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Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik. Hubert Klausmann
Читать онлайн.Название Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik
Год выпуска 0
isbn 9783823302483
Автор произведения Hubert Klausmann
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Tab. 1: Die Herleitung der Dialekte aus dem Mittelhochdeutschen
Im Gegensatz zum Germanischen, wofür wir praktisch keine Texte haben, ist die mittelhochdeutsche Sprache gut überliefert. Die großen Dichter des Mittelalters wie Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach haben in dieser Sprache ihre Werke geschrieben. Darüber hinaus liegt uns das Mittelhochdeutsche auch in zahlreichen Urkunden vor. Die Aufspaltung dieser ursprünglich relativ einheitlichen Sprache in die heutigen Großdialekte Bairisch (man schreibt den Dialekt mit einem -i-, das Land Bayern dagegen mit -y-), AlemannischAlemannisch und FränkischFränkisch ist erst nach dem Mittelalter erfolgt. Um nun die Entwicklung der einzelnen Dialekte zu beschreiben, fragt sich die Mundartforschung, was aus den einzelnen mittelalterlichen Lauten in den jeweiligen Dialekten geworden ist: Was wurde zum Beispiel aus einem mittelhochdeutschen langen u-Laut, den man damals als û notierte, in einem Wort wie hûs „Haus“? Man stellt dann fest: Im Alemannischen ist dieses û als langer u-Laut erhalten geblieben und man sagt dort auch heute noch Huus wie im Mittelalter, während dieses û im SchwäbischenSchwäbisch zu einem -ou- wurde, so dass man dort Hous sagt. Im FränkischenFränkisch und BairischenBairisch ist dieses û dagegen zu einem au geworden. Man sagt wie im Standarddeutschen Haus. Und was wurde aus einem mittelhochdeutschen ei in einem Wort wie breit im Dialekt des Ortes A, was im Ort B? In manchen Gebieten, so etwa im Ostschwäbischen, wurde dieses -ei- zu einem -oi-, so dass man das Wort jetzt als broit ausspricht, in anderen Gegenden wie etwa dem Westschwäbischen oder dem Bairischen, wurde es zu -oa-, so dass man dort broat sagt.
Beispiel für eine Sprachatlaskarte, hier aus dem „Sprachatlas von Nord Baden-Württemberg“, Band 2, Karte I, 21.1.
Wenn man alle Laute nach diesem Verfahren durcharbeitet, erhält man das sprachliche Profil eines Ortes und kann für diesen eine Lautlehre erstellen. Dasselbe gilt auch für andere Teilbereiche wie die Grammatik, so dass am Schluss eine umfangreiche Beschreibung einer Ortsmundart entsteht.
Für die Einteilung von Sprachlandschaften nimmt man immer lautliche Veränderungen als Ausgangspunkt, weil sie – wie oben erwähnt – stets in mehreren Wörtern auftreten. Wer für breit heute broit sagt, sagt auch hoiß für heiß, Goiß für Geiß, Loitere für Leiter usw.
3.1.2 Die Gliederung der Dialekte
Es wurde bereits erwähnt, dass sich die oberdeutschenOberdeutsch Dialekte (AlemannischAlemannisch, Bairisch, FränkischFränkisch) durch die gemeinsame Teilnahme an der Zweiten LautverschiebungZweite Lautverschiebung von den anderen Dialekten absetzten. Bereits für die mittelhochdeutsche Zeit kann man allerdings erste Unterschiede zwischen diesen drei Großdialekten erkennen. Da sich Sprache in Raum und Zeit prinzipiell ändert, musste die unterschiedliche Besiedlung der germanischen Personengruppen zu einer Differenzierung führen, die sich in der frühen Neuzeit durch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Verkehrslinien und Territorien noch verstärkte. Zu den wichtigsten lautlichen Neuerungen dieser Zeit gehört die im vorangegangenen Kapitel schon angesprochene sogenannte neuhochdeutsche Diphthongierung der mittelhochdeutschen Langvokale î, û und iu (als langes -ü- ausgesprochen!) in Wörtern wie mhd. zît „Zeit“, hûs „Haus“ und hiuser „Häuser“ zu einem Diphthong -ei-, -au- und -äu-, wobei diese Diphthonge im SchwäbischenSchwäbisch als Zeit (mit einem richtigen ei-Laut, nicht ai!), Hous (nicht mit -au-!) und Heiser (wieder mit -ei-!) zu sprechen sind. Durch diese lautliche Besonderheit spaltet sich das SchwäbischeSchwäbisch sowohl von den übrigen alemannischen Dialekten als auch vom FränkischenFränkisch und BairischenBairisch ab, wo man diese Diphthonge wie in der späteren Standardsprache als Zait und Haus spricht. Häuser ist ein Sonderfall, da hier das Wort in manche Gegenden auch entrundet als Haiser gesprochen wird.
In den Urkunden taucht die Diphthongierung, die sich dann später auch in der Schriftsprache durchsetzt, ab dem 12. Jahrhundert auf, zunächst in Kärnten, viel später, im 16. Jahrhundert, auch im FränkischenFränkisch und SchwäbischenSchwäbisch. Die alemannischenAlemannisch Dialekte haben sie nicht mitgemacht, so dass man dort in den Dialekten auch heute noch wie im Mittelalter die oben genannten Wörter als Huus, Zit/Ziit und Hiiser/Hüüser ausspricht. Da die Diphthongierung zuerst in Kärnten auftauchte, ging man lange davon aus, dass sie in Kärnten entstand und sich langsam von dort bis in den schwäbischSchwäbisch-fränkischen Sprachraum ausbreitete. Doch schließt man bei dieser Theorie zu einfach von der Schreibweise der Schreiber auf die gesprochene Sprache, was nicht zulässig ist. In der Sprachwissenschaft geht man heute vielmehr von einer Entwicklung aus, die an mehreren Stellen gleichzeitig geschah und sich lediglich zeitlich unterschiedlich in den schriftlichen Texten niederschlug.
Die folgende Tabelle zeigt noch einmal, wie sich allein durch die Teilnahme an der neuhochdeutschen Diphthongierung die süddeutschen Großdialekte unterscheiden lassen.
Mhd. | Alemannisch | Schwäbisch | Bairisch | Fränkisch |
hûs | Huus | Hous | Haus | Haus |
zît | Zit/Ziit | Zeit | Zait | Zait |
hiuser | Hiiser/Hüüser | Heiser | Haiser | Haiser/ Höüser |
Tab. 2: Die Aufteilung der süddeutschen Dialekte und die neuhochdeutsche Diphthongierung.
Jeder dieser Großräume wird dann mit Hilfe lautlicher Kriterien weiter unterteilt. Hier einige Hinweise zur weiteren Unterteilung:
AlemannischAlemannisch: