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wollen Sie in der CSR?« fragte ein Uniformierter.

      »Skilaufen«, erwiderte Stahmer.

      »Warum?« bohrte der tschechische Grenzbeamte weiter.

      »Warum nicht?« fragte Stahmer zurück.

      Der Mann schüttelte den Kopf. Er wußte, daß man mit fünfzig Reichsmark nicht weit kommt, besonders da auch noch die Gebühr für die Straßenbenutzung davon zu bezahlen war. Er wußte weiter, daß jeder zweite, der aus Deutschland kam, ein Flüchtling oder Spion war, und hatte für keine der beiden Kategorien eine übertriebene Zuneigung.

      »Ich habe Verwandte in Prag«, erklärte Stahmer.

      Der Grenzbeamte wurde freundlicher.

      »Trotzdem benötige ich noch etwas Geld …«, Stahmer deutete auf seine Armbanduhr. »Gold«, sagte er, »achtzehn Karat … können wir miteinander ins Geschäft kommen?«

      »Geht nicht.« Der Uniformierte machte eine vage Handbewegung zu einem Holzhaus, dem Aufenthaltsraum der Grenzbeamten.

      Stahmer lächelte und nickte. Er ließ den Wagen stehen und ging hinein. Unter den Augen des Polizeibeamten tauschte er die Armbanduhr gegen Tschechenkronen.

      Der Wagen sprang wieder an, die schwarze Limousine rollte weiter, Richtung Prag. Ira, die schweigend die Grenzformalitäten überstanden hatte, kuschelte sich fröstelnd gegen die Lehne, zog die Decke fester an sich.

      »Schade um die schöne Armbanduhr«, sagte sie.

      Stahmer zuckte die Schultern.

      »Sind wir so arm?«

      »Tarnung«, erwiderte der Agent knapp.

      Ira begriff erschrocken. Dann lachte sie unvermittelt. »Machen Sie immer so schlechte Geschäfte?«

      »Die Abrechnung kommt erst am Schluß«, erwiderte er.

      Stahmer wurde nicht müde beim Fahren. Der Wagen rollte Stunde um Stunde; ohne Aufenthalt durch Prag, dann weiter. Der Agent sah nicht auf die Straßenkarte. Er kannte sein Ziel auswendig. Der Weg wurde schmaler, die Schneedecke höher.

      Weiter ging die Fahrt. Schweigend. Der Wald, den die beiden passierten, wirkte gefroren und drohend. Wie das Gesicht Stahmers.

      »Sehr gesprächig sind Sie nicht«, sagte diesmal Ira.

      »Nachher«, antwortete er, »wir erreichen in einer halben Stunde ein abseits gelegenes Hotel an der Moldau … Wir werden uns erst eine Weile im Gastraum aufhalten … und dann versuchen wir, dort zu übernachten … das ist Ihnen klar?«

      Die junge Frau nickte. Ihr frostgerötetes Gesicht wurde dunkler. Auf einmal wich sie den Augen des Begleiters aus. Er bemerkte ihr Erschrecken und lächelte kühl.

      »Nur eine Formalität …«, erklärte er. »Wir sind im Dienst … Oder haben Sie Angst vor mir?«

      »Nicht besonders«, versetzte Ira. »Und was machen wir dann?«

      »Wintersport«, erwiderte er.

      »Und was tun wir wirklich?«

      »Ich suche einen Mann …«, antwortete der Agent. »Sie brauchen sich um gar nichts zu kümmern. Sie richten mir am Frühstückstisch die Brötchen … und streicheln mir ab und zu das Händchen … Und dann laufen Sie so viel Ski, wie Sie können … Ist das klar?«

      »Ja … Und wenn Sie den Mann gefunden haben?«

      »Weiß ich nicht«, entgegnete Stahmer. »Ich erhalte meine Weisungen aus Berlin … Sie übrigens auch …«

      Die Sonne war verschwunden. Das Thermometer sank auf fünfzehn Grad. Stahmer nahm ab und zu eine Hand vom Steuer und schüttelte sie. Auf einmal ging eine seltsame Verwandlung in seinem Gesicht vor sich, es wurde freundlicher, wärmer.

      »Bald …«, tröstete er Ira. Er nahm ihre Hand. »Du bekommst gleich einen heißen Grog …«

      Die Straße wandte sich hinauf zu einem felsigen Berg, der wuchtig über der Moldau hing. Die Ortschaft Zahorski war zwei, drei Kilometer entfernt. Prag wiederum lag vierzig Kilometer südlich. Über der Gegend, die sie jetzt passierten, schwebte die Melancholie der Einsamkeit. Kein Mensch begegnete ihnen, kein Fahrzeug war unterwegs. Einmal blieb der Wagen stecken, Ira mußte anschieben. Endlich nahm er die letzte Kurve, bog auf den ausgeschaufelten Vorplatz.

      Stahmer stieg aus, schüttelte die frostklammen Glieder, ging auf die andere Seite, half der Begleiterin aus dem Wagen. »Gepäck bleibt hier«, sagte er.

      Ira hängte sich bei ihm ein. Sie überquerten den Vorplatz. Der Gastraum lag im Dämmerlicht; er war mäßig besetzt. Die Unterhaltung brodelte in Zischlauten. Die warme Stube empfing die Ankömmlinge kühl, alle Blicke prüften sie tastend, aber niemand kümmerte sich um sie.

      Sie nahmen in einer Nische Platz, von der aus man den ganzen Raum übersehen konnte. Stahmer mußte vier-, fünfmal der Kellnerin winken. Der Grog ließ eine halbe Stunde auf sich warten.

      Dann wurde er lauwarm serviert. An diesem Ort waren Gäste aus Deutschland nicht beliebt. Bald würden sie noch verhaßter sein.

      Stahmer rutschte auf der Bank dicht an Ira heran. Er sah ihr in die Augen, lächelte. Was ist das für ein Mann, überlegte sie. Gibt er sich so kühl, oder ist er es? Oder gehört dieses Gesicht jetzt auch zum Dienst?

      Sie lächelte zurück. Das Spiel machte ihr Spaß.

      Der bullernde Kachelofen wärmte die steifen Gelenke. Die starre Mißbilligung der Umsitzenden konnte er nicht auftauen.

      Werner Stahmer hatte von Anfang an den Mann im Auge, als er die Gaststube betrat. Während er wegsah, photographierte ihn sein Gedächtnis, verglich er, stellte er fest: das ist er …

      Rudolf Formis, fünfundvierzig Jahre alt, mittelgroß, hager, ein Mann mit dem Kopf eines Gelehrten, den feinnervigen Händen eines Künstlers und der Leidenschaft eines Märtyrers. In diesen Augen brannten Haß und Liebe. Liebe zur Heimat, Haß gegen die Unterdrücker. Sein Gesicht war geprägt von dem Wissen, daß er an jedem Tag, zu jeder Stunde und an jedem Ort den Tod zu erwarten hatte. Von seinen Feinden, die er bekämpfte. Sein Einsatz gegen Hitler schien unbedeutend, aber er war hoch.

      Rudolf Formis sah sich um und setzte sich dann an einen Platz, der offensichtlich für ihn freigehalten wurde. Die Kellnerin brachte ihm unaufgefordert heißen Tee und eine Zeitung. Er las konzentriert. Einmal sah er über den Blattrand hinweg, streifte mit den Augen Stahmer, begegnete Iras Blick und wandte sich sofort höflich und zurückhaltend wieder ab.

      »So«, sagte Stahmer, »und jetzt wird Quartier gemacht.«

      Er stand auf und ging auf den Wirt zu.

      »Können wir ein Zimmer haben?« fragte er.

      Der Mann schüttelte verständnislos den Kopf. »Nerozumim nemecky«, erwiderte er, »ich verstehe kein Deutsch …«

      »Nur für ein paar Tage«, bat der unheimliche Gast weiter.

      »Nemáme nic volny, bohuzel«, entgegnete der Hotelier lebhaft, »wir haben nichts frei, leider …« Er ließ Stahmer stehen.

      Ein paar Sekunden war der Agent betroffen, machte eine hilflose Bewegung mit den Schultern, drehte sich bedauernd zu Ira um.

      Der Mann mit der Zeitung, Rudolf Formis, hörte dem Gespräch zu, ohne es seinem Gesicht anmerken zu lassen. Sein Mißtrauen mußte größer sein als seine Hilfsbereitschaft. In dieses Haus einen hergelaufenen Deutschen aufzunehmen war viel zu gefährlich. Lebensgefährlich.

      Er verfolgte Stahmer, wie er an seinen Tisch zurückging. Wieder erfaßte sein Blick die Frau.

      Stahmer sagte laut und erregt: »Wir hätten doch zu Hause bleiben sollen … da will man einmal in einer Gegend Ski laufen, wo nicht jeder Hund das Hakenkreuz in den Schnee pinkelt …«

      Formis hob den Kopf. Er spürte sein Herz. Er war einsam und abgeschnitten. Wie wünschte

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