurigkeit, und er scherte sich herzlich wenig darum,