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Splitter einer vergangenen Zukunft. Eckhard Bausch
Читать онлайн.Название Splitter einer vergangenen Zukunft
Год выпуска 0
isbn 9783947721214
Автор произведения Eckhard Bausch
Жанр Языкознание
Серия Die Dunstein-Chroniken
Издательство Bookwire
Bei den anderen drei Mitgliedern der regierenden Riege handelte es sich um die Befehlshaber der Schildwache sowie der Heere von Modonos und Tirestunom. Sie hatten eine umfassende Reform des Militärwesens durchgesetzt, die zugleich mit einer deutlichen Machtkonzentration in einzelnen Positionen einherging. So hatte die Schildwache auch die Überwachungsaufgaben der aufgelösten Garde von Modonos und der Geheimen Schar übernommen.
Nicht wenige glaubten, dass Atarco und Tornantha den früheren Befehlshaber des Landheeres von Modonos, Corbunt, aus dem Weg geräumt hatten, um ihre Vorherrschaft zu festigen. Das ungleiche Paar verbreitete dagegen in der Öffentlichkeit das Gerücht, Attentäter aus Gladunos hätten den Milesion vergiftet. Unter dem Strich hatte die Durchführung der Untersuchungen jedenfalls zu einem beträchtlichen Machtzuwachs der Schildwache und ihres Ducarions Robanost geführt.
Der Waffenstillstand, den die Heerführer des Südens mit Corbunt und dem Rektor von Dunculbur ausgehandelt hatten, war brüchig geworden. Es schien eine Frage der Zeit zu sein, bis die Kämpfe wieder aufflammen würden.
*
Tornantha handelte mit kühler Berechnung. Nachdem sie bemerkte, dass der Milesion Corbunt ihr hoffnungslos verfallen war, benutzte sie ihn, um die Ermordung ihres Ehegatten Crescal zu rächen. Danach sorgte der Milesion dafür, dass die Witwe des Aufrührers zur heimlichen Herrscherin von Modonos und Tirestunom aufstieg. Als Tornantha dies erreicht hatte, kam Corbunt unter mysteriösen Umständen ums Leben. Ein Medicus der Priester des Wissens stellte fest, dass er vergiftet worden war.
Einerseits kam der Witwe die Ermordung des Milesions gelegen. Sie hatte ihre Freiheit wiedergewonnen und zugleich die Möglichkeit erlangt, ihre Macht durch eine Militärreform zu festigen. Dabei stützte sie sich auf die Schubladenpläne, die noch ihr verstorbener Gemahl vorbereitet hatte. Diese Pläne stellten auch den Grund dafür dar, dass Crescal bis zuletzt seine Ernennung zum Milesion verweigert hatte.
Andererseits löste der Mord an Corbunt bei Tornantha aber auch eine innere Wut aus. Obgleich sie nicht wirklich wusste, wer ihn zu verantworten hatte, vermutete sie Atarco als Drahtzieher.
Der junge Priester des Wissens hatte seit ihrer ersten Begegnung unermüdlich nach einem Weg in ihr Bett gesucht, der ihm jedoch von Corbunt versperrt worden war. Atarco hätte nach Tornanthas Überzeugung erkennen müssen, dass das Volk sie mit diesem Giftmord in Verbindung bringen würde. Als sie ihn zur Rede stellte, leugnete er die Tat. Sie glaubte ihm nicht. Anscheinend fürchtete er, dass sie sich aufgrund ihres Zornes von ihm abwenden könnte. Tornanthas nüchternes Denken gebot ihr jedoch, die Vorwürfe letztlich auf sich beruhen zu lassen und stattdessen nach einer für das Volk überzeugenden Erklärung zu suchen.
So beschlossen Tornantha und Atarco, den Bewohnern der Hauptstadt eine Begründung der Mordtat zu liefern, die sich in der gegenwärtigen Situation anbot: Attentäter aus Gladunos hatten angeblich den gefürchteten Befehlshaber des feindlichen Heeres in Modonos beseitigt.
„Ich habe Corbunt vergiftet.“ Der Hall dieses Geständnisses schien von den Wänden abzuprallen und kreuz und quer durch den Raum zu schwirren.
Atarco saß wie versteinert in seinem Lesesessel und starrte die schwarzhaarige Frau mit der auffälligen Narbe im Gesicht an. Erst nach längerer Zeit gewann er seine Fassung zurück.
„Weshalb haben Sie das getan?“, wollte er wissen. „Haben Sie ihn denn überhaupt gekannt?“
„Nein“, antwortete der Begleiter der Frau an ihrer Stelle. Er trug ebenfalls das braun gestreifte Gewand einer Hilfskraft der Akademie. Seine drahtige Gestalt und die stark gebräunte Haut deuteten darauf hin, dass er aus Lokhrit oder Borgoi stammte und zur See gefahren war. Er spuckte ein paar Fasern des Speckstücks aus, auf dem er die ganze Zeit über herumkaute, und erklärte lapidar: „Wir führen nur Aufträge aus.“
„Und wer hat Ihnen diesen Auftrag erteilt?“, fragte Atarco. Der Mann zuckte mit den Schultern. Zweimal hatte ihn schon ein Blitzschlag getroffen. Aber im Gegensatz zu anderen Menschen, denen ein solches Unglück widerfahren war, hatte er dies jedesmal fast unversehrt überlebt. Worum es sich bei seinen Auftraggebern handelte, wusste er selbst nicht ganz genau. Nach wie vor konnte er sich unter dem „Geflecht der alten Wesenheiten“ nichts vorstellen. Deshalb hätte es auch keinen Sinn ergeben, Atarco etwas erklären zu wollen.
„Wir haben bewiesen, dass wir in der Lage sind, den Höchsten Priester zu töten“, sagte die schwarzhaarige Frau. „Aber wir sind auch imstande, jemanden zum Höchsten Priester zu machen, falls er dies unbedingt will.“
„Sie haben auch Saradur ermordet?“, fragte Atarco, ohne auf die Anspielung einzugehen, die erkennbar auf ihn gemünzt war. Nun ging die schwarzhaarige Frau nicht auf seine Frage ein. „Sie müssen eine Entscheidung treffen“, erinnerte sie stattdessen.
„Der Höchste Priester ist mein Vater“, entgegnete Atarco. „Ich will nicht, dass er getötet wird.“
Der Mann mit dem wettergegerbten Gesicht spuckte erneut ein Stück der Speckschwarte aus bevor er klarstellte: „Glauben Sie mir, es macht uns keine Freude, Menschen zu töten. Wir könnten Ihren Vater einfach verschwinden lassen. Aber was sollen wir unternehmen, falls Ihr Ziehbruder Nachforschungen anstellt?“
Atarco war gemeinsam mit Jobork aufgewachsen. Nach dem frühen Tod seiner Eltern hatte Ulban seinen Neffen Jobork aufgenommen und wie einen eigenen Sohn behandelt.
„Das werde ich wohl Ihnen überlassen müssen“, vermutete Atarco.
„Dann wären wir uns einig“, bestätigte Brinngulf Sterndek. „Sobald die Zeit gekommen ist, wird sich ein Mitglied des Inneren Zirkels an Sie wenden und Sie als Nachfolger Ihres Vaters vorschlagen. Er wird behaupten, Ulban tot gesehen zu haben. Das wird eine Lüge sein. Ihr Vater wird friedlich an einem versteckten Ort dieser Welt seinen Lebensabend genießen können.“
Die Sterndek-Geschwister wandten sich zum Gehen, aber Atarco hielt sie nocheinmal zurück.
„Eine Frage hätte ich noch“, sagte er. „Was verlangen Sie als Gegenleistung?“
„Vorerst nichts“, erwiderte Tannea Sterndek. „Falls wir irgendwann einmal eine kleine Gefälligkeit benötigen sollten, würden wir auf Sie zurückkommen.“
*
Die gemeinsame Reise auf dem breiten Lumbur-Strom hatte nicht dazu beigetragen, dass Baron Schaddoch seinen Begleiter als weniger unheimlich empfand. Dabei hatte er jahrzehntelang unter den schlimmsten Schurken des Kontinents gelebt. Aber zwischen diesen Halunken und dem neuen Gefährten des ehemaligen Verbrecherkönigs von Surdyrien lagen Welten. Noch im Schlossgarten von Doinat hatte Korvinag auf unerklärliche Weise sein Äußeres verändert und anschließend auch gleich noch seinen Namen. Er nannte sich jetzt Rakoving und sah mit seinen gestrafften Gesichtszügen, der kräftigen Statur und dem braunen Lockenschopf gleich vierzig Jahre jünger aus.
Nach ihrem Eintreffen in Dirtos begaben sich Schaddoch und Rakoving auf kürzestem Weg in eine der übelsten Spelunken, die die Hauptstadt Surdyriens aufzubieten hatte. Und in dieser Hinsicht hatte Dirtos mehr zu bieten als jede andere Stadt auf dem Kontinent. Der Anblick der Gäste im Schankraum hätte zart besaitete Menschen in Angst und Schrecken versetzt, obgleich Einzelheiten im trüben Licht des rauchgeschwängerten Raumes kaum zu erkennen waren. Der Mief vergorener Getränke vermischte sich mit abstoßenden Körperausdünstungen und dem durchdringenden Geruch des Saffagass-Krauts, einer berauschenden Droge. Schaddoch steuerte von alledem unbeeindruckt mit zielgerichteten Schritten auf eine kleine Tür in der hinteren Wand des Gastraums zu. Sie führte zu einem offenen, von zwei seitlichen Mauern begrenzten Durchgang. Am Fuß der rechten Mauer entlang verlief eine Rinne, in